OGH 12Os103/06y

OGH12Os103/06y25.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ruzanna S***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 27. April 2006, GZ 31 Hv 48/06a-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Urteilstenors hat sie Verfügungsberechtigten des Kaufhauses C***** eine Sonnenbrille im Wert von 4,90 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und, bei diesem Diebstahl auf frischer Tat betreten, die Kaufhausdetektivin wuchtig gestoßen, um sich die weggenommene Sache zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist im Recht. Wie die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend aufzeigt, tragen die Feststellungen des Erstgerichts den Schuldspruch weder in Bezug auf die Qualifikationsnorm des § 131 StGB noch hinsichtlich der Urteilsannahme der Tatvollendung.

Nach ständiger Judikatur ist unter Gewalt iSd § 131 StGB der Einsatz nicht ganz unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermeintlichen Widerstandes zu verstehen (RIS-Justiz RS0093697). So fällt beispielsweise das Losreißen von einer Person nur bei entsprechender Intensität des Krafteinsatzes unter den Gewaltbegriff des § 131 StGB (14 Os 118/94, EvBl 1995/33). Gerade zum insoweit wesentlichen Abgrenzungskriterium der Erheblichkeit der angewendeten Kraft enthält die angefochtene Entscheidung aber keine Konstatierungen.

Hinzu kommt, dass das bekämpfte Urteil bezüglich der Gewaltanwendung - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - auch widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) und unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) ist, weil es einerseits als diesbezügliche Tathandlung im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO ein „wuchtiges Wegstoßen" anführt (US 2), im Feststellungsteil der Entscheidungsgründe ein „Rempeln" konstatiert (US 4), im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aber ein „Losreißen und Wegstoßen" als subsumtionsrelevant erachtet (US 7), und andererseits keine Gründe für die Annahme (einer) dieser Handlungen enthält. Der Diebstahl ist vollendet, sobald der Täter Alleingewahrsam an der Beute erlangt (Bertel in WK² § 127 Rz 43). Nach seit Jahren gefestigter Judikatur geht bei Gegenständen, die unauffällig in der Bekleidung oder in mitgeführten Behältnissen verborgen werden können, der Gewahrsam zwar in der Regel schon durch die Ansichnahme verloren, nicht jedoch dann, wenn der Gewahrsamsträger - etwa durch einen Kaufhausdetektiv - den Täter im Auge zu behalten und in unmittelbarer Nähe des Tatorts zu stellen vermag (vgl RIS-Justiz RS0090667). Hievon ausgehend reichen fallbezogen die Feststellungen des Erstgerichts (auch) nicht hin, die Frage der Tatvollendung abschließend zu beurteilen.

Aufgrund der dargelegten Mängel war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO). Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Im zweiten Rechtsgang werden nach entsprechend eingehender Befragung der Beschwerdeführerin und der Zeugin Eva-Maria S***** detaillierte Feststellungen zur Erheblichkeit des Gewalteinsatzes zu treffen sein. Hiebei werden die Tatrichter insbesonders Konstatierungen über die Art und die Intensität der Anhaltung sowie der dagegen gerichteten Bewegungen der Beschwerdeführerin und deren Auswirkungen auf die Festhaltende zu treffen haben.

Außerdem werden exakte Feststellungen zur Örtlichkeit sowie zu den zeitlichen Abläufen zu treffen sein, um die - im Sinne der hiezu angeführten Judikatur - rechtsrichtige Beurteilung der Frage der Tatvollendung zu ermöglichen.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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