OGH 2Ob41/06b

OGH2Ob41/06b7.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes Sch*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1.) Hubert G*****; 2.) A***** GmbH, *****; und 3.) U*****, sämtliche vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen EUR 19.565,07 sA und Feststellung (Revisionsinteresse EUR 14.916,42), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. November 2005, GZ 1 R 225/05f-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. Juli 2005, GZ 7 Cg 95/04x-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.006,64 (hierin enthalten EUR 167,77 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in Vorarlberg wohnhafte Kläger wurde am 23. 6. 2003 bei einem Verkehrsunfall in Bludenz verletzt. Die Haftung sämtlicher Beklagter (Lenker, Halter und Haftpflichtversicherer) aus dem Alleinverschulden des Erstbeklagten ist unstrittig. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 29. 9. 2004 (ON 6) wurde bereits dem Feststellungsbegehren des Klägers betreffend die Solidarhaftung sämtlicher beklagter Parteien - hinsichtlich der drittbeklagten Partei beschränkt auf die Haftpflichtversicherungssumme - rechtskräftig stattgegeben. Ebenso bilden die Schadenspositionen Verdienstentgang (EUR 1.712,--), Haushaltsentschädigung (EUR 1.095,--), Pflegeaufwand (EUR 245,--) und Fahrtkosten (EUR 538,45) keinen Streitpunkt mehr. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich noch ein Schmerzengeldbetrag von EUR 14.916,42 sA dem Grunde nach (wegen von den Vorinstanzen zufolge Legalzession verneinter Aktivlegitimation des Klägers) strittig.

Der Kläger begehrte einen Betrag von EUR 20.000,-- (abzüglich von der Drittbeklagten geleisteter Akontozahlung in Höhe von EUR 4.283,58, restlich sohin EUR 15.716,42) und brachte hiezu - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zusammengefasst vor:

Über Aufforderung der Drittbeklagten habe er dieser schon vor dem Prozess mitgeteilt, dass er bislang die Zuerkennung einer Integritätsentschädigung (nach liechtensteinischem Recht, da er dort zum Unfallszeitpunkt beschäftigt gewesen sei) nicht beantragt habe, zumal ihm firmenintern von vorgesetzter Stelle mitgeteilt worden sei, es stehe ihm keine solche zu. Da der Kläger bisher keine Integritätsentschädigung erhalten habe, bestehe auch ein Anspruch auf ungeschmälertes Schmerzengeld. Im Falle von Regressansprüchen des Schweizerischen Versicherungsträgers bestünde für die Beklagten die Möglichkeit, unter Hinweis auf an den Kläger geleistete Schmerzengeldzahlungen Regressansprüche berechtigtermaßen abzulehnen. In keinem Fall werde der Kläger eine Integritätsentschädigung von EUR 14.000,-- erhalten, wie dies von den Beklagten behauptet werde. Durch die Zahlung eines Schmerzengeldakontos von EUR 4.283,58 habe die Drittbeklagte zumindest schlüssig die Aktivlegitimation des Klägers anerkannt und auf den Einwand einer Gegenverrechnung mit einer allfälligen Integritätsentschädigung verzichtet.

Die Beklagten bestritten und wendeten ein, der Kläger sei durch seine (liechtensteinische) Arbeitgeberin bei der W***** Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden: W*****-Versicherung bzw Unfallversicherung) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Dabei handle es sich um eine private Unfallversicherung, die unter das Schweizerische Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) falle. Dieses normiere ein Regressrecht für die von der Versicherung erbrachten Leistungen. Demnach seien die Ansprüche des Klägers im Umfang der erbrachten oder der noch zu erbringenden Leistungen auf diese Versicherung übergegangen. Eine dem Kläger allenfalls auszubezahlende Integritätsentschädigung sei auf die aus dem Titel des Schmerzengeldes geltend gemachten Beträge anrechenbar. Dem Kläger mangle es insofern an der Aktivlegitimation. Nicht maßgeblich sei, ob die Integritätsentschädigung bereits geltend gemacht oder bezahlt worden sei. Der Kläger habe wegen der verletzungsbedingt bestehenden dauernden Beeinträchtigungen seiner körperlichen Integrität auch Anspruch auf eine Integritätsentschädigung von zumindest EUR 14.000,-- (20 % der Gesamtsumme bei 100 %-iger Beeinträchtigung von CHF 106.800,--). Auf Grund des Forderungsüberganges auf die obligatorische Unfallversicherung des Klägers werde der Versicherer die Integritätsentschädigung nach Auszahlung an den Kläger von der Drittbeklagten zurückfordern.

Das Erstgericht sprach dem Kläger EUR 3.590,45 (ds die eingangs aufgeschlüsselten unstrittigen Schadenspositionen) sA zu und wies das Mehrbegehren von EUR 15.974,62 sA ab.

Es traf hiezu - soweit für das noch offene Restbegehren von Wesentlichkeit - folgende weiteren Feststellungen:

Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt in Liechtenstein als Baumaschinenmechaniker beschäftigt und bei der W***** Versicherung unfallversichert. Es handelt sich dabei um die gesetzlich vorgeschriebene obligatorische Unfallversicherung des Fürstentums Liechtenstein. Auf Grund des gegenständlichen Verkehrsunfalls und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers leistete diese der Arbeitgeberin Taggeldzahlungen in Höhe von 80 % des klägerischen Grundlohns und bezahlte weiters die Krankenhauskosten, die Kosten für die ärztliche Behandlungen und die Heilungskosten.

Unmittelbare Zahlungen der W***** Versicherung erhielt der Kläger bislang jedoch nicht. „Derzeit" (Schluss der Verhandlung erster Instanz am 15. 6. 2005) wird aber noch bei der W***** Versicherung durch medizinische Abklärungen geprüft, „ob und in welcher Höhe der Kläger Anspruch auf eine Integritätsentschädigung hat. Bis wann dieses Verfahren abgeschlossen ist, ist offen."

Der Anspruch auf Integritätsentschädigung gründet sich auf Art 24, 25 sowie 41 und 43 des liechtensteinischen Gesetzes über die obligatorische Unfallversicherung (im Folgenden: UVG). Diese lauten:

„ Art 24

Anspruch

1. Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität, so hat er Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.

2. Die Entschädigung wird mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt.

Art 25

Höhe

1. Die Integritätsentschädigung wird in Form einer Kapitalleistung gewährt. Sie darf den am Unfalltag geltenden Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen und wird entsprechend der Schwere des Integritätsschadens abgestuft.

2. Die Regierung erlässt durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Bemessung der Entschädigung.

...

Art 41

Grundsatz

Gegenüber einem Dritten, der für den Unfall haftet, tritt der Versicherer im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten und seiner Hinterlassenen ein.

...

Art 43

Gliederung der Ansprüche

1. Die Ansprüche gehen für Leistungen gleicher Art auf den Versicherer über.

2. Leistungen gleicher Art sind namentlich:

a) Vom Versicherer und vom Dritten zu erbringende Vergütungen für Heilungs- und Pflegekosten;

b) Taggeld und Ersatz für Arbeitsunfähigkeit während der gleichen Zeitdauer;

  1. c) Invalidenrente und Ersatz für Erwerbsunfähigkeit;
  2. d) Integritätsentschädigung und Genugtuung;
  3. e) Hinterlassenenrenten und Ersatz für Versorgerschaden;
  4. f) Bestattungs- und Todfallskosten.

    3. Leistet der Versicherer Renten, so können die Ansprüche hiefür nur bis zu dem Zeitpunkt auf ihn übergehen, bis zu welchem der Dritte Schadenersatz schuldet."

    Die Integritätsentschädigung nach der obligatorischen Unfallversicherung wird nach einer Gliederskala in Prozentpunkten ausgehend von einer Höchstbetragssumme von CHF 106.800,-- gewährt. Derzeit besteht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem freien Arbeitsmarkt von 20 %, speziell auf die derzeit ausgeübte Tätigkeit besteht eine Invalidität von 10 %.

    Mit Schreiben vom 1. 8. 2003 teilte die drittbeklagte Partei dem Klagevertreter eine Akontierung von EUR 8.000,--, anrechenbar auf die gesamten Schadenersatzansprüche des Klägers, mit. Mit Anwortschreiben vom 11. 8. 2003 teilte der Klagevertreter der drittbeklagten Partei mit, dass er davon ausgehe, dass die Drittbeklagte mit einer Widmung dieser Akontozahlung ua mit einem Teilbetrag (nach Anrechnung auf sonstige unstrittige Positionen) von restlich EUR 4.283,58 auf die Position Schmerzengeld einverstanden sei, andernfalls um Stellungnahme ersucht werde. Bis zur Klagebeantwortung am 7. 9. 2004 sprach sich die Drittbeklagte nicht gegen diese vom Kläger mit Schreiben vom 11. 8. 2003 vorgenommene Widmung der Teilzahlung aus. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass Art und Umfang der vom Kläger erlittenen Verletzungen ein Schmerzengeld von EUR 19.200,-- rechtfertigten, worauf die Beklagte EUR 4.283,58 bezahlt habe, sodass noch EUR 14.916,42 - der im nunmehrigen Revisionsverfahren allein noch strittige Restbetrag - aushafteten. Im Rahmen der bestehenden obligatorischen Unfallversicherung sei ein Verfahren auf Integritätsentschädigung anhängig. Diese stelle, weil sie und die nach Art 47 des Schweizerischen Obligationenrechtes (OR) geschuldete Genugtuung als Leistungen gleicher Art bestimmt seien, eine schmerzengeldkongruente Leistung dar. Nach § 41 des anzuwendenden liechtensteinischen UVG erfolge der Rechtsübergang auf den Unfallversicherungsträger im Zeitpunkt des Schadensereignisses, unabhängig davon, ob in diesem Zeitpunkt überhaupt Leistungen zu erbringen oder beantragt worden seien. Durch den Rechtsübergang dem Grunde nach entfalle die Aktivlegitimation des Verletzten über den Anspruch so weit, als dieser zur Deckung der Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers später gebraucht werde. Eine dem Kläger allenfalls auszuzahlende Integritätsentschädigung könne durchaus EUR 14.000,-- bis EUR 15.000,-- betragen. Der Kläger sei daher derzeit zur Geltendmachung des restlichen Schmerzengeldanspruches gegenüber der Beklagten nicht legitimiert.

    Das lediglich vom Kläger in Ansehung dieser Mehrbegehrensabweisung in Höhe von EUR 14.916,42 sA angerufene Berufungsgericht gab seiner Berufung nicht Folge und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte in rechtlicher Hinsicht Folgendes aus:

    Der vom Erstgericht herangezogene Art 47 OR sei im liechtensteinischen Rechtsbereich nicht (unmittelbar) anzuwenden. Vielmehr komme hier § 1325 des liechtensteinischen ABGB (im Folgenden: FL-ABGB) zum Tragen, der den Schmerzengeldanspruch in gleicher Weise wie im österreichischen Recht regle. Nach Art 43 Abs 2 lit d des liechtensteinischen UVG gelte die Genugtuung als eine Leistung gleicher Art wie die Integritätsentschädigung. Diese Bestimmung sei aus dem schweizerischen UVG übernommen. Da im FL-ABGB der Begriff „Genugtuung" nur in § 1324 erwähnt werde und diese Bestimmung in diesem Zusammenhang „keinen Sinn mache", beziehe sich der Verweis offenbar auf Art 47 des schweizerischen OR. Der Zweck der Genugtuungssumme nach dieser Gesetzesstelle bestehe darin, dass durch eine - schadenersatzunabhängige - Geldleistung ein gewisser Ausgleich geschaffen werde für den erlittenen physischen und/oder seelischen Schmerz. Die Geldleistung solle beim Verletzten oder Geschädigten ein Gefühl des Wohlbefindens hervorrufen und somit den Schmerz spürbar lindern, quasi als materielles Gegengewicht für den immateriellen Schaden. Die Genugtuung solle nicht den wirtschaftlichen Schaden, sondern den Eingriff in das seelische Wohlbefinden aufwiegen. Die Genugtuung sei unabhängig vom erlittenen materiellen Schaden festzulegen. Davon ausgehend werde für den Schweizer Rechtsbereich die herrschende Meinung vertreten, dass die Genugtuung - der Art nach - der Integritätsentschädigung des Art 43 Abs 2 lit d UVG gleichgestellt werden könne. Das Schmerzengeld im Sinne des § 1325 FL-ABGB sei daher durchaus mit der Genugtuung im Sinne des Art 47 OR und damit auch im Sinne des Art 43 Abs 2 lit d UVG gleichzusetzen. Soweit der Kläger zu seinem Schmerzengeldanspruch kongruente Leistungen (wie etwa die Integritätsentschädigung) erhalte, fehle es ihm nach der eindeutigen Bestimmung der Art 41 und 43 UVG sohin an der erforderlichen Aktivlegitimation.

    In Liechtenstein sei ein Verfahren zur Prüfung des Anspruches des Klägers auf eine Integritätsentschädigung anhängig. Der Abschluss dieses Verfahrens und der Inhalt der ergehenden Entscheidung seien noch nicht absehbar. Unstrittig sei, dass beim Kläger unfallkausale Dauerfolgen bestünden, die nach den Feststellungen eine erhebliche Schädigung der körperlichen Integrität zur Folge hätten. Es bestünden daher gesicherte Anhaltspunkte, dass dem Kläger tatsächlich eine Integritätsentschädigung zuerkannt werden würde. Die durch das Ausstehen der definitiven Entscheidung darüber bestehende Rechtsunsicherheit gehe nach der Entscheidung des Erstgerichtes zu Lasten des Klägers. Dieser halte dem entgegen, dass er auf Grund der erlittenen Verletzungen Anspruch auf ein Schmerzengeld habe. Die Frage, ob dem Kläger ein derartiger Anspruch wegen der möglicherweise ihm zukommenden Integritätsentschädigung nicht selbst, sondern dem Unfallversicherer zukomme, betreffe eine anspruchsvernichtende Tatsache, weshalb Unklarheiten darüber zu Lasten der Beklagten gehen müssten. Der vom Kläger unmittelbar aus § 1325 FL-ABGB hergeleitete Anspruch auf Schmerzengeld entstehe nach neuerer Judikatur wie jeder Schadenersatzanspruch mit dem schädigenden Ereignis, also mit dem Eintritt von Schmerzen. Nach Art 41 UVG trete aber der Versicherer bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten ein. Daraus resultiere, dass der Geschädigte von Beginn an den in § 1325 leg cit begründeten Schmerzengeldanspruch nur in dem Ausmaß geltend machen könne, in dem er nicht auf den Unfallversicherer übergegangen sei. Es werde also nicht ein bereits entstandener Anspruch nachträglich wieder vernichtet. Vielmehr verbleibe dem Geschädigten von Beginn an unter Umständen gar kein Anspruch oder seinem Umfang bzw der Höhe nach ein von Anfang an begrenzter Anspruch. Alle in diese Richtung gehenden Zweifel wirkten sich zu Lasten des Geschädigten aus, der nicht nur seinen Anspruch, sondern auch dessen Höhe unter Beweis zu stellen habe. Die hier gegebenen Unklarheiten über die dem Kläger noch zukommende Integritätsentschädigung, auf die er nach den Verfahrensergebnissen grundsätzlich Anspruch habe, gingen sohin entgegen dem Standpunkt des Klägers zu seinen Lasten. Daran vermögen auch seine Überlegungen nichts zu ändern, wonach bis zur Entscheidung über seine Integritätsentschädigung noch ein längerer Zeitraum verstreichen könnte. Es sei nicht Sache der erkennenden Gerichte, über die Integritätsentschädigung an sich oder auch nur deren Höhe zu befinden, sofern nur die Anspruchsberechtigung feststehe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte habe die Drittbeklagte mit der Leistung einer Teilzahlung den Anspruch des Klägers höchstens im Umfang der Zahlung, nicht aber darüber hinausgehend anerkannt. Die geleistete Teilzahlung von EUR 4.283,58 sei daher in jedem Fall auf den Schmerzengeldanspruch von EUR 19.200,--, dessen Ausmessung vom Kläger nicht gerügt worden sei, anzurechnen, sodass ein Betrag von EUR 14.916,42 verbliebe. Eine Anrechnung auf die Integritätsentschädigung komme nämlich nicht in Betracht, weil diese dem Geschädigten zufließe, sodass nur mehr ein Differenzbetrag zum höchstmöglichen Schmerzengeldanspruch vom Schädiger abzudecken wäre. Die Nichtzulassung der Revision begründete das Berufungsgericht zunächst damit, dass sich das Berufungsgericht zur Frage der Beweislastverteilung auf eine eindeutige Rechtslage in Österreich beziehen habe können. Die Bezugnahme auf ausländisches Recht bringe die Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung mit sich. Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO seien daher nicht zu klären gewesen. Über gemäß § 508 ZPO gestellten Antrag der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei und begründete dies wie folgt: Das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung ua Art 43 des liechtensteinischen UVG anzuwenden gehabt. Dieser verwende den Begriff „Genugtuung" und meine damit das Schmerzengeld gemäß § 1325 FL-ABGB. Insofern bestehe doch eine gewisse Mehrdeutigkeit, zu der nicht ausreichend Judikatur und Lehrmeinungen existierten. Der Kläger verweise in seinem Abänderungsantrag überdies darauf, dass im Vorarlberger Raum eine Vielzahl von „Grenzgängern" über eine Unfallversicherung nach dem hier maßgeblichen liechtensteinischen UVG verfügten; dieser Einwand sei berechtigt. Der Abklärung der in der Berufungsentscheidung in diesem Zusammenhang angesprochenen Rechtsfrage komme daher über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne eines Zuspruches auch der noch strittigen EUR 14.916,42 sA abzuändern. Die beklagten Parteien haben nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage), in eventu diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn das Fehlen von Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes zu nach kollisionsrechtlichen Normen anzuwendenden ausländischen Sachnormen für die Frage der Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO im Regelfall ohne Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0042940), so ist die Revision im vorliegenden Fall doch zur Klarstellung der auch für weitere in Vorarlberg durchaus mögliche grenzüberschreitende Anlassfälle beispielgebenden Rechtslage zulässig, allerdings nicht berechtigt.

Die von den Vorinstanzen zugrundegelegten ausländischen (liechtensteinischen bzw schweizerischen) Rechtsnormen bilden im Revisionsverfahren bei keiner der beiden Parteien ein Streitthema, sodass insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO; vgl auch Verschraegen in Rummel, ABGB3 Rz 5 f zu § 2 IPRG). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 58/93 erkannt, dass die dort nach Schweizerischem Recht, hier bei weitestgehend identer Rechtslage Liechtensteinischem Recht zu beurteilende Integritätsentschädigung (gemäß jeweils § 43 Abs 2 lit d UVG) einerseits und die Genugtuung (nach Art 47 OR) andererseits „Leistungen gleicher Art sind". Die Genugtuung nach dieser Gesetzesstelle entspricht dem in Österreich vom historischen Gesetzgeber in § 1325 ABGB gewählten Ausdruck des Schmerzengeldes (vgl Danzl/Gutièrrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 63 FN 11), welche Norm wiederum wortgleich auch in Liechtenstein als rezipiertes Recht gilt (FL-OGH 25. 1. 1993 LES 1994, 6 [11]), sodass insoweit auch etwa der FL-OGH schon mit Urteil vom 30. 5. 1983, LES 1984, 92 (94) erkannt hat, zur Auslegung letzterer Bestimmung „durchaus österreichische Judikatur zu Rate zu ziehen". Lediglich der auch vom Berufungsgericht (in S 9 seiner Entscheidung) erwähnte § 1324 FL-ABGB entspricht nicht seinem österreichischen Pendant, wurde er doch gegenüber der Stammfassung um zwei Absätze erweitert, wonach in Fällen, „wo es die Schwere der Verletzung und des Verschuldens erfordert oder der Schade durch eine unerlaubte Handlung verursacht worden ist, auf Leistung einer angemessenen Geldsumme als Genugtuung geklagt werden kann" (Abs 2) und der Richter „neben oder anstelle der Leistung einer Geldsumme auch auf eine angemessene Art der Genugtuung erkennen kann" (abgedruckt in Hasenbach ua, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch des Fürstentums Liechtenstein [1993], 296). Der Begriff der Genugtuung - gleichermaßen nach § 1324 Abs 2 FL-ABGB wie nach § 43 Abs 2 lit d UVG - ist damit nichts anderes als Schadenersatz und insoweit deckungsgleich (vgl nochmals FL-OGH LES 1994, 6 [11]). Auch wenn die vom Kläger von seiner obligatorischen Unfallversicherung beanspruchte, jedoch hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang noch (jedenfalls bis Schluss der Verhandlung erster Instanz) „offene" Pflichtleistung der sog Integritätsentschädigung nach Wortlaut und ratio des UVG nicht dem Schmerzengeld bzw der nach den zitierten Gesetzesstellen vorgesehenen Genugtuung völlig gleichgestellt werden kann - was schon daraus folgt, dass die Genugtuung gemäß § 43 Abs 2 lit d leg cit ausdrücklich neben der Integritätsentschädigung („und Genugtuung") im Katalog der aufgezählten kongruenten Leistungen genannt wird, was bei begrifflicher (und inhaltlicher) Deckungsgleichheit wohl überflüssig wäre -, so handelt es sich doch bei beiden Anspruchspositionen - wie bereits ausgeführt - jedenfalls um „Leistungen gleicher Art"; die Schweizerisch-Liechtensteinische Integritätsentschädigung ist nämlich insoweit (begrifflich wie inhaltlich) der in Österreich durch die 48. ASVG-Novelle BGBl 1989/642 in den Leistungskatalog sozialversicherungsrechtlicher Entschädigungsleistungen im § 213a ASVG aufgenommenen Integritätsabgeltung zuzuordnen (hiezu ausführlich Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, aaO 248 ff mwN); beide sind mit den immateriellen Schadenersatzansprüchen des (österreichischen wie liechtensteinischen) ABGB verwandt (vgl Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, aaO 248 mwN auch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung in FN 946; zur wechselseitigen Kongruenz s auch 2 Ob 185/99s = RIS-Justiz RS0114739).

Aus der sohin von den Vorinstanzen zutreffend bejahten sachlichen Kongruenz als für einen Forderungsübergang zwingenden Erfordernis (RIS-Justiz RS0087557), welches sich auch von Gesetzes wegen unabhängig davon, ob ein Verletzter die Leistungen in Anspruch nimmt, vollzieht (vgl RIS-Justiz RS0085022) - weshalb es keinen Entscheidungseinfluss hat, ob das diesbezüglich behängende Leistungsverfahren noch „offen" (oder inzwischen allenfalls bereits abgeschlossen) ist -, folgt als weitere Konsequenz, dass dem Kläger hinsichtlich seiner ausschließlich auf ABGB fußenden Ansprüche auf Genugtuung (= Schmerzengeld), wegen des Überganges der Forderung schon mit ihrem Entstehen die Aktivlegitimation fehlt. Die vom Rechtsmittelwerber hiegegen ins Treffen geführten „völlig unerwünschten Konsequenzen" sind grundsätzlich bei jeder Art gesetzlicher Legalzession gegeben, ohne dass einem Geschädigten ein eigener materiell-rechtlicher und damit auch prozessualer Leistungsanspruch offen steht.

Auf die weiteren, in den Vordergrund der Rechtsmittelausführungen gestellten Beweislastverteilungsprobleme kommt es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht mehr entscheidend an. Hinsichtlich des vom Kläger am Ende seiner Revision (neuerlich) für sich reklamierten Anerkenntnisses der beklagten Parteien durch die bereits geleistete Schmerzengeldakontozahlung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Der Revision war damit keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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