OGH 12Os20/07v

OGH12Os20/07v20.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Februar 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kikinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Daniele N***** und einen weiteren Beschuldigten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB, AZ 38 Ur 258/06x des Landesgerichtes Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerden des Danielle N***** und des Mario F***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. Jänner 2007, AZ 6 Bs 607/06z, ON 111 der Ur-Akten, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Danielle N***** und Mario F***** wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerden werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht die am 23. August 2006 verhängte (ON 8) und vom Erstgericht zuletzt am 20. Dezember 2006 (ON 98) fortgeführte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a, b und c StPO fort.

Danach sind die beiden Beschuldigten des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB dringend verdächtig, weil sie am 20. August 2006 in Innsbruck gemeinsam mit drei weiteren unbekannten Mittätern mit dem Vorsatz, Waren des Juweliergeschäftes „G*****" in beträchtlicher Höhe zu stehlen, versucht haben sollen, nach Hochheben eines Rollgitters die Auslagenscheibe einzuschlagen, wobei die Panzerglasscheibe zwar splitterte, jedoch der Gewalteinwirkung standhielt.

Rechtliche Beurteilung

Den von beiden Beschuldigten erhobenen, gemeinsam ausgeführten Grundrechtsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu. Die eine vorgreifende Beweiswürdigung zur Schuldfrage reklamierenden Beschwerdeführer übergehen, dass Feststellungen zu einer dringenden Verdachtslage als Voraussetzung einer Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zwingend notwendig sind (vgl Ratz, ÖJZ 2005, 417 f). Ungeachtet dieser Konstatierungen zum Tatverdacht bleibt die Klärung einer Schuld der Beschwerdeführer und natürlich auch die Strafbemessung der Hauptverhandlung vorbehalten.

Soweit die Beschuldigten ihre bislang eingenommene Auffassung wiederholen, dass hinsichtlich des angelasteten Einbruchsdiebstahls ein absolut untauglicher Versuch vorliege und somit allenfalls eine Verurteilung wegen des Vergehens der Sachbeschädigung im Raum stehe, fehlt jegliche Argumentation, weshalb die rechtliche Beurteilung des Oberlandesgerichtes Innsbruck fehlerhaft wäre, wonach es keinesfalls denkunmöglich ist (§ 15 Abs 3 StGB), dass durch das Einschlagen auf eine Auslagenscheibe - mag diese auch aus Sicherheitsglas bestehen - mit Vorschlaghämmern ein Einbruch erfolgreich vollendet werden könnte (Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 78, 82, 99; RIS-Justiz RS0115363).

Demgemäß hat sich - entgegen dem Standpunkt der Beschwerdeführer, welche auf ein allfällig verwirklichtes Vergehen der Sachbeschädigung abstellen - die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Untersuchungshaft an dem nach der Verdachtslage in Betracht kommenden Verbrechenstatbestand des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB zu orientieren.

Die - bezogen auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung - knapp fünf Monate andauernde Untersuchungshaft ist bei verdachtskonformer Verurteilung in Ansehung der aktuellen Strafdrohung des § 129 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) und unter Berücksichtigung der wiederholt einschlägig vorbestraften Täterpersönlichkeiten der Beschwerdeführer (noch) nicht unverhältnismäßig.

Die inhaltlich einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vorbringende Rüge, wonach trotz der seit August 2006 andauernden Untersuchungshaft bislang keine Anklage erhoben worden sei, übergeht, dass die nur im Umfang einer Sachbeschädigung geständige Verantwortung des Danielle N***** (vgl S 213/I) und die gänzlich leugnende Einlassung des Mario F***** nicht nur Beweiserhebungen auch im Ausland, insbesondere zu allenfalls aus weiteren Vermögensdelikten stammenden, bei den Beschuldigten sichergestellten Wertgegenständen, sondern auch eine umfassende Spurenauswertung erforderten, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichtes noch nicht abgeschlossen war. Eine ins Gewicht fallende, grundrechtsverletzend wirkende Verfahrensverzögerung iSd § 193 Abs 1 StPO kann derzeit noch nicht ausgemacht werden. Allerdings wird die Voruntersuchung nunmehr nach Einlangen der Vollanzeige ungesäumt zu schließen sein und eine rasche Entscheidung über die Anklageerhebung notwendig werden. Weshalb bei einem (nach der im angefochtenen Beschluss dargestellten Verdachtslage) von mehreren Personen unternommenen Einbruchsversuch, bei dem mit Vorschlaghämmern die Panzerglasscheibe eines Juweliergeschäftes eingeschlagen werden sollte, um Waren in beträchtlicher Höhe zu stehlen, eine Tat mit nicht bloß leichten Folgen iSd § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO zu verneinen wäre, wird in der diesen Haftgrund insoweit substanzlos bestreitenden Beschwerde nicht dargetan.

Die Gefahr der Begehung weiterer gleichartiger Straftaten stützte das Rechtsmittelgericht einerseits auf einschlägige Vorverurteilungen beider Beschuldigten in Italien und auf deren Ausrüstung mit Waffen, Munition und Funkgeräten sowie andererseits auf die den Erstbeschuldigten betreffende Verdachtslage, gegen welchen in Monaco aktuell ein Strafverfahren wegen eines Juweliereinbruchs geführt wird und der eine aus der dortigen Diebesbeute stammende Uhr bei sich führen soll. Im Übrigen berücksichtigte der Gerichtshof zweiter Instanz ausdrücklich den Umstand, dass die beiden einschlägigen Vorverurteilungen des Zweitbeschuldigten bereits länger zurückliegen. Damit hat das Beschwerdegericht zur Prognosenbegründung durchaus bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungen geeignet sind, die daraus abgeleiteten Befürchtungen zu tragen. Der Vorwurf einer willkürlichen Annahme des Haftgrundes trifft daher nicht zu (vgl 13 Os 88/06z; 15 Os 86/06w uva).

Auf die sonstigen Einwände, insbesondere zur auch herangezogenen Fluchtgefahr und deren mögliche Abwendung durch Kautionserlag, war daher nicht weiter einzugehen, weil bei dem gegebenen dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS-Justiz RS0061196). Somit wurden die Beschuldigten im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Der Vollständigkeit halber wird im Sinne der Anregung der Generalprokuratur darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die gänzlich leugnende Verantwortung des Mario F***** (vgl ON 7), welcher von Danielle N***** belastet wird (S 211 ff/I), infolge der Vertretung beider Beschuldigten durch dieselbe Rechtsanwalts-Kanzleigemeinschaft die Gefahr einer Interessenkollision iSd § 43 StPO besteht.

Stichworte