OGH 2Ob58/93

OGH2Ob58/9328.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Unfallversicherungsanstalt, ***** vertreten durch Dr.Gebhard Winkler-Heinzle, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei V***** Landesversicherung, ***** vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen sfr 12.240,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9.Juli 1993, GZ 4 R 147/93-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 5.März 1993, GZ 3 Cg 520/92x-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin enthalten S 1.131,60 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 6.11.1987 ereignete sich in B***** ein Verkehrsunfall, an dem Robert M***** als Lenker eines Motorrades und Philipp B***** als Lenker eines bei der beklagten Versicherungsgesellschaft haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren. Das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft Philipp B*****. Robert M***** wurde am Körper schwer verletzt, er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit Schädeldachbruch und Gehirnquetschung. Außerdem verlor Robert M***** für immer den Geruchssinn. Die Beklagte zahlte ihm ein Schmerzengeld in der Höhe von 150.000,-- S. Weiters erhielt er wegen des Verlustes des Geruchssinnes von der klagenden schweizerischen Anstalt, bei welcher er zum Zeitpunkte des Unfalls nach dem Schweizerischen Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) pflichtversichert war, eine Integritätsentschädigung nach Art.24 f UVG in der Höhe von sfr 12.240,--.

Die Klägerin begehrt den Rückersatz dieser Leistung mit der Begründung, der mit der Integritätsentschädigung kongruente Schmerzengeldanspruch sei gemäß Art.41 UVG bis zur Höhe ihrer gesetzlichen Pflichtleistung auf sie übergegangen. Nach Art.31 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit sei dieser Forderungsübergang nach schweizer Recht zu beurteilen. Die Reziprozitätsvoraussetzung des Art.31 des genannten Abkommens sei nicht im Sinne einer Gegenseitigkeit jeder einzelnen Leistungskategorie zu verstehen, sondern beziehe sich bloß auf die Versicherungszweige insgesamt, welche im Art.2 des Abkommens aufgezählt seien. In diesen Versicherungszweigen, sohin auch in der Unfallversicherung, bestehe aber Reziprozität des Regresses, da auch in der österreichischen Unfallversicherung der Übergang des Ersatzanspruches vorgesehen sei.

Die Beklagte wendete ein, es sei die im zweiten Satz des Abs.1 des Art.31 des erwähnten Abkommens festgesetzte Voraussetzung, wonach auch die für den gleichen Versicherungszweig geltenden österreichischen Rechtsvorschriften den Übergang des Ersatzanspruches vorsehen müßten, nicht gegeben, weil der letzte Satz des Abs.1 des § 332 ASVG Ansprüche auf Schmerzengeld von der Legalzession ausnehme.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es in rechtlicher Hinsicht die Ansicht vertrat, der strittige Forderungsübergang sei nach Art.31 des erwähnten Abkommens in der zum Zeitpunkt des Unfalles geltenden Fassung des zweiten Zusatzabkommens zu beurteilen; nach der darin enthaltenen Reziprozitätsregelung wäre aber für den Forderungsübergang erforderlich, daß auch das ASVG eine derartige Legalzession vorsehe; die dafür maßgebliche Bestimmung des § 332 Abs.1 letzter Satz ASVG bestimme aber ausdrücklich, daß Schmerzengeldansprüche auf den Versicherungsträger nicht übergehen. Ein Forderungsübergang sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Kongruenz zwischen der Integritätsentschädigung und dem Schmerzengeld zu verneinen.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht führte aus, Grund und Umfang des Schadenersatzanspruches seien nach österreichischem Recht zu beurteilen, die strittige Legalzession aber nach den zur Unfallszeit in der Schweiz geltenden Normen. Zessionsstatut sei sohin Art.41 UVG. Demnach trete der gesetzliche Unfallversicherer gegenüber einem Dritten, der für den Unfall hafte, bereits im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten ein. Die Klägerin sei sohin hinsichtlich der von ihr geleisteten Integritätsentschädigung bis zur Höhe dieser Leistung der Beklagten gegenüber in die Ansprüche des Klägers eingetreten. Die Voraussetzung der Kongruenz (Art.43 Abs.1 UVG) zwischen der nach Art.24 UVG gebührenden Integritätsentschädigung und dem nach § 1325 ABGB geschuldeten Schmerzengeld sei erfüllt, weil Art.43 Abs.2 lit.d UVG die genannte Integritätsentschädigung und die (nach Art 47 OR geschuldete) Genugtuung namentlich als Leistungen gleicher Art bestimme; bei der Genugtuung nach Art 47 OR handle es sich aber um eine dem Schmerzengeld nach § 1325 ABGB unmittelbar vergleichbare Leistung, sodaß auch das Schmerzengeld und die Integritätsentschädigung als kongruente Leistungen zu beurteilen seien.

Hinsichtlich des Forderungsüberganges sei Art.31 Abs.1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit vom 15.11.1967 (BGBl. 1969/4) idF des zweiten Zusatzabkommens (BGBl. 1979/448) anzuwenden. Demnach sei Voraussetzung für den Forderungsübergang, daß auch die für den gleichen Versicherungszweig geltenden Rechtsvorschriften des zweiten Vertragsstaates den Übergang des Ersatzanspruches vorsehen. Diese Voraussetzung sei erst durch das dritte Zusatzabkommen zum genannten Abkommen (BGBl. 1989/545) mit 1.1.1990 weggefallen. Die für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles noch maßgebliche Einschränkung des Forderungsüberganges sei erfolgt, weil die bei Abschluß des Abkommens maßgeblichen Rechtsvorschriften der Schweiz eine Legalzession nur in der Unfallversicherung vorsahen. Nach Einführung der Legalzession auch im Bereich der schweizerischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung habe diese Einschränkung der Legalzessionsregelung entfallen können. Nach der erkennbaren Absicht der Gesetzgeber beziehe sich die genannte Einschränkung bloß auf die einzelnen Versicherungszweige als solche und nicht auf jede einzelne Leistungskategorie. Der Zweck der durch den zweiten Satz des Abs.1 des Art.31 des Abkommens verfügten Regelung sei eine Einschränkung der Legalzession auf den Versicherungszweig der Unfallversicherung, während eine weitergehende Einschränkung im Sinne des zweiten Satzes des Abs.1 des § 332 ASVG, wonach Ansprüche auf Schmerzengeld auf den Sozialversicherungsträger nicht übergehen, dem aus den Gesetzesmateralien erkennbaren Willen der Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne. Zur Unfallszeit habe aber auch der für die Unfallversicherung geltende § 332 Abs.1 ASVG grundsätzlich den Übergang von Schadenersatzansprüchen auf den Unfallversicherer insoweit vorgesehen, als dieser kongruente Pflichtleistungen zu erbringen hatte. Es sei demnach der strittige Forderungsübergang und demnach auch die Regreßpflicht der Beklagten zu bejahen. Überdies sei § 332 Abs.1 letzter Satz ASVG teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß der Schmerzengeldanspruch dennoch übergehe, wenn und insoweit der Sozialversicherungsträger kongruente Leistungen zu erbringen habe.

Da sowohl die Kongruenz zwischen der Integritätsentschädigung (§ 24 UVG) und dem Schmerzengeld (§ 1325 ABGB), als auch die strittige Legalzession zu bejahen seien, sei dem Klagebegehren stattzugeben.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil trotz des Entfalles des zweiten Satzes des Abs.1 des Art.31 des erwähnten Abkommens weitere Streitfälle dieser Art über die Auslegung der genannten Einschränkung durchaus möglich seien.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und darin die Ansicht vertreten, das Rechtsmittel der beklagten Partei sei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO unzulässig; überdies sei es unberechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers und des Berufungsgerichtes - das Revisionsgericht ist an den Ausspruch nach § 500 Abs.2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs.1 ZPO) - mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO unzulässig; sie ist daher zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt einerseits die Ansicht, die nach (schweizer) UVG zu gewährende Integritätsentschädigung unterscheide sich von der Genugtuung (nach Art 47 OR), es handle sich dabei nicht um Leistungen gleicher Art, sodaß auch eine Kongruenz zwischen Integritätsentschädigung und Schmerzengeld nicht bestehe.

Weiters wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht, es sei ein Forderungsübergang auf die Klägerin erfolgt, sie stützt sich dabei auf die Einschränkung des Art.31 Abs.1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit idF des zweiten Zusatzabkommens, wonach Voraussetzung für den Forderungsübergang ist, daß die für den gleichen Versicherungszweig geltenden Rechtsvorschriften des zweiten Vertragsstaates den Übergang des Ersatzanspruches vorsehen.

Diesen beiden Rechtsfragen kommt aber nicht das Gewicht des § 502 Abs.1 ZPO zu. Die erste Frage (Handelt es sich bei der Integritätsentschädigung nach Art.24 UVG und der Genugtuung nach Art 47 OR um Leistungen gleicher Art?) ist unbestritten nach schweizer Recht zu beurteilen; dem Obersten Gerichtshof kommt insoweit keine Leitfunktion zu, es sei denn, es würde eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechtes in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht nicht beachtet werden (EvBl 1985/172). Dies ist hier nicht der Fall, weil gemäß Art 43 Abs 2 lit d UVG Integritätsentschädigung und Genugtuung Leistungen gleicher Art sind. Der strittigen zweiten Frage (Auslegung des Satzes 2 des Art.31 Abs.1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit) kommt deshalb nicht das Gewicht des § 502 Abs.1 ZPO zu, weil diese Bestimmung zwischenzeitig durch das dritte Zusatzabkommen (BGBl. 1989/545) beseitigt wurde. Der Auslegung einer bereits überholten Bestimmung kommt aber grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO zu (2 Ob 565/90 ua), zumal weitere Entscheidungen zur früheren Rechtslage nicht zu erwarten sind, weil auch bisher ein derartiger Fall vom Obersten Gerichtshof nicht zu entscheiden war und die neue Rechtslage bereits seit 1.1.1990 in Kraft ist.

Die unzulässige Revision der beklagten Partei war sohin zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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