European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140OS00118.940000.0906.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß der Angeklagte, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen die Person der Gabriele D* angewendet hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, demnach in der rechtlichen Beurteilung der Tat als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Johann K* wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegende Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB gemäß dieser Gesetzesstelle zu 4 (vier) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird ihm diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann K* des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 (erster Fall) StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, weil er am 18. September 1992 in Salzburg mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung fremde bewegliche Sachen, nämlich Klebstoff und Knoblauchpillen im Wert von 174,80 S Gewahrsamsträgern der Firma B* Parfümerie GmbH wegnahm und bei seiner Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er sich von Gabriele D* gewaltsam losriß.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Nach den Feststellungen hatte die Detektivin Gabriele D* den Angeklagten dabei beobachtet, als er in einer Filiale der Firma B* Waren in seiner Hosentasche verstaute. Nachdem er die Kassa passiert hatte, ohne diese Gegenstände bezahlt zu haben, stellte sie ihn zur Rede und hielt ihn dabei am Oberarm fest. Der Angeklagte riß sich jedoch "gewaltsam" bzw "unter Gewaltanwendung" los und flüchtete, wobei er (auch) mit der Absicht handelte, sich das Diebsgut zu erhalten (US 3 und 4).
Zu Recht wendet der Beschwerdeführer dagegen ein (Z 10), daß das Urteil mit einem die angenommene Deliktsqualifikation betreffenden Feststellungsmangel behaftet sei, weil es keine ausreichenden Konstatierungen darüber enthält, worin die Gewaltanwendung gegen die Detektivin bestanden habe.
Das Losreißen von einer Person ist nämlich nicht in jedem Falle mit einer Gewaltanwendung gegen die Person des Festhaltenden verbunden. Ob der mit einem Losreißen einhergehende Kraftaufwand des Täters die für den Gewaltbegriff maßgebende Erheblichkeitsschwelle (Leukauf‑Steininger Komm3 § 105 RN 4; Kienapfel BT I3 § 105 RN 11) überschreitet, ist im Einzelfall jeweils besonders zu prüfen. Inhaltsleere Umschreibungen reichen dazu nicht aus, vielmehr sind zu einer sachgerechten Beurteilung nähere Feststellungen erforderlich, namentlich über die Art und Intensität des Zugriffes, der dagegen gerichteten Körperbewegungen des Täters, deren Auswirkungen auf den Festhaltenden, dessen Reaktionen uä.
Derartige konkrete Beschreibungen fehlen im angefochtenen Urteil. Aus den Akten sind Anhaltspunkte für die fraglichen Umstände nicht zu gewinnen, weshalb auch nicht erwartet werden kann, daß in einem zweiten Rechtsgang die fehlenden Feststellungen mit mängelfreier Begründung nachgeholt werden könnten. Nach der Aussage der Zeugin Gabriele D*, welche sich in der Hauptverhandlung an den Vorfall nicht mehr genau zu erinnern vermochte, ist nämlich davon auszugehen, daß sie den Angeklagten nur für ganz kurze Zeit und mit geringer Intensität am Oberarm erfaßt hatte, sodaß es diesem schon durch den Einsatz ganz unerheblicher physischer Kraft möglich war, sich von ihrem Zugriff zu lösen (S 16 f, 27 f, 168 ff; vgl auch S 19, 22 und 49). Darin allein liegt jedoch noch keine im Sinne des § 131 StGB qualifizierende Gewaltanwendung gegen die Person.
Es konnte daher sogleich in der Sache selbst erkannt werden (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren die acht einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten erschwerend; mildernd hingegen das Geständnis sowie die Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Beute. Eine Freiheitsstrafe von vier Monaten entspricht der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB). Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht folgt aus dem Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs 2 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.
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