OGH 3Ob146/06a

OGH3Ob146/06a21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1.) C***** (C***** Inc.), ***** Japan, 2.) C***** GmbH, ***** beide vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei D***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Rechnungslegung und Urkundeneinsicht, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. Februar 2006, GZ 17 R 29/06w-10, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juni 2006, AZ 17 R 29/06w, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 12. Dezember 2005, GZ 10 E 7465/05f-2, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Auf Grund des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 15. September 2005, AZ 4 Ob 145/05k (= ÖBl 2006, 82 [Gamerith] = ecolex 2006, 588 [Schachter] = wbl 2006, 65 = RdW 2006, 19) muss die verpflichtete Partei den betreibenden Parteien binnen 14 Tagen über die von ihr durch den Verkauf von zu Kopiergeräten einer bestimmten Marke gehörenden Geräten, Zubehör und Ersatzteilen, insbesondere Kopierer-Trommeln, -Toner und Cartridges, die nicht von den betreibenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, unter Verwendung der Marke C***** erzielten Umsätze anhand von Einkaufs- und Verkaufsbelegen mit der Maßgabe Rechnung zu legen, dass die auf den Einkaufs- und Verkaufsbelegen aufscheinenden Lieferanten und Abnehmer unkenntlich gemacht werden und die Originale dieser Belege dem Sachverständigen offen zu legen sind.

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei auf Grund dieses Urteils die Exekution nach § 354 EO und verhängte über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Gericht zweiter Instanz diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es statt der Verhängung einer Geldstrafe nur eine solche für den Fall androhte, dass die verpflichtete Partei nicht binnen 14 Tagen die geschuldeten Leistungen erbringe.

Das Gericht zweiter Instanz sprach vorerst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige. Infolge Antrags der verpflichteten Partei nach § 78 iVm § 528 Abs 3, § 508 Abs 1 ZPO änderte es seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Die verpflichtete Partei sei nach dem Exekutionsantrag offensichtlich bereit gewesen, den betreibenden Parteien die Einsicht in die Ein- und Verkaufsbelege zu dulden. Damit sei diese nach ihrem Rechtsstandpunkt ihrer Rechnungslegungspflicht nachgekommen. Es fehle ausdrückliche Rsp zur Frage, was eine verpflichtete Partei tun müsse, wenn sie nach dem Exekutionstitel dem betreibenden Gläubiger Einsicht in Urkunden zu gewähren habe. Die Entscheidung 3 Ob 77/95 habe einen nicht vergleichbaren Fall vor Augen gehabt. Es fehle auch Rsp zur Frage, ob es mangels Angaben dazu im Exekutionstitel ausreiche, Rechnung am Ort des Verpflichteten zu legen. Diese Fragen seien über den Einzelfall hinaus von Bedeutung.

In ihrem Revisionsrekurs macht die verpflichtete Partei noch geltend, es hätten weder der Oberste Gerichtshof noch der EuGH (bisher) entschieden, ob der Vorrang des Gemeinschaftsrechts die Vollstreckung eines ihm widersprechenden Exekutionstitel verbiete, insbesondere wenn nach dessen Rechtskraft der EuGH gegenteilig entscheide. Es fehle Rsp dazu, ob eine Rechnungslegungspflicht Hol- oder Bringschuld sei. Seit der Entscheidung 5 Ob 778/80 = SZ 54/3 aus dem Jahr 1981 habe sich der Oberste Gerichtshof nicht mehr mit diesen Fragen befasst. Der behauptete Verstoß gegen das Neuerungsverbot im Rekurs liege in Wahrheit nicht vor.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Berichtigungsbeschluss der zweiten Instanz nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht wendet sich die verpflichtete Partei nicht gegen die Ansicht der Vorinstanzen, der vorliegende Exekutionsantrag wäre nach § 354 EO beurteilen (3 Ob 88/95 = SZ 69/226, RIS-Justiz RS0004403). Auch in solchen Exekutionsverfahren braucht die betreibende Partei im Exekutionsantrag nicht behaupten, der Verpflichtete habe das nach dem Exekutionstitel Geschuldete nicht erfüllt (3 Ob 2012/96w = MR 1996, 193 [Walter] = ecolex 1997, 262 = RPflE 1997/16; 3 Ob 2027/96a = ecolex 1997, 262 = GesRZ 1997, 193 = WBl 1996, 459, je mwN; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 354 Rz 21; Klicka in Angst, EO, § 354 Rz 18). Jedenfalls muss die Behauptung des betreibenden Gläubigers genügen, dass die geschuldete Leistung nicht erbracht worden sei (3 Ob 186/88 = MietSlg 41.610; 3 Ob 270/05k). Eine solche Behauptung liegt hier vor. Davon hat das Exekutionsgericht grundsätzlich ohne weitere Prüfung auszugehen. Allerdings entspricht es der stRsp des erkennenden Senats, dass ein Vollstreckungsbegehren dann abzuweisen ist, wenn das Nichtbestehen des betriebenen Anspruchs bereits aus dem Exekutionsantrag oder den Gerichtsakten hervorgeht, weil die Zwecklosigkeit eines Vollstreckungsverfahrens von Amts wegen aufzugreifen ist (3 Ob 270/05k mwN). Auch wenn es gerichtskundig wäre, dass die verpflichtete Partei ihre Rechnungslegungspflicht bereits erfüllte, wäre der Exekutionsantrag abzuweisen (3 Ob 377/97f = immolex 1998, 283 = MietSlg 50.834; in casu aber nicht erwiesen). Im vorliegenden Fall hat nun das Rekursgericht aus dem konkreten Vorbringen der hier betreibenden Partei in einem Einzelfall das Zugeständnis einer Erfüllung der Rechnungslegungsverpflichtung der verpflichteten Partei und auch die tatsächliche Erfüllung durch sie verneint. Eine solche Beurteilung im Einzelfall ist nicht verallgemeinerungsfähig und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs ZPO, soweit nicht - was hier nicht der Fall ist - eine krasse Fehlbeurteilung aufzugreifen und zu korrigieren wäre.

Die von der zweiten Instanz und von der verpflichteten Partei als erheblich gewerteten Rechtsfragen sind in Wahrheit demnach nicht zu beantworten. Selbst wenn man wie das Rekursgericht in seinem Zulassungsbeschluss vom 14. Juni 2006 davon ausgehen wollte, schon nach dem Exekutionsantrag sei die verpflichtete Partei „offensichtlich" bereit, der betreibenden Partei die Einsicht in die Ein- und Verkaufsbelege zu dulden, ergäbe sich daraus noch nicht, dass damit auch das Begehren auf Legung einer Rechnung erfüllt wäre. Dazu ist sie ja nach dem Exekutionstitel jedenfalls auch verpflichtet. Wurde aber diese Pflicht nicht erfüllt, dann stellt sich die weitere Frage, ob auch die Einsicht in die Ein- und Verkaufsbelege ein aktives Tun der verpflichteten Partei verlange, im vorliegenden Stadium des Verfahrens nicht. Auch die sowohl von der verpflichteten Partei als auch vom Rekursgericht angesprochene Frage, wo mangels Festlegung im Exekutionstitel Rechnung zu legen sei, ist damit nicht präjudiziell. Selbst wenn man nämlich zum Schluss käme, es läge hier - anders als im Miteigentumsrecht (5 Ob 1049/92 = WoBl 1993, 121 [Call]: Schickschuld) - eine Holschuld vor, ließe sich dem Exekutionsantrag nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen, dass sich Vertreter der betreibenden Parteien nicht an den Sitz der verpflichteten Partei iSd § 905 ABGB begeben hätten. Selbst bei Richtigkeit der Rechtsansicht der verpflichteten Partei wäre daher die Exekution jedenfalls zu bewilligen gewesen. Es ist daher auch unerheblich, dass die Entscheidung SZ 54/3, die im Übrigen kein Exekutionsverfahren betrifft, bereits vor über 25 Jahren erging. Der der verpflichteten Partei vom Gericht zweiter Instanz vorgeworfene Verstoß gegen das Neuerungsverbot betrifft die Frage, ob Originale der Belege bereits „dem Sachverständigen" von ihr zur Verfügung gestellt worden seien. Darauf geht die verpflichtete Partei nunmehr in ihrem Revisionsrekurs mit keinem Wort ein, weshalb auch diese Frage nicht präjudiziell sein kann.

Letztlich ist auch der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht nicht zu folgen, es fehle an Rsp dazu, ob der Vorrang des Gemeinschaftsrechts die Vollstreckung eines diesem widersprechenden Exekutionstitels verbiete. Wenn nämlich jüngst der EuGH in seiner Entscheidung Rs C-234/04 [Slg 2006 I-02585 - Kapferer vs. Schlank & Schick GmbH = wbl 2006, 220 (Urlesberger) = Zak 2006, 118 (Neumayr)], wenn auch in anderem Zusammenhang, entschied, gebietet es der sich aus Art 10 EGV ergebende Grundsatz der Zusammenarbeit einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften zu dem Zweck abzusehen, eine in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, falls sich zeigt, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstößt (Tenor der Entscheidung und Rn 20; ebenso jüngst 4 Ob 118/06s). Eine solches rechtskräftiges Urteil liegt der vorliegenden Zwangsvollstreckung zugrunde. Es ist niemals Sache eines österr. Exekutionsgerichts, anlässlich der Exekutionsbewilligung die Richtigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung zu überprüfen (Jakusch in Angst, EO, § 3 Rz 19: Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 3 Rz 20 f mwN). Seit der EO-Nov 1995 ist nun ausnahmslos jedes Exekutionsgericht (selbst wenn es gleichzeitig Titelgericht wäre, was hier ohnehin nicht der Fall ist) an die Bestätigung der Vollstreckbarkeit gebunden (3 Ob 7/99x = MietSlg 51.770 u.a., RIS-Justiz RS0106414 [T1]). Diese Bindung besteht, solange die Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht nach § 7 Abs 3 oder 4 EO aufgehoben wurde (SZ 54/115 u.v.a.). Da nach der zitierten Entscheidung des EuGH das Gemeinschaftsrecht ein Abgehen von dieser Bindung nicht verlangt, ist für das vorliegende Exekutionsverfahren die Frage ohne Bedeutung, ob eine dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, das den Exekutionstitel bildet, nachfolgende Entscheidung des EuGH dieser widerspreche. Denn auch ein allfälliger Verstoß gegen europäisches Recht könnte an der Pflicht des Exekutionsgerichts zur Zwangsvollstreckung nichts ändern. Insbesondere liegt kein Grund vor, nun ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

Sind somit die geltend gemachten Rechtsfragen nicht erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO, ist der nachträglich zugelassene Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Stichworte