OGH 15Os56/06h

OGH15Os56/06h12.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Szilard M***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Februar 2006, GZ 124 Hv 88/05b-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Szilard M***** - teilweise abweichend von der auch auf einen Schuldspruch wegen des nach Ansicht der Staatsanwaltschaft idealkonkurrierend verwirklichten Finanzvergehens der vorsätzlichen Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG gerichteten Anklage (ON 7) - des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt. Danach hat er am 12. Oktober 2004 im Bereich des Zollamtes Wien „vorsätzlich Sachen, die zugleich auch Gegenstände des Tabakmonopols sind, nämlich 90.000 Zigaretten der Marke Meine Sorte, 120.000 Zigaretten der Marke Memphis Blue und 20.000 Zigaretten der Marke Memphis Classic, hinsichtlich derer zuvor durch nicht ausgeforschte Täter das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG begangen worden war, an sich gebracht", wobei sich der strafbestimmende Wertbetrag auf 37.946,32 Euro beläuft.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte aus Z 5 und 9 lit a sowie das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz aus Z 5, 7 und 11 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte am 12. Oktober 2004 gegen 18.15 Uhr in Wien 22., Leonard Bernstein Straße Nr. 4 bis 6, in der Tiefgarage. Weil er dort den Verdacht erweckte, einen PKW-Einbruch verübt zu haben, wurde die Polizei verständigt. Die Beamten forderten Szilard M***** zur Ausweiskontrolle auf und führten eine Personsdurchsuchung durch, wobei sie 14.000 Euro Bargeld fanden, das er eingesteckt hatte. Das Fahrzeug, in dem der Angeklagte zuvor beobachtet worden war, ein KKW der Marke Hyundai, wurde von den Beamten durchsucht. Dabei entdeckten sie die vorstehend genannten 230.000 Zigaretten.

Dem Urteil zufolge war der Angeklagte „zu dem Zweck in der gegenständlichen Tiefgarage am Fahrersitz des Hyundai aufhältig, weil er vorhatte, im Auftrag eines nicht ausgeforschten ungarischen Staatsangehörigen namens ‚Bela' die im Hyundai befindlichen 230.000 Stück Zigaretten in einen schwarzen PKW VW-Passat, dessen Eintreffen gegen 18.30 Uhr … geplant war, umzuladen". Die Zigaretten waren in Österreich erzeugt, nach Rumänien exportiert und in die Europäische Union geschmuggelt worden (US 5 f).

Die damit verbundene Konstatierung, wonach der Angeklagte „wusste, dass sich in den gegenständlichen Kartons geschmuggelte Zigaretten befinden", und er die „Absicht" hatte, „die im Hyundai sichergestellten geschmuggelten Zigaretten an einen nicht ausgeforschten weiteren Täter, der mit einem VW Passat in diese Tiefgarage hätte kommen sollen, zu übergeben" (US 6 f), entbehrt nach Ansicht des Beschwerdeführers (Z 5) einer „gesetzmäßigen Begründung". Das angefochtene Urteil wolle, wie es in der Beschwerde heißt, „diesen Umstand lediglich durch eine lebensnahe Betrachtung und durch den Auftrag zum Umladen von Kartons und den Treffpunkt in einer Tiefgarage als erwiesen ansehen".

Der Einwand ist nicht stichhältig:

Die Tatrichter stützten sich zur Begründung der beanstandeten Feststellung auf die Anzeige, die Erhebungen des Zollamtes Wien und die Aussage des Zeugen Reinhard L***** im Zusammenhalt mit der Verantwortung des Angeklagten. Sie bezogen sich dabei auf dessen polizeiliche Vernehmung, bei der er angab, er habe dem erwarteten Fahrer des VW-Passat einige Kartons aus dem Hyundai übergeben wollen, jedoch nichts über den Inhalt gewusst. Im Hyundai hätten sich auch die 14.000 Euro befunden. Das Geld hätte „Bela" gehört; diesem hätte er es nach Ungarn bringen sollen (US 8; S 49).

Das Erstgericht erachtete es als lebensfremd, dass der Angeklagte - wie er aussagte - „auftragsgemäß in einer Tiefgarage von einem Auto in ein anderes Kartons umlädt und dabei keine Kenntnis von deren Inhalt haben will". Unter Berücksichtigung der hervorgekommenen Umstände, namentlich des zugestandenen Auftrags zum Umladen von Kartons und des Treffpunkts in einer Tiefgarage, gingen die Tatrichter davon aus, dass der Angeklagte über den Inhalt, nämlich geschmuggelte Zigaretten, Bescheid wusste (US 9, 12). Von diesen Erwägungen kann nicht gesagt werden, dass sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen. Nichtigkeit nach Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO liegt demnach nicht vor (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Ebenso wenig kann von der weiters reklamierten Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) die Rede sein, wurden doch die insoweit in der Beschwerde relevierten Aussagen des Angeklagten im Vorverfahren, dass er nur vorgehabt habe, einige Kartons umzuladen (S 47, 137), im Urteil aktengetreu referiert (US 8).

Indem die Tatrichter aus der Gegenüberstellung der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren (S 45 ff, 135 ff) und jener in der Hauptverhandlung (S 243 f) unter Betrachtung des Gesamtgeschehens auf dessen Willen schlossen, alle im KKW Hyundai letztlich sichergestellten Zigaretten dem erwarteten VW-Passat-Fahrer zu übergeben (eingehend US 9 f), argumentierten sie ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze, sodass auch insoweit - entgegen der Beschwerde - keine nur offenbar unzureichende Begründung iS des vierten Falles des § 281 Abs 1 Z 5 StPO vorliegt. In den Entscheidungsgründen wurde auf die bei der „Vorgangsweise der organisierten Zigarettenschmuggler" verbreitete Aufgabenteilung durchaus Bedacht genommen (US 9). Dabei bedurfte die allgemein gehaltene Aussage des Zeugen Reinhard L*****, beim organisierten Verbrechen solle jeder Einzelne so wenig wie möglich vom Geschehen mitbekommen (S 249), keiner über die Argumente im Urteil hinaus gehenden Erörterung, Die Tatrichter befassten sich ohnedies mit der Eingliederung einer Mehrzahl von Personen in den Ablauf des Geschehens (US 9 f). Die Beweiswürdigung ist somit keineswegs unvollständig iS des zweiten Falles der Z 5.

Mit der Aussage des Angeklagten, er habe nur einige der Kartons übergeben wollen und nicht gewusst, dass sich darin Zigaretten befanden (zuerst S 47), hat sich das Schöffengericht befasst, der leugnenden Verantwortung aber aus den schon erörterten Gründen keinen Glauben geschenkt. Angesichts dessen war in den Entscheidungsgründen nicht eigens zu erörtern, dass der Angeklagte angab, den Bus hinten nicht aufgemacht und in keine Schachtel geschaut zu haben (S 47). Demnach liegt kein Begründungsmangel iS der Z 5 vor. In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird zum einen vorgebracht, dass „das angefochtene Urteil über für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Verfahrensergebnisse keine Feststellungen trifft", und daran eine Darstellung der schon im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) ins Treffen geführten Verantwortung des Angeklagten geknüpft, die unwiderlegbar sei. Zum anderen wird von einer „lediglich abwartenden Anwesenheit" des Beschwerdeführers in der Tiefgarage, „mit der Absicht, beim Eintreffen eines schwarzen Passat fünf Schachteln aus dem KKW Hyundai in dieses Fahrzeug umzuladen", ausgegangen.

Ein Rechtsfehler mangels Feststellungen wird damit nicht aufgezeigt. Die Beschwerde geht von einer vom Urteil abweichenden Sachverhaltsgrundlage aus und unternimmt es auf dieser Basis, die rechtliche Beurteilung in Frage zu stellen. Maßgebend für die Subsumtion ist jedoch die konstatierte willentliche Übernahme des Fahrzeuges mit der Schmuggelware durch den Angeklagten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zollamtes Wien

Worin ein Begründungsmangel iS der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegen soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Weder nominell noch - worauf es ankommt - inhaltlich wird eine der fünf Anfechtungskategorien dieses Nichtigkeitsgrundes angesprochen:

Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO entsteht durch bestimmte Fehler auf der Feststellungsebene oder der Beweiswürdigungsebene des Urteils in Ansehung getroffener Feststellungen. Rechtliche Kritik kann aus Z 5 nicht geübt werden.

Undeutlichkeit iS der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde (Feststellungsebene) und aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Beweiswürdigungsebene). Dabei sind stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und aus dem Urteilstenor der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO, also das Referat der in den Entscheidungsgründen als erwiesen angenommenen Tatsachen, in den Blick zu nehmen.

Unvollständig iS des zweiten Falles der Z 5 ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

In sich widersprüchlich iS des dritten Falles der Z 5 ist ein Urteil, wenn zwei zu einer entscheidenden Tatsache - im Spruch beim Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) oder in den Entscheidungsgründen auf der Feststellungsebene oder der Beweiswürdigungsebene - getroffene Aussagen nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können.

Offenbar unzureichend iS der Z 5 vierter Fall ist eine Beweiswürdigung, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrigkeit nach dem fünften Fall der Z 5 liegt vor, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Von keinem dieser Fehler ist in der - einleitend auch auf Z 5 gestützten - Beschwerde die Rede.

Als Nichterledigung der Anklage (Z 7) wird vom Zollamt ersichtlich der Umstand angesehen, dass die dem Schuldspruch zugrunde liegende Tat nicht auch - wie in der Anklage - dem Tatbestand des § 46 Abs 1 lit a FinStrG unterstellt und auch kein Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO gefällt wurde.

Der Einwand ist unbegründet. Nichtigkeit durch Nichterledigung der Anklage nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO - zu deren Geltendmachung auch die Finanzstrafbehörde als Privatbeteiligte im gerichtlichen Finanzstrafverfahren befugt ist (§ 200 Abs 2 lit a FinStrG) - bezieht sich auf die Identität von Anklage- und Urteilstat. Es geht darum, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt meinen, ob der durch die Anklage determinierte Prozessgegenstand im Urteil erledigt wurde. Die Summe der einem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegten Tathandlungen muss der Summe der im Urteil durch Schuld- (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) oder Freispruch (§ 259 StPO) erledigten entsprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502). Dass dies hier der Fall ist, wird in der Beschwerde gar nicht bestritten.

Einen von der Finanzstrafbehörde erster Instanz vermissten Subsumtionsfreispruch (Qualifikationsfreispruch) kennt die StPO nicht (vgl Fabrizy StPO9 § 259 Rz 16; RIS-Justiz RS0120128). Das weitere Rechtsmittelvorbringen (der Sache nach aus Z 10), das Bereitstellen der illegal eingeführten Zigaretten an den Angeklagten durch einen unbekannten Vortäter sei als „gewerbliches Inverkehrbringen" und damit als vorsätzlicher Eingriff in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG einzustufen, sodass eine zur Monopolhehlerei durch den Angeklagten führende Vortat gegeben sei, geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Diesen zufolge kann eine entgeltliche Weitergabe der geschmuggelten Zigaretten durch unbekannt gebliebene Vortäter nicht angenommen werden (US 6).

Im Übrigen sei bemerkt:

Das Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG verwirklicht, wer zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich ua das im § 5 Abs 3 TabMG 1996 statuierte Verbot des Handels mit Tabakerzeugnissen verletzt. Den Handel definiert § 5 Abs 4 TabMG 1996 als das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen im Monopolgebiet (§ 1 Abs 3 TabMG 1996). Da Inverkehrbringen in der Übertragung von Verfügungsgewalt an den Übernehmer besteht, fehlt es dabei an der Anknüpfungsmöglichkeit für die Tathandlungen des § 46 Abs 1 FinStrG. Diese erfordern nach dem klaren Gesetzeswortlaut („Monopolgegenstände, hinsichtlich welcher in Monopolrechte eingegriffen wurde") eine abgeschlossene Vortat (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 37 Anm 5, E 30 f; vgl auch Kirchbacher/Presslauer WK² § 164 Rz 15). Deshalb kommt für den Angeklagten, der nach den Urteilsannahmen (zumindest im Zweifel) Erstübernehmer der geschmuggelten Zigaretten war, die im Rechtsmittel postulierte Strafbarkeit wegen Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG auch aus diesem Grund nicht in Betracht (vgl 15 Os 25/06z, 12 Os 107/05k). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO besteht, wie zu der an § 2a Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) anknüpfenden Problematisierung durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz in Übereinstimmung mit der Auffassung der Generalprokuratur festzuhalten ist, in diesem Zusammenhang kein Anlass:

Die Anlastung von Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer erfolgte zu Recht. Gemäß Art 202 Abs 1 lit a Zollkodex (ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware (wie hier) vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird (Einfuhrschmuggel). Art 215 ZK regelt den (in- oder ausländischen) Ort der Zollschuldentstehung, der dafür maßgeblich ist, welche Behörde für die Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig ist (Abs 3 leg cit). Grundsätzlich stellt diese Vorschrift in ihrem Abs 1 erster Anstrich auf den Ort der Tatbestandsverwirklichung, der die Zollschuld entstehen lässt ab. Ist dieser Ort wie im vorliegenden Fall nicht bestimmbar, entsteht die Zollschuld an dem - hier in Österreich gelegenen - Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass für eine Ware eine Zollschuld entstanden sein muss (Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK).

Die Regelungen des ZK gelten zwar direkt nur für Zölle, im Wege des § 2 Abs 1 ZollR-DG aber auch für die sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben wie etwa die Umsatzsteuer oder auch die Verbrauchssteuern, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist. Ähnliche Verweise auf das gemeinschaftliche Zollrecht bzw den Zollkodex finden sich im Zusammenhang mit Drittlandseinfuhren etwa im § 26 UStG und im § 25 Tabaksteuergesetz. Dabei wird inhaltlich auf die „sinngemäße Geltung" der Zollvorschriften abgestellt. Entgegen der Rechtsansicht des Zollamtes Wien ist im vorliegenden Fall nicht die Spezialnorm des § 2a Abs 1 ZollR-DG, der zufolge die Fiktion des Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK hier nicht zur Anwendung käme, weil sich die Ware bei „Entstehen der Zollschuld in einem anderen Mitgliedstaat befand", als maßgebliche Vorschrift für die sonstigen Eingangsabgaben heranzuziehen, sondern § 2 Abs 1 ZollR-DG im Zusammenhalt mit den oben zitierten einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes und des Tabaksteuergesetzes. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 2a Abs 1 ZollR-DG (916 BlgNR 20. GP 13) hervorgeht, dient diese Vorschrift der Durchführung grenzüberschreitender vereinfachter Verfahren und der damit verbundenen Abgabenerhebung. Eine Ausdehnung der Sonderregelung des § 2a ZollR-DG auch auf „normale" Zollschuldentstehungen würde den einschlägigen nationalen Regelungen betreffend die sinngemäße Anwendung gemeinschaftlicher Zollrechtsvorschriften widersprechen. Darüber hinaus käme es auch zu einem vom Gesetzgeber bei Erlassung des § 2a ZollR-DG keinesfalls beabsichtigten Mehraufwand für die Verwaltung, weil unterschiedliche Einhebungsregimes für die im Zuge eines einzigen Entstehungstatbestandes involvierten Abgabenarten zu beachten wären.

Das Argument, der im Rahmen diverser Gesetze (zB § 25 TabaksteuerG) verwendete Begriff der „Einfuhr" würde auf die unmittelbare (nicht über das Gebiet eines Mitgliedstaates erfolgte) Einbringung von Waren aus einem Drittland in das Steuergebiet oder Inland abstellen, steht der im § 2 Abs 1 ZollR-DG normierten sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften nicht entgegen, weil daraus eine Einschränkung des Geltungsbereiches der Zollvorschriften auf Fälle der direkten Einfuhr nicht abgeleitet werden kann.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass § 2a Abs 1 ZollR-DG auf den Bereich zu beschränken ist, den der Gesetzgeber bei seiner Erlassung im Auge hatte, nämlich die grenzüberschreitenden vereinfachten Verfahren.

Im hier vorliegenden Fall einer Zollschuldentstehung durch widerrechtliches Handeln findet hingegen die generelle Regelung des § 2 Abs 1 ZollR-DG im Zusammenhalt mit § 26 UStG und § 25 TabaksteuerG Anwendung, was bedeutet, dass die in den Zollvorschriften festgelegten Erhebungsregelungen, im vorliegenden Fall Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK, auch die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer umfassen.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerden bei nichtöffentlicher Beratung hat die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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