OGH 7Ob268/07y

OGH7Ob268/07y7.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Filip D*****, geboren am *****, vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, *****, über den Revisionsrekurs des Vaters Bratislav D*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Mai 2007, GZ 44 R 210/07v-U-42, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 19. März 2007, GZ 1 P 131/03s-U-36, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Unterhaltsleistung an den Minderjährigen. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Vaters am 26. März 2007 zugestellt.

Der mit 10. 4. 2007 datierte Rekurs des Vaters trägt die Einlaufstampiglie des Erstgerichts vom 12. 4. 2007 und den Zusatz „Einlaufkasten".

Das Rekursgericht wies den Rekurs als verspätet zurück. Die 14-tägige Rekursfrist habe, da der 9. 4. 2007 ein Feiertag gewesen sei (Ostermontag), am 10. 4. 2007, geendet. Die am 12. 4. 2007 beim Erstgericht in den Einlaufkasten abgegebene Rechtsmittelschrift sei daher verspätet.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Beschluss ersatzlos zu beheben.

Über Antrag des Vaters änderte das Rekursgericht am 30. 10. 2007 seinen Ausspruch dahingehend ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Vater vorgebracht habe, der Rekurs sei nicht in den Einlaufkasten abgegeben, sondern noch am 10. 4. 2007 um 21.40 Uhr beim Postamt 1010 Wien eingeschrieben, an das Erstgericht adressiert, zur Post gegeben worden. Aufgrund der Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens liege eine erhebliche Rechtsfrage, nämlich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels, zur Entscheidung vor, deren Beurteilung dem Obersten Gerichtshof überlassen werden müsse.

Der Minderjährige beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die Revisionsrekursbeantwortung ist aber verspätet. Der Beschluss des Rekursgerichts, mit dem die Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung freigestellt wurde, wurde dem Vertreter des Minderjährigen am 13. 11. 2007 zugestellt. Die entgegen § 68 Abs 4 Z 1 AußStrG an das Erstgericht adressierte Revisionsrekursbeantwortung langte erst am 3. 12. 2007 beim zuständigen Rekursgericht ein, sohin außerhalb der vierzehntägigen Frist (§ 68 Abs 1 AußStrG). Der Postlauf ist nicht einzurechnen, weil der Schriftsatz nicht an das zuständige Gericht adressiert war (§ 89 GOG; RIS-Justiz RS0041608, RS0041584).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Die unzutreffende Annahme der Verspätung eines Rechtsmittels ist eine erhebliche Rechtsfrage, weil ein tragender Grundsatz des Verfahrensrechts verletzt wird (5 Ob 283/06p; RIS-Justiz RS0041365 [T4]). Er ist auch berechtigt.

Folgender Sachverhalt ist bescheinigt:

Mag. Gottfried H*****, Rechtsanwaltsanwärter beim Rechtsvertreter des Vaters, gab den Rekurs am 10. 4. 2007 um 21.40 Uhr beim Postamt 1010 Wien eingeschrieben und adressiert an das Erstgericht ab. Durch die Einvernahme der beantragten Personen und Einsicht in den Postaufgabeschein und die Auskunft der Österreichischen Post AG über die Nachforschung ist bescheinigt, dass der Rekurs am 10. 4. 2007 zur Post gegeben wurde. Die Leiterin der Einlaufstelle nimmt zwar nicht an, dass ihr Vermerk unrichtig sei, kann aber natürlich nicht ausschließen, dass es sich um ein Versehen ihrerseits gehandelt haben könnte. Im Hinblick auf die übereinstimmenden und nachvollziehbaren übrigen Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens ist von der Postaufgabe des Rekurses auszugehen.

Die Eingangsstampiglie ist zwar eine öffentliche Urkunde nach § 292 ZPO, die zunächst vollen Beweis über den dokumentierten Vorgang macht, dem Rechtsmittelwerber steht jedoch der Gegenbeweis offen (5 Ob 283/06p, RIS-Justiz RS0006957 [T1 und T2]; RS0006965 [T1]). Der letzte Tag der Rekursfrist war der 10. 4. 2007. An diesem Tag wurde der Rekurs zur Post gegeben. Er erweist sich daher als rechtzeitig. Das Rekursgericht wird über den rechtzeitigen Rekurs zu entscheiden haben.

Stichworte