OGH 1Ob2/07m

OGH1Ob2/07m23.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franziska D*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. Wolfgang G*****, vertreten durch Dr. Frank Riel, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, gegen die beklagte Partei Josef J*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber und Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2006, GZ 1 R 129/06k-16, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach herrschender Rechtsprechung (vgl nur 3 Ob 580/90; 10 Ob 358/97p) kann die Unsicherheitseinrede nach § 1052 Satz 2 ABGB nur bei in einem funktionellen Synallagma stehenden Leistungen erhoben werden. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers handelt es sich bei einer Vereinbarung im Sinne des § 55a Abs 2 EheG über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander nicht um ein „wechselseitiges Verpflichtungsgeschäft", da dabei nicht Leistung und Gegenleistung ausgetauscht, sondern in erster Linie das Vermögen der Ehegatten „aufgeteilt" wird. Es geht auch nicht um die „Übergabe einer Liegenschaft gegen Zahlung einer Ausgleichsleistung", sondern darum, dass sich der Beklagte zur Räumung des ihm vorübergehend zu Wohnzwecken überlassenen Hauses auf einer Liegenschaft der Klägerin bei Pensionsantritt verpflichtet hat, während für die an den Beklagten zu leistende Ausgleichszahlung zur Abgeltung der von ihm während der Ehe bewirkten Wertsteigerung ein sechs Monate nach der (tatsächlichen) Räumung liegender Zahlungstermin vereinbart worden war. Auch wenn der Beklagte seine Räumungsverpflichtung zeitlich früher zu erfüllen hat als die Klägerin ihre Verpflichtung zur Leistung der Ausgleichszahlung, liegt doch mangels synallagmatischen Austauschverhältnisses kein Anwendungsfall des § 1052 Satz 2 ABGB vor.

2. Ob eine Vereinbarung iSd § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, sodass sich regelmäßig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen (vgl nur RIS-Justiz RS0042881). Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen zur nach seiner Behauptung verletzten Manuduktionspflicht der Richterin im Scheidungsverfahren sowie zu seiner mangelnden anwaltlichen Vertretung moniert, übersieht er, dass diese Fragen für die Beurteilung, ob die geschlossene Vereinbarung inhaltlich sittenwidrig ist, weil sie ihn gegenüber der nunmehrigen Klägerin in ganz erheblichem Ausmaß benachteiligt, nicht von Bedeutung sind. Eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls eine erhebliche inhaltliche Unausgewogenheit voraus, die die Vorinstanzen verneint haben.

3. Auch aus den Revisionsausführungen wird nicht klar, ob der Revisionswerber von einer gänzlichen Unwirksamkeit des „Scheidungsvergleichs" wegen Sittenwidrigkeit ausgeht oder aber eine bloße Teilnichtigkeit annimmt.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für den Beklagten bei Annahme einer Totalnichtigkeit nichts gewonnen wäre, weil die Klägerin dann allein auf Grund ihres Eigentumsrechts an der Liegenschaft berechtigt wäre, vom Beklagten die Räumung zu verlangen. Sollte der Revisionswerber hingegen von bloßer Teilnichtigkeit ausgehen, ist nicht zu erkennen, welcher Teil der Gesamtvereinbarung als unwirksam wegfallen sollte und welche für ihn günstigeren Rechtsfolgen daraus resultieren könnten. Der Hinweis in der Revision, wäre er von der damals zuständigen Richterin auf „die Gefahren" hingewiesen worden, welche mit der unbesicherten, zeitlich verzögerten Festlegung eines auch ziffernmäßig nicht näher genannten „Hinauszahlungsbetrags" verbunden sind, wäre zumindest eine Zug-um-Zug-Leistung zu formulieren gewesen oder bei gleichartig formulierter Fälligkeit eine Sicherstellung des Beklagten, hilft nicht weiter, weil es den Gerichten auch in Fällen einer Teilnichtigkeit verwehrt ist, rechtsschöpfend tätig zu werden und unangemessene Vertragsklauseln durch ganz andere zu ersetzen; die Möglichkeit einer (geltungserhaltenden) Reduktion bestimmter, seiner Ansicht nach unausgewogener Vertragsbestimmungen zeigt der Revisionswerber nicht auf.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass den Beklagten ein Uneinbringlichkeitsrisiko auch dann getroffen hätte, wenn etwa vereinbart worden wäre, dass er das Haus der Klägerin nicht weiter bewohnen darf und er innerhalb einer kurzen Frist eine (der Höhe nach erst zu ermittelnde) Ausgleichszahlung erhalten soll. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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