OGH 9ObA8/06a

OGH9ObA8/06a1.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter KommR Mag. Paul Kunsky und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christine H*****, Hebamme, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Waldviertel Klinikum Horn, Krankenanstaltenverband Waldviertel, Körperschaft öffentlichen Rechts, Spitalgasse 10, 3580 Horn, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, wegen EUR 490,53 sA, über die Revision (Revisionsinteresse EUR 236,51) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Oktober 2005, GZ 10 Ra 89/05i-13, womit das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. April 2005, GZ 8 Cga 97/04s-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, wird darüber hinaus dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 166,66 (darin EUR 27,78 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 166,66 (darin EUR 27,78 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Hebamme beschäftigt, wobei zwischen den Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von zwanzig Stunden vereinbart war. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für die Bediensteten des Krankenanstaltenverbands Waldviertel und dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Arbeitsvertrag sind auf das Dienstverhältnis der Klägerin sowohl die Regelungen des NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1976 (GVBG) als auch Bestimmungen der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO) anzuwenden. Die Klägerin war ständig im Turnus- bzw Wechseldienst beschäftigt. Die Zeiten, zu denen die Klägerin Arbeiten zu leisten hatte, wurden mittels Dienstplans angeordnet. Im Turnus- bzw Wechseldienst wurde die Klägerin auch an Sonntagen zum Dienst herangezogen. Wegen entsprechender Dienstleistungen an vorangegangenen Sonntagen wurden sowohl der 28. 7. 2003 als auch der 10. 11. 2003 als „Ersatzsonntag" bestimmt. Trotzdem wurde die Klägerin im Rahmen ihres Turnus- bzw Wechseldienstes auch für den 28. 7. 2003 von 6.45 Uhr bis 19.15 Uhr sowie am 10. 11. 2003, 18.45 Uhr, bis 11. 11. 2003, 7.15 Uhr, eingeteilt und verrichtete auch diese Dienste. Über eine wöchentliche Arbeitszeit von vierzig Stunden hinausgehende Dienste leistete die Klägerin nicht. Für 28. 7. 2003 erhielt die Klägerin den Bruttobetrag von EUR 218,87 ausbezahlt, welcher sich aus dem Grundentgelt von EUR 162,38 für 11,5 Arbeitsstunden á EUR 14,12, aus einer Zulage gemäß § 46 Abs 5 NÖ GBDO von EUR 33,47 (á EUR 2,91) und aus anteiligen Sonderzahlungen von EUR 23,02 zusammensetzte. Für den Dienst vom 10./11. 11. 2003 erhielt die Klägerin ein Entgelt von EUR 236,99, welcher sich aus einer Entlohnung für 12,5 Normalstunden á EUR 14,12, somit von EUR 176,50, einer Nachtdienstzulage von EUR 20,19, einer Zulage gemäß § 46 Abs 5 NÖ GBDO von EUR 2,91 pro Stunde sowie anteiligen Sonderzahlungen von EUR 25,02 zusammensetzte. Unstrittig ist, dass diese Summen dann richtig berechnet sind, wenn der Klägerin nicht auch ein Zuschlag iSd § 46 Abs 4 NÖ GBDO zusteht.

Die Klägerin begehrte zuletzt den Zuspruch von EUR 490,53 samt 10,25 % Zinsen aus EUR 307,67 seit 31. 8. 2003 und aus EUR 162,86 seit 31. 12. 2003. Sie vertrat die Auffassung, dass ihr für die Dienstleistungen am Ersatzruhetag gemäß § 46 Abs 4 NÖ GBDO Sonntagsbzw Feiertagszuschläge in der Höhe von 100 % für die jeweils ersten acht Stunden und von 200 % ab der neunten Stunde der Dienstleistungen an diesen Tagen zustünden. Aus der hier anzuwendenden Regelung des § 4b Abs 3 NÖ GVBG ergebe sich, dass mangels Anwendbarkeit des § 46 Abs 5 NÖ GBDO nur ein erhöhtes Entgelt für die Verwendung am Ersatzruhetag nach § 46 Abs 4 NÖ GBDO in Frage komme. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Die Klägerin habe alle ihr zustehenden Ansprüche abgegolten erhalten. Die Bestimmung des § 46 Abs 4 NÖ GBDO sei für die von der Klägerin geleisteten Dienste nicht anwendbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, dass § 46 Abs 5 NÖ GBDO die (durch Verweisung im KollV auch für die Klägerin geltende) Spezialnorm für Turnus- bzw Wechseldienste an einem Sonn- oder Feiertag sei. Abs 4 leg cit könne seinem klaren Wortlaut nach nur dann zur Anwendung kommen, wenn Abs 5 nichts anderes bestimme. § 46 Abs 4 NÖ GBDO habe daher seinen Anwendungsbereich für Bedienstete, die ausnahmsweise an Sonn- oder Feiertagen zu Arbeitsleistungen herangezogen würden, nicht aber regelmäßig im Turnus- oder Wechseldienst beschäftigt seien. Die Bestimmung des § 4b Abs 3 NÖ GVBG sei dahin auszulegen, dass bei Bestimmung eines Ersatzruhetages wegen Dienstleistungen an einem Sonntag dieser dann zwar als Werktagsdienst, der Dienst am Ersatzruhetag als Sonntagsdienst gelte, die Zulage nach § 46 Abs 5 NÖ GBDO aber dennoch nur für die Dienstleistung am Sonntag anfalle, unabhängig davon, ob dann am Ersatzruhetag gearbeitet werde oder nicht. Die an sich anwendbare Regelung des § 46 Abs 5 NÖ GBDO verdränge demnach bei Turnus- und Wechseldienst Abs 4 zur Gänze. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge, erachtete das Klagebegehren mit EUR 236,51 sA als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung der Beklagten als nicht zu Recht bestehend und die Beklagte daher für schuldig, der Klägerin den Betrag von EUR 236,51 sA zu zahlen. Die Abweisung eines Mehrbegehrens von EUR 254,02 sA bestätigte das Berufungsgericht (diesbezüglich unangefochten). Es vertrat die Rechtsauffassung, dass auch das Arbeitsruhegesetz grundsätzlich anwendbar sei, weil die Klägerin in keinem Arbeitsverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband gestanden sei, welches der Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 1 ARG unterliege. Ohne dass es daher einer Auseinandersetzung damit bedürfe, ob Abs 4 oder Abs 5 des § 46 NÖ GBDO anzuwenden sei, komme § 9 Abs 5 ARG, insbesondere dessen Abs 5 sinngemäß zur Anwendung, wenn an einem als Sonntag geltenden Ersatzruhetag gearbeitet werde. Der Klägerin gebühre daher noch ein zusätzliches Entgelt für 16,75 (11,5 + 5,25) Stunden Dienst an Ersatzruhetagen. Für den Feiertagszuschlag (16,75 Stunden á EUR 14,12) seien daher noch weitere EUR 236,51 auszumessen, welche der Klägerin zustünden. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Entgelt nach § 9 Abs 5 ARG gebühre, wenn Dienste an einem Ersatzruhetag gemäß § 4b Abs 3 NÖ GVBG geleistet werden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Zuspruch von EUR 236,51 sA richtet sich die Revision der Beklagten mit einer Rechtsrüge. Diese ist zulässig und berechtigt. Die Normen, auf die der anzuwendende Kollektivvertrag verweist, lauten auszugsweise wie folgt:

NÖ GVBG 1976:

§ 4a

„Dienstzeit, Begriffsbestimmungen:

Abs 1 Dienstzeit ist die Zeit der Dienststunden, der Überstunden und des Bereitschaftsdienstes (Abs 6) während derer der Vertragsbedienstete verpflichtet ist, seiner dienstlichen Tätigkeit nachzugehen. ...

Abs 3 Wochendienstzeit ist die Dienstzeit innerhalb eines Zeitraums von Montag bis einschließlich Sonntag.

Abs 4 Turnusdienst liegt vor, wenn der Vertragsbedienstete regelmäßig ohne Rücksicht auf die Tageszeit und auf Sonn- und Feiertage eine fortlaufende Dienstleistung zu erbringen hat.

Abs 5 Wechseldienst liegt vor, wenn der Vertragsbedienstete regelmäßig an Sonn- und Feiertagen außerhalb der Nachtzeit eine fortlaufende Dienstleistung zu erbringen hat. Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr. ..."

§ 4b

„Regelmäßige Dienstzeit

Abs 1 Das Ausmaß der regelmäßigen Wochenenddienstzeit ist vom Gemeinderat, in Städten mit eigenem Statut vom Stadtsenat, nach Maßgabe der Erfordernisse des Dienstes festzusetzen und darf vierzig Stunden nicht übersteigen.

Abs 2 Die Wochendienstzeit ist im mehrwöchigen Durchschnitt zu erbringen. Die Festlegung der Dienstzeit ist unter Berücksichtigung der dienstlichen Interessen vorzunehmen, wobei auf die persönlichen Verhältnisse des Vertragsbediensteten Rücksicht zu nehmen ist. Abs 3 Das im Abs 1 festgesetzte Ausmaß der Dienstzeit ist im Turnus- und Wechseldienst im mehrwöchigen Durchschnitt zu erbringen. Bei Turnus- und Wechseldienst ist ein Dienstplan zu erstellen. Wird ein Vertragsbediensteter im Turnus- oder Wechseldienst an Sonntagen zum Dienst herangezogen, ist ein Ersatzruhetag zu bestimmen. Der Dienst an Sonntagen gilt dann als Werktagsdienst, der Dienst am Ersatzruhetag als Sonntagsdienst; dies gilt nicht für die Berechnung der Sonn- und Feiertagszulage gemäß § 46 Abs 5 NÖ GBDO, LGBl 2400."

NÖ GBDO 1976:

§ 46

„Mehrdienstleistungsentschädigung ...

Abs 4 Soweit in Abs 5 nichts anderes bestimmt wird, gebührt dem Gemeindebeamten für jede Stunde der Dienstleistung an einem Sonntag oder Feiertag anstelle der Mehrdienstleistungsentschädigung gemäß Abs 2 und 3 eine Sonn- und Feiertagsvergütung, bestehend aus der Grundvergütung gemäß Abs 2 und einem Zuschlag in der Höhe von 100 vH für Dienstleistungen bis einschließlich der achten Stunde und von 200 vH der Grundvergütung ab der neunten Stunde.

Abs 5 Dem Gemeindebeamten im Turnus- oder Wechseldienst, der an einem Sonn- oder Feiertag Dienst leistet, gebührt für jede Stunde einer solchen Dienstleistung eine Sonn- und Feiertagszulage im Ausmaß von 1,53 % des Gehalts der Verwendungsgruppe VI, Gehaltsstufe 9, einschließlich einer gebührenden Teuerungszulage."

§ 48 NÖ GBDO sieht überdies eine Turnus- und Wechseldienstzulage für Spitalsbedienstete vor.

Zunächst ist der Auffassung der Klägerin entgegenzutreten, dass dann, wenn für einen Sonntagsdienst ein Ersatzruhetag bestimmt wird, die Regelung des § 46 Abs 5 NÖ GBDO überhaupt nicht anzuwenden sei. Die Regelung des § 4b Abs 3 NÖ GVBG, wonach bei Dienstleistung an einem Sonntag im Rahmen eines Turnus- oder Wechseldienstes ein Ersatzruhetag zu bestimmen ist und der Dienst an Sonntagen dann als Werktagsdienst, der Dienst am Ersatzruhetag als Sonntagsdienst gilt, findet im Bundesbedienstetenrecht seine Entsprechung in den durch Verweisung des § 20 VBG 1948 geltenden Bestimmungen des § 17 Abs 3 GehG bzw § 48 Abs 4, 5 BDG. Auch dort wird ausdrücklich festgelegt, dass bei turnusweiser Dienstleistungen an einem Sonntag dieser als Werktags- und der Dienst am Ersatzruhetag als Sonntagsdienst gilt. Letzterer ist dann zwar als Sonntagsdienst abzugelten, doch verbleibt der Anspruch des Dienstnehmers auf Gewährung eines Ersatzruhetages. Mit § 4b Abs 3 letzter Halbsatz verfolgt der Gesetzgeber demgegenüber die Absicht, dass der an einem Sonntag absolvierte Turnus- oder Wechseldienst nach § 46 Abs 5 NÖ GBDO entlohnt werden soll, wo hingegen für die Beschäftigung am Ersatzruhetag nicht die Sonntagszulagenregelung gelten soll. Dem auch am Ersatzruhetag beschäftigten Dienstnehmer verbleibt freilich - infolge der zwingenden Regelungen des ARG (§ 6 Abs 3 ARG) - der Anspruch auf Nachholung der Ersatzruhe, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand (§ 6 Abs 4 ARG) vorliegt. Zwar kann gemäß § 20 Abs 2 Z 2 ARG für Arbeitnehmer in Heil- und Pflegeanstalten (Krankenanstalten) die Lage der Ersatzruhe abweichend von § 6 festgelegt werden und gemäß Z 3 leg cit in Ausnahmefällen zur Aufrechterhaltung des Anstaltsbetriebes sogar eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe vorgesehen werden, doch lässt sich im vorliegenden Fall eine solche Abgeltungsregelung nicht erkennen. Der Klägerin bleibt daher neben der „normalen" Abgeltung entsprechend ihrer Dienstleistung an einem Ersatzruhetag der Anspruch auf Gewährung eines anderen Ersatzruhetages erhalten (vgl Schwarz/Lutz, Arbeitsruhegesetz4, 148). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes bleibt daher kein Raum für die Anwendung für § 9 Abs 5 ARG, da die Klägerin ja nicht während der Feiertagsruhe (siehe §§ 2 Abs 1 Z 5, 7 ARG) beschäftigt wurde. Nur die Beschäftigung am Feiertag soll zu einer höheren Entlohnung führen, hingegen führt der Sonntagsdienst zur Gewährung eines Ersatzruhetages, um dem sonst durch die Wochenruhe entsprochenen Erholungsbedürfnis nachzukommen. Die Ersatzruheregelung trägt dem öffentlichen Interesse an der Regeneration der Arbeitskraft der Arbeitnehmer aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen Rechnung. Dementsprechend ist auch eine finanzielle Abgeltung sowohl der Wochenend-, der Wochen- als auch der Ersatzruhe grundsätzlich verboten und ein „Horten von Ersatzruheansprüchen" grundsätzlich ausgeschlossen (9 ObA 157/98y mwN). Nur dann, wenn Ersatzruhe nicht mehr konsumiert werden kann, insbesondere durch dazwischen getretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kommt eine finanzielle Abgeltung in Frage. Eine solche wird aber von der Klägerin nicht begehrt. Nicht nur, dass sie nicht einmal vorgebracht hat, dass ihr die Konsumation eines „Ersatz-Ruhetages" nicht möglich gewesen wäre, verweist sie noch in der Revisionsbeantwortung ausdrücklich darauf, dass es sich bei ihrem Anspruch nicht um eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe, sondern um die Festlegung der Höhe des Entgelts für die Dienstleistungen an einem solchen Tag handelt. Für die Dienstleistung selbst wurde die Klägerin aber entlohnt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, für die Rechtsmittelverfahren auch auf § 52 Abs 1 ZPO.

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