OGH 10Nc33/06v

OGH10Nc33/06v15.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Flora S*****, geboren am 18. Mai 1992, Schülerin, in Obsorge ihrer Mutter Anna L*****, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 28. August 2006, GZ 1 P 18/03p-U17, verfügte Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Graz wird genehmigt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die am 18. 5. 1992 geborene Flora S***** ist die uneheliche Tochter von Dr. med. vet. Alfred S***** und Anna L*****. Die Obsorge kommt der Mutter zu; in Unterhaltsangelegenheiten wird die Minderjährige vom Jugendwohlfahrtsträger (Land Salzburg, Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung) vertreten.

Mit Beschluss vom 16. 1. 2004, GZ 1 P 18/03p-34, hat das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg den vom Vater zu leistenden Unterhalt ab 1. 5. 2003 mit EUR 350 monatlich festgesetzt (ON U1). Am 30. 12. 2005 brachte der Jugendwohlfahrtsträger einen Antrag auf Erhöhung des Unterhalts auf EUR 500 ab 1. 11. 2005 ein (ON U1). Der selbständig erwerbstätige Vater hat sich gegen eine Unterhaltserhöhung ausgesprochen und verschiedene Unterlagen vorgelegt. Am 19. 7. 2006 wurde er im Rechtshilfeweg vom Bezirksgericht St. Johann im Pongau vernommen (ON U14). Das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg hat bislang keine unmittelbaren Beweisaufnahmen durchgeführt.

Im Sommer 2006 übersiedelte die Mutter mit ihrer Tochter nach Graz; dort besucht Flora S***** seit September 2006 die 4. Klasse eines Gymnasiums.

Mit Beschluss vom 28. August 2006 übertrug das Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache „gemäß § 44 JN" dem Bezirksgericht Graz, weil Flora S***** ihren ständigen Aufenthalt in Graz habe. Bisher seien nur mittelbare Erhebungen gepflogen worden, die keinesfalls zur Entscheidung ausreichten (ON U17). Der Übertragungsbeschluss wurde den Parteien zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. Das Bezirksgericht Graz lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache ab. Da im Unterhaltserhöhungsverfahren bereits der Vater gehört und eine Stellungnahme der Kindesvertretung eingeholt worden sei, erscheine eine Entscheidung über den Erhöhungsantrag durch das bisher zuständige Gericht zweckmäßiger.

Die Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Graz ist gerechtfertigt:

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Auch offene Anträge sind nach stRsp grundsätzlich kein Übertragungshindernis. Entscheidend ist immer das Wohl des Pflegebefohlenen, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu beurteilen ist (6 Nd 508/00 mwN; 3 Nc 6/06x; RIS-Justiz RS0047300). Der vom Bezirksgericht Graz gegen eine Übertragung der Zuständigkeit ins Treffen geführte Umstand, dass der Vater bereits (im Rechtshilfeweg) zum Unterhaltserhöhungsantrag gehört und eine Stellungnahme der Kindesvertretung eingeholt worden sei, spricht nicht gegen die Übertragung der Zuständigkeit, weil sich die Erhebungen im Unterhaltserhöhungsverfahren erst im Anfangsstadium befinden und § 111 JN in den Vordergrund stellt, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist (4 Ob 5/04w).

Stichworte