OGH 7Ob300/06b

OGH7Ob300/06b31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Antonio D*****, und 2. Luigi D*****, beide vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei T*****aktiengesellschaft ***** vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 1,458.895,05 sA, über die außerordentlichen Revisionen der Kläger und der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 2006, GZ 1 R 167/06b-34, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zur außerordentlichen Revision der Kläger:

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger machen in ihrer Zulassungsbeschwerde im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht sei von oberstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Es sei zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte nach außen hin und insbesondere auch ihnen gegenüber den Anschein gesetzt habe, dass es sich bei Alexander B***** um ihren Gehilfen handle, sodass sie sich dessen Handeln als ihres mit der Vermögensverwaltung italienischer Kunden betrauten Gehilfen zurechnen lassen müsse. Die Kläger seien - vorbehaltlich der Genehmigung - nicht an weisungswidrige Verfügungen des Alexander B***** über ihre Konten gebunden und daher so zu stellen, als wären die Optionsgeschäfte niemals durchgeführt worden. Daraus ergebe sich, dass die Kläger die mit Auftrag vom 23. 12. 2003 unter ausdrücklichem Vorbehalt den ihnen nicht zuzurechnenden Negativsaldo glattgestellt hätten, eine Nichtschuld gezahlt hätten. Wie sich aus den Entscheidungen 10 Ob 17/04d und 2 Ob 62/04p ergebe, handle es sich bei ihrem Klageanspruch daher nicht um einen Schadenersatzanspruch, sondern um einen Kondiktionsanspruch gemäß § 1431 ABGB, weshalb ein Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB nicht Platz greifen könne. Das Berufungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes insofern ab, als es die Ansprüche als Schadenersatzforderung qualifiziert und den Klägern ein Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten der Beklagten angelastet habe.

Mit diesen Ausführungen wird von den Klägerin kein tauglicher Grund für die Zulassung ihres Rechtsmittels aufgezeigt:

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit den in den genannten oberstgerichtlichen Entscheidungen vertretenen Rechtsansichten im Einklang. Die beiden Entscheidungen sind insofern mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, als auch dort Alexander B***** als Anscheinsgehilfe der Beklagten Wertpapiere für italienische Kunden erworben hat. Die Kläger missverstehen die Rechtsausführungen der genannten Entscheidungen, wenn sie nun in Abrede stellen, durch das Vorgehen des von ihnen bevollmächtigten Alexander B***** (durch die Glattstellung des Wertpapierkontos unter Heranziehung des Verrechnungskontos und durch die Belastung mit Sollzinsen) überhaupt geschädigt worden zu sein. Dass auch in der Entscheidung 2 Ob 62/04p zufolge eines der Beklagten zuzurechnenden Fehlverhaltens des Alexander B***** (unter anderem auch eine Verletzung der in §§ 13, 14 WAG normierten Aufklärungs- und Informationspflichten) ein Schadenersatzanspruch angenommen wurde, wird schon dadurch deutlich, dass auch dort ein anspruchskürzendes Mitverschulden der Kläger diskutiert wurde. Dies wurde dort vom Obersten Gerichtshof (nur) deshalb verneint, weil nicht festgestanden sei, dass den Klägern bewusst gewesen sei, dass Alexander B***** entgegen den bisherigen Gepflogenheiten ohne Rücksprache mit ihnen derart risikoreiche Optionsgeschäfte in ihrem Namen durchgeführt habe. Zu bedenken sei dabei auch, dass die eigenmächtigen Optionsgeschäfte innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes von etwa einem halben Jahr getätigt worden seien. Dem stehe das krass sorgfaltswidrige Verhalten des Alexander B***** gegenüber, der nicht nur objektive Sorgfaltspflichten, sondern teilweise auch sogar die internen Richtlinien der Beklagten wiederholt und massiv verletzt habe.

Zu Recht ist das Berufungsgericht daher auch hier auf den Verschuldenseinwand der Beklagten eingegangen. Es ist ihm in diesem Zusammenhang auch keine Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Dies wäre aber, da diese Frage von den Umständen des Einzelfalles abhängt, Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision der Kläger. Diesen muss, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, doch als Sorglosigkeiten in eigenen Angelegenheiten angelastet werden, dass sie sich durch fünf Jahre hindurch weder für die von Alexander B***** in ihrem Namen abgeschlossenen Geschäfte, noch für die ihnen gezeigten Depotaufstellungen und Wertpapierabrechnungen interessiert und sich mit der Vorlage von für sie nicht verständlichen Excel-Tabellen unter Bekanntgabe der Salden auf ihren Konten begnügt haben. Hätten sie wenigstens in die Kontoabrechnungen der Beklagten Einsicht genommen, wäre es ihnen zumindest möglich gewesen, zu erkennen, dass die von Alexander B***** für sie getätigten Transaktionen zu erheblichen Verlusten führten, die mit ihrem erklärten Anlageziel einer risikoarmen Veranlagung nicht im Einklang standen. Sie wären dadurch veranlasst gewesen, etwa bei anderen Mitarbeitern der Beklagten Nachforschungen über die in ihrem Namen abgeschlossenen Wertpapiergeschäfte anzustellen, womit für sie erkennbar geworden wäre, dass es sich dabei jedenfalls nicht um die von ihnen gewünschten risikoarmen Geschäfte handelte. Jedenfalls wäre ihnen erkennbar geworden, dass sie B***** nicht uneingeschränkt vertrauen und dessen Tätigkeit nicht ganz und gar unkontrolliert lassen hätten dürfen. Ihr Vorgehen ist daher als erhebliche Sorglosigkeit im Umgang mit dem eigenen Hab und Gut zu werten (vgl 1 Ob 231/04h). Da auch die vom Berufungsgericht vorgenommene „Verschuldensteilung" vertretbar erscheint, wird von den Klägern insgesamt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt.

Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte macht in ihrer Zulassungsbeschwerde folgende Umstände als erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend:

a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Gunsten der Kläger sei unrichtig und unbillig. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 1 Ob 231/04h eine Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten eines Kunden angenommen, dem die Unrichtigkeit der Anlageberatung durch eine Wertpapierdienstleistungen anbietende Bank auffallen hätte müssen. Das Berufungsgericht übersehe im Rahmen der Verschuldensteilung, dass die Kläger nicht nur für das eigene Verschulden, sondern gemäß § 1313a ABGB auch für das Fehlverhalten ihres bevollmächtigten Vertreters Alexander B***** einzustehen hätten, der ihr Erfüllungsgehilfe gewesen sei.

b) Eine Kontoüberwachungsobliegenheit der Kläger bestehe nicht nur nach den (nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht rechtswirksam vereinbarten) AGB der Beklagten, sondern auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Dies sei vom Berufungsgericht ebenfalls übersehen worden.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes seien die AGB ohnehin wirksam vereinbart worden. Es gebe keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich zwischen Bank und Kunden rechtswirksam vereinbarter AGB, insbesondere zur Anwendbarkeit der AGB auf vertragliche Dauerschuldverhältnisse, die schon vor der Vereinbarung der AGB begründet worden seien.

d) Das Erstgericht habe (betreffend die Bevollmächtigung des Alexander B***** durch die Kläger) die von den Streitteilen nicht bekämpfte Negativfeststellung getroffen: „Dass diese Vollmacht von den Klägern intern irgendwie beschränkt gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden". Von dieser Negativfeststellung sei das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung abgegangen, indem es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung diese Feststellung einfach „eingeschränkt" bzw „umgedeutet" habe. Dies bedeute ein Mangelhaftigkeit des Verfahrens und eine grobe Verkennung der Rechtslage, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit und zur Wahrung der Rechtssicherheit die Zulässigkeit der Revision begründe.

Die Beklagte vermag damit ebenfalls keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels aufzuzeigen:

Zu a):

Nach ständiger Rechtsprechung kann das Ausmaß des Mitverschuldens eines Geschädigten wegen seiner Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS-Justiz RS0087606; RS0042405 jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste. Davon kann im vorliegenden Fall gar keine Rede sein. Die Ansicht der Revisionswerberin, dass grob schuldhafte Verhalten des Alexander B***** sei von den Klägern zu vertreten, steht im Widerspruch zu dem in den Entscheidungen 10 Ob 17/04g und 2 Ob 62/04p vertretenen Auffassungen, denen das Berufungsgericht gefolgt ist. Danach ist Alexander B***** als Anscheinserfüllungsgehilfe der Beklagten anzusehen, die sein Fehlverhalten gemäß § 1313a ABGB zu vertreten und überdies schuldhaft ihre Aufklärungspflicht gegenüber den Klägern verletzt hat. Durch eine Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Beklagten erachtet sich diese daher nicht zu Recht für beschwert.

Zu b):

Eine gewisse Mindestüberwachungspflicht der Kläger hat das Berufungsgericht auch ohne rechtswirksame Vereinbarung der AGB der Beklagten ohnehin angenommen und deren Verletzung den Klägern zum Vorwurf gemacht.

Zu c):

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die AGB der Beklagten seien zwischen den Streitteilen nicht wirksam vereinbart worden, folgt gesicherter oberstgerichtlicher Judikatur. Danach bedürfen Allgemeine Geschäftsbedingungen, soweit keine besondere Regelung ihrer Geltung durch Gesetz oder Verordnung besteht, zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag und sind nur anzuwenden, wenn sie durch einen entsprechenden Hinweis im Vertragstext (im Fall des Abweichens von Verhandlungssprache und Vertragssprache durch einen Hinweis in der Verhandlungssprache) oder zumindest stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht wurden (RIS-Justiz RS0014506). Dass Hinweise auf AGB nach Vertragsabschluss unbeachtlich sind, sofern nicht ausnahmsweise Schweigen als Zustimmung gewertet werden kann und daher die rechtswirksame Vereinbarung von AGB in einem weiteren Vertrag nicht auf einen früheren Vertrag, in dem die AGB nicht wirksam vereinbart wurden, durchschlagen kann, liegt auf der Hand. Ohne daher eine erhebliche Rechtsfrage beantworten zu müssen, hat das Berufungsgericht erkannt, dass die rechtsgültige Vereinbarung der AGB der Beklagten anlässlich der Verpfändung des Wertpapierdepots und des Verrechnungsdepots durch die Kläger nicht nachträglich zur Rechtswirksamkeit der AGB auch für den im Zuge der Eröffnung des Wertpapierdepotkontos und des Verrechnungskontos abgeschlossenen Vertrag führen konnte.

Zu d):

Das Berufungsgericht hat keineswegs die Feststellung des Erstgerichtes, dass die Alexander B***** von den Klägern erteilte Vollmacht intern irgendwie beschränkt gewesen wäre, könne nicht festgestellt werden, abgeändert. Vielmehr hat es die rechtliche Erwägung angestellt, dass diese Feststellung durch die weitere, dass die Kläger gegenüber B***** erklärt hätten, nicht viel riskieren zu wollen, in diesem Sinn einschränkend auszulegen sei. Weder liegt daher die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, noch ist diese rechtliche Folgerung zu beanstanden.

Von der Beklagten wird demnach insgesamt kein tauglicher Grund für die Zulassung der außerordentlichen Revision aufgezeigt. Auch das außerordentliche Rechtsmittel der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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