OGH 3Ob16/07k

OGH3Ob16/07k22.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Simon P*****, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei G. ***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Christian Slana, Rechtsanwalt in Linz, wegen 6.003 EUR s.A., Zahlung einer monatlichen Rente von 207 EUR und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. November 2006, GZ 2 R 173/06h-19, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 7. Juni 2006, GZ 4 Cg 18/06v-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die obsorgeberechtigte Mutter des in ihrem Haushalt betreuten mj. Klägers erlitt am 6. August 2003 einen tödlichen Stromunfall. Sie hatte beim Rasenmähen mit einer Metallsense ein im Gras liegendes, zu einem Schwimmbad führendes Stromkabel durchschnitten. Unfallsursachen waren das Fehlen eines Schutzschalters und die fehlende Erdung. Diese Gefahrenquellen hätte der rechtskräftig wegen § 80 StGB verurteilte Elektromonteur des beklagten Elektrounternehmens bei einer vor dem Unfall durchgeführten Reparatur einer Kochplatte feststellen und auf die Gefahren hinweisen können.

Der Kläger begehrte für den Zeitraum vom 6. August 2003 bis 31. Dezember 2005 einen infolge Todes seiner Mutter entgangenen Unterhalt von 6.003 EUR, eine monatliche Rente von 207 EUR ab 1. Juli 2006 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige, durch den Tod seiner Mutter entstehenden Schäden.

Die Vorinstanzen wiesen die Leistungsbegehren ab und gaben nur dem Feststellungsbegehren im Ausmaß von einem Drittel (Erstgericht) bzw. der Hälfte (Berufungsgericht) statt.

Die Abweisung der Leistungsbegehren begründete das Berufungsgericht im Wesentlichen damit, dass der Kläger keine Gehaltsauskunft über das Einkommen seiner Mutter vorgelegt habe. In der Abweisung seines Antrags auf amtswegige Beischaffung der Auskunft durch das Erstgericht liege kein Verfahrensmangel. Die Einschätzung des Einkommens nach § 273 ZPO sei nicht statthaft, weil das Einkommen keineswegs nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten hätte ermittelt werden können. Im Übrigen komme es für die Beurteilung des entgangenen Unterhalts primär auf die entgangenen Betreuungsleistungen der Mutter an. Dazu habe der Kläger nichts vorgebracht und auf die Aufforderung des Erstgerichts zur Schlüssigstellung seines Vorbringens nur auf die Entscheidung 2 Ob 243/99w verwiesen. Danach sei der gesetzliche Unterhaltsanspruch als Mindestanspruch nach § 1327 ABGB anzusehen. Dieser Anspruch sei aber nur nach den konkreten Lebensverhältnissen zu beurteilen. Die Negativfeststellungen zum Einkommen der Mutter des Klägers und zu den tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen begründeten weder einen Verfahrensfehler noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Der Revisionswerber vermag keine auch über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung aufzuzeigen:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verschuldensaufteilung ist eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Ermessensentscheidung und grundsätzlich nicht revisibel (RIS-Justiz RS0044262). Eine irrige Überbewertung der Eigenverantwortlichkeit der Mutter des Klägers liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.

2. Ob § 273 ZPO hier Anwendung finden hätte können, kann dahingestellt bleiben, weil das Berufungsgericht diese verfahrensrechtliche Frage behandelt, einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens aber verneint hat, woran der Oberste Gerichtshof nach stRsp gebunden ist (zuletzt 9 ObA 109/06d; RIS-Justiz RS0042963). Im Übrigen hängt auch die Anwendbarkeit des § 273 ZPO von den Umständen des Einzelfalls ab und hat daher grundsätzlich keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0040494).

3. Die Abweisung der Leistungsbegehren hat ihre primäre Ursache schon in fehlenden Prozessbehauptungen des Klägers, ist also auf die Verletzung seiner prozessualen Dilligenzpflicht zurückzuführen:

a) Wenn die Eltern getrennt leben, hat das Kind gegenüber dem Elternteil, in dessen Haushalt es lebt, nur einen Unterhaltsanspruch durch Betreuung. Ein darüber hinausgehender, subsidiärer weiterer Anspruch besteht nur dann, wenn der Geldunterhaltspflichtige zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist (§ 140 Abs 2 ABGB). Beim Tod des betreuenden Elternteils hat der Schädiger das „Entgangene" zu ersetzen (§ 1327 ABGB). Der Berechtigte hat also die maßgeblichen entgangenen Betreuungs-, Pflege- und Unterhaltsleistungen in Form tatsächlicher Aufwendungen (RIS-Justiz RS0031598) zumindest konkret zu behaupten, damit dann allenfalls unter Anwendung des § 273 ZPO der Ersatz für das Entgangene, also der Aufwand für eine Ersatzkraft (Wirtschafterin) festgestellt werden kann (in diesem Sinn 2 Ob 86/89). Mit seinem Hinweis auf das Einkommen der Mutter kam der Kläger seiner Behauptungslast über entgangene Betreuungsleistungen ebenso wenig nach, wie in Ansehung eines allenfalls über die Betreuung hinausgehenden weiteren, subsidiär erbrachten Unterhalts in Form von Mehraufwendungen infolge fehlender Leistungsfähigkeit des Vaters. Auch dazu hätte es konkreter Behauptungen bedurft, die der Kläger trotz richterlicher Aufforderung zur Schlüssigstellung seines Vorbringens unterließ.

b) Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers konnte sein Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 243/99w das fehlende Tatsachenvorbringen nicht ersetzen:

Mit der zitierten Entscheidung folgte der zweite Senat nur der überwiegenden Rechtsprechungslinie, dass dem Hinterbliebenen gemäß § 1327 ABGB der gesetzliche Unterhalt als Mindestanspruch zu ersetzen ist, auch wenn zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen von diesem tatsächlich weniger geleistet worden war. Zutreffend hat das Berufungsgericht dazu bemerkt, dass das Ausmaß des gesetzlichen Unterhalts des betreuenden Elternteils von den konkreten Lebensverhältnissen abhängt. Dabei handelt es sich nicht um eine abstrakte Größe, sondern um die von den Lebensverhältnissen beider Elternteile abhängigen, von der Mutter zu erbringenden Bar-, Sach- und Betreuungsleistungen, die insgesamt dem Geldunterhaltsanspruch gegenüber dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil nach den sogenannten Regelbedarfssätzen nicht gleichgehalten werden können. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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