OGH 6Ob273/06z

OGH6Ob273/06z30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonora U*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Rebecca G*****, vertreten durch Dr. Karl Baldauf, Rechtsanwalt in Güssing, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 2.180 EUR), über die „außerordentliche" Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 31. August 2006, GZ 13 R 119/06g-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Güssing vom 3. März 2006, GZ 2 C 1039/05d-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die „außerordentliche" Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht verpflichtete mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte, alle erforderlichen Erklärungen abzugeben und Urkunden zu unterfertigen und dadurch ihre Einwilligung in die Richtigstellung des Grenzverlaufs zwischen den im Eigentum der Parteien stehenden Grundstücken laut eines konkret bezeichneten Teilungsausweises zu erteilen, sodass eine Grundstücksteilfläche aus dem Grundstück der Beklagten im Ausmaß von 0,3 m², auf welche ein von der Klägerin errichteter Kamin von deren Grundstück aus überragt, diesem Grundstück zufällt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR nicht übersteige und dass die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Die „außerordentliche" Revision der Beklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert insgesamt 4.000 EUR nicht übersteigt. In diesem Fall kommt es - entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrer „außerordentlichen" Revision - nicht darauf an, ob die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt (vgl Pimmer in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 500 Rz 19).

2. Das Berufungsgericht hat gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO ausgesprochen, dass der Entscheidungsgegenstand 4.000 EUR nicht übersteigt, und dies insbesondere mit der „geringen Grundstücksfläche" begründet. Bei diesem Bewertungsausspruch durfte das Berufungsgericht den Wert - bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache - weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen. Wäre eine solche Fehlbewertung offenkundig, dann wäre der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (4 Ob 61/04f = EvBl 2004/180; 10 Ob 33/04g); ansonst ist der Bewertungsausspruch bindend und unanfechtbar (7 Ob 111/02b = MietSlg 54.582 mwN).

Eine derart offenkundige Fehlbewertung liegt hier nicht vor. Die von der Entscheidung betroffene Grundstücksteilfläche beträgt lediglich 0,3 m². Auch die Beklagte wendet sich in ihrer „außerordentlichen" Revision nicht gegen die Bewertung.

3. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings unabhängig davon an einen Bewertungsausspruch auch dann nicht gebunden, wenn dieser zwingende Bewertungsvorschriften verletzt. Darunter sind unter anderem Vorschriften gemeint, die den Wert des Entscheidungsgegenstands unter Ausschaltung richterlichen Ermessens mit einem bestimmten Betrag festlegen, so etwa mit dem Einheitswert nach § 60 Abs 2 JN (5 Ob 107/94 = EvBl 1995/114; RIS-Justiz RS0042315).

Nach dieser Bestimmung ist bei der Bewertung dann vorzugehen, wenn die Liegenschaft selbst streitverfangen ist, also das Streitinteresse ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt ist. Unerheblich ist dabei, auf welchen Rechtsgrund der Kläger sein Begehren stützt und aus welchen Gründen dieses Begehren bestritten wird; eine Einschränkung auf Klagen aus einem dinglichen Recht sieht § 60 Abs 2 JN nicht vor (Gitschthaler in Fasching, ZPO² [2000] § 60 JN Rz 33 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat daher § 60 Abs 2 JN unter anderem auf Klagen angewendet, bei denen es um auf fremdem Grund und Boden errichtete Gebäude (5 Ob 107/94) oder um die Feststellung des Grenzverlaufs zwischen zwei Grundstücken (7 Ob 111/02b) gegangen ist. Die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN könnte daher auch im vorliegenden Verfahren einschlägig sein; die Klägerin hat mit ihrem Kaminbau die Grenze zum Grundstück der Beklagten überschritten und dieses im Ausmaß von insgesamt 0,3 m² überbaut.

Allerdings ist es auch ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0046552), dass als Streitwert nicht der aliquote Anteil des Einheitswerts genommen werden kann, wenn nur ein Teil einer Liegenschaft streitverfangen ist. In solchen Fällen ist eine Bewertung vorzunehmen, die sich am gemeinen Wert der Liegenschaft bzw des streitverfangenen Liegenschaftsteils zu orientieren hat (7 Ob 111/02b; 1 Ob 50/04s = MietSlg 56.618); diese Bewertung hat das Berufungsgericht vorzunehmen (1 Ob 13/99i). Angesichts der Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht mit einem 4.000 EUR nicht übersteigenden Wert ist die „außerordentliche" Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte