OGH 4Ob61/04f

OGH4Ob61/04f30.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Harald H*****, 2. Christl H*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Markus C. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde B*****, vertreten durch den Bürgermeister Peter S*****, dieser vertreten durch Dr. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung eines Grenzverlaufs und Vermarkung (Gesamtstreitwert 21.801,85 EUR), über die "außerordentliche" Revision und den Revisionsrekurs sowie den Rekurs der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 13. Juni 2003, GZ 4 R 76/03p-41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Jänner 2003, GZ 41 Cg 272/01w-28, aufgehoben wurde, und gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2004, GZ 4 R 234/03y-62, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 6. August 2003, GZ 41 Cg 272/01w-43, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die "außerordentliche" Revision und der Revisionsrekurs sowie der Rekurs werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger begehren, den näher bezeichneten Grenzverlauf zwischen der in ihrem Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft und dem öffentlichen Gut festzustellen, und die Beklagte schuldig zu erkennen, der Vermarkung des Grenzverlaufs zuzustimmen. Eventualiter begehren die Kläger die Feststellung, dass der Grenzverlauf der Katastergrenze entspreche. Die Kläger bewerteten ihre Begehren in der Klage wie folgt "Feststellung eines Grenzverlaufs StrW RAT ATS 60.000, JN ATS 300.000, Zustimmung Vermarkung StrW RAT ATS 60.000, JN ATS 300.000, Gesamt ATS 120.000"; in ihrem Rechtsmittel geben sie den Streitwert wie folgt an: "Feststellung eines Grenzverlaufs Zustimmung Vermarkung StrW RAT je EUR 4.360,37, Gesamt EUR 8.720,74, StrW JN je EUR 21.801,85".

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren mit Urteil vom 23. Jänner 2003, ON 28, ab und gab dem Eventualbegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger mit Beschluss vom 13. Juni 2003, ON 41, Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, ohne auszusprechen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Mit Urteil vom 6. August 2003, ON 43, wies das Erstgericht das Hauptbegehren wiederum ab und gab dem Eventualbegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, bestätigte das Urteil in der Hauptsache, gab dem Kostenrekurs der Beklagten teilweise Folge, änderte das Urteil im Kostenpunkt ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR nicht übersteige und die Revision und der Revisionsrekurs (im Kostenpunkt) jedenfalls unzulässig seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom 13. Juni 2003, ON 41, sowie gegen das Urteil des Berufungsgerichts vom 6. Februar 2004, ON 62, richten sich die "außerordentliche" Revision und der Revisionsrekurs der Kläger. Beide Rechtsmittel sind jedenfalls unzulässig.

Die Kläger bekämpfen den Ausspruch des Berufungsgerichts, wonach der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR nicht übersteige. Sie verweisen darauf, dass sie ihr Begehren mit 21.801,85 EUR bewertet haben. Die Bewertung des Berufungsgerichts sei nicht nachvollziehbar und unvertretbar. Der Oberste Gerichtshof sei daran nicht gebunden.

Das Berufungsgericht hat bei der Bewertung eines nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstands § 54 Abs 2, § 55 Abs 1 bis 3, § 56 Abs 3, §§ 57, 58 und 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden (§ 500 Abs 3 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist dabei zwar nicht an die Bewertung durch den Kläger gebunden (4 Ob 214/98v = NZ 2000, 206), kann den Wert des Entscheidungsgegenstands aber auch nicht willkürlich festsetzen, sondern ihm steht, soweit die Bewertung nicht ohnehin zwingend vorgegeben ist, ein Ermessensspielraum offen, innerhalb dessen es den Wert des Entscheidungsgegenstands festzusetzen hat. Der Oberste Gerichtshof hat daher schon wiederholt ausgesprochen, dass angesichts der gesetzlichen Richtlinien für die Ausübung des Ermessens die Unanfechtbarkeit des Bewertungsausspruchs (§ 500 Abs 4 Satz 1 ZPO) und die Bindung des Obersten Gerichtshofs an diesen Ausspruch verfassungsrechtlich unbedenklich sind (7 Ob 649/81 = JBl 1982, 157 [Mayr]; 4 Ob 314/85 = ÖBl 1985, 166; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 500 Rz 3).

Da sich das Berufungsgericht bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands an die vom Gesetz vorgegebenen Richtlinien zu halten hat, kann, abgesehen von dem Fall, dass gar nicht zu bewerten gewesen wäre, der Bewertungsausspruch den Obersten Gerichtshof nicht binden, wenn das Berufungsgericht zwingende Bewertungsvorschriften verletzt hat (Kodek aaO ZPO² § 500 Rz 3 mwN). Das Berufungsgericht ist aber - wie oben dargelegt - selbst dann nicht völlig frei, wenn keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, das sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren hat. Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium (§ 60 JN; 4 Ob 314/85 = ÖBl 1985, 166). Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands - bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache - weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbewertung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (s 5 Ob 197/98a = MietSlg 50.776; 1 Ob 11/98v = MietSlg 50.681; 6 Ob 296/97t; vgl auch JBl 1976/497).

Den Klägern ist daher insoweit zuzustimmen, als auch bei einer offenkundigen Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht eine Bindung an den Bewertungsausspruch zu verneinen wäre. Eine solche offenkundige Unterbewertung ist aber nicht zu erkennen:

Das Berufungsgericht begründet seinen Bewertungsausspruch damit, dass bei der von den Klägern begehrten Feststellung des Grenzverlaufs und dessen Vermarkung nur ein sehr schmaler Grundstreifen strittig sei, der nur wenige Quadratmeter betrage. Die Kläger halten dem entgegen, die Beklagte habe in der vorprozessualen Korrespondenz die Abtretung eines Grundstreifens von 0,75 m auf eine Länge von 50 m erreichen wollen. Dieser Grundstreifen habe bei einem Grundpreis von 300 EUR/m² einen Wert von 11.250 EUR.

Dieser - rechnerisch richtig ermittelte - Wert kann unabhängig davon, ob es nur um wenige Quadratmeter geht oder ob eine Grundfläche von 37,5 m² strittig ist, nicht maßgebend sein, weil jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Grundpreise in der beklagten Gemeinde, die laut den Angaben auf ihrer Website 638 Einwohner hat, die selbst für Liegenschaften in kleineren und mittleren Städten beachtliche Höhe von 300 EUR je Quadratmeter erreichen. Die Kläger begründen die Preisangabe auch nicht weiter.

Bei dieser Sachlage kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass eine offenbare Fehlbewertung vorläge. Damit ist der Bewertungsausspruch aber für den Obersten Gerichtshof bindend und - wie das Berufungsgericht ohnehin ausgesprochen hat - die Revision gegen das Urteil jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Jedenfalls unzulässig ist auch ein Revisionsrekurs gegen die Kostenentscheidung (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) und ein "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) gegen den Aufhebungsbeschluss ON 41, weil ein Aufhebungsbeschluss nur dann mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof bekämpft werden kann, wenn das Gericht zweiter Instanz ausspricht, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Einen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss, der mit dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung im zweiten Rechtsgang zu erheben wäre, kennt die Zivilprozessordnung nicht.

Die Rechtsmittel der Kläger waren zurückzuweisen.

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