OGH 9ObA110/06a

OGH9ObA110/06a15.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ulrike-Simone V*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. L***** GmbH & Co KG, 2. t***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wegen Feststellung (Streitwert EUR 78.362,34) und EUR 11.339,45 brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. August 2006, GZ 13 Ra 41/06m-35, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Kriterien, die die ständige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen freiem und echtem Dienstvertrag aufgestellt hat, seiner Entscheidung zugrundegelegt (RIS-Justiz RS0021284, RS0021518 ua). Für die Qualifikation als freier oder echter Dienstvertrag kommt es dabei nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien an. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen (RIS-Justiz RS00111914 ua). Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle vorliegen und können auch in unterschiedlicher Ausprägung bestehen. Regelmäßige dauernde Dienstleistung steht für sich genommen der Annahme eines freien Dienstvertrags nicht entgegen (9 ObA 54/97z, SZ 70/52 = DRdA 1998/3 [Mazal] ua). Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und der Bedeutung nach bei Anstellung einer Gesamtbetrachtung überwiegen (RIS-Justiz RS0021284 ua). Dies ist aber regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (9 ObA 53/04s; 9 ObA 116/05g; 9 ObA 96/06t; RIS-Justiz RS0111914 ua).

Die Revisionswerberin stützt die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision darauf, dass das Berufungsgericht von der „ständigen Rechtsprechung" des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Konkret zitiert sie nur zwei (ältere) Entscheidungen, die jedoch keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts belegen, sondern ebenfalls nur die Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls unterstreichen. So gelangte der Oberste Gerichtshof in der von der Revisionswerberin angesprochenen Entscheidung 4 Ob 81/78 zu keiner abschließenden Beurteilung der Frage, ob ein echter oder ein freier Dienstvertrag (oder ein Werkvertrag) vorliegt. Es erfolgte deshalb eine (teilweise) Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht insbesondere zur Klärung der Frage, ob der dort klagende Kraftfahrer verpflichtet gewesen sei, ihm angebotene Fahrten durchzuführen - was für ein echtes Dienstverhältnis sprechen würde - oder ob er die Fahrten auch ohne Angabe von Gründen jederzeit ausschlagen konnte. Dieses Thema wurde im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht dahin geklärt, dass die Klägerin gemäß Pkt II. der „Vereinbarung über eine Zusammenarbeit mit einem freien Journalisten" vom 1. 4. 2001 nicht verpflichtet war, einzelne Aufträge der Erstbeklagten anzunehmen. Auch die Nichtteilnahme an Redaktionssitzungen unterlag laut Feststellung des Erstgerichts keinen „wie immer gearteten Auswirkungen oder Sanktionen". Ob von einem Recht, Leistungen nicht zu erbringen, aus Interesse am Verdienst nicht Gebrauch gemacht wurde, ist nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0021518 ua).

In der zweiten von der Revisionswerberin genannten Entscheidung 4 Ob 104/80 (SZ 54/75 = ZAS 1982/1 [Tomandl] = DRdA 1982/9 [Strasser] = Schrammel, JBl 1982, 449] gelangte der Oberste Gerichtshof nach Gegenüberstellung und Abwägung der Voraussetzungen eines echten und eines freien Dienstvertrags zum Ergebnis, dass bei der Tätigkeit der dort klagenden Mitarbeiterin - betrachtet man die Feststellungen der Vorinstanzen „in ihrer Gesamtheit" - jene Umstände überwogen, die für eine Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit und damit für ein echtes Dienstverhältnis sprachen. Die Bezugnahme der Revisionswerberin auf diese Entscheidung belegt jedoch keine unvertretbare Beurteilung der Stellung der Klägerin durch das Berufungsgericht, sondern unterstreicht nur, dass es zutreffend von der Frage ausging, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit der Klägerin ihrem Gewicht und der Bedeutung nach bei Anstellung einer Gesamtbetrachtung überwiegen. Von der Revisionswerberin wird auch dann keine erhebliche, über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehende Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, wenn sie - von der gebotenen Gesamtbetrachtung abgehend - nur einzelne, vermeintlich für ihren Standpunkt sprechende Aspekte herausgreift (zB Umfang der Tätigkeit oder Abtretung der Verwertungsrechte). Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das ursprüngliche Angestelltenverhältnis der Klägerin Ende März 2001 einvernehmlich aufgelöst. Die Behauptung der Revisionswerberin, sie habe „lediglich einen neuen Vertrag unterfertigt" entfernt sich von der bindenden Tatsachengrundlage, soweit sie damit dartun will, dass es gar keine Auflösung des Angestelltenverhältnisses gegeben habe. Die weitere Annahme der Revisionswerberin, das neue Vertragsverhältnis wäre nur unter unzulässigem Druck zustandegekommen, wird von den getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht getragen; das Fehlen einer wirksamen Vertragsbeziehung zwischen den Parteien würde die Prozesslage der Klägerin im Übrigen auch nicht verbessern. Die Behauptung, mit der Unterfertigung des Vertrags als freie Redakteurin habe sich für die Klägerin „nichts geändert", entfernt sich wiederum von den festgestellten Vertragsinhalten und negiert die von den Vorinstanzen herausgearbeiteten Unterschiede. Ihrer These, die neue Vertragsbeziehung hätte der vorherigen Änderungskündigung bedurft, widerspricht die Revisionswerberin gleich selbst wieder, indem sie meint, dass „nicht einmal" eine Änderungskündigung eine Umstellung bewirkt hätte. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist auch dabei nicht erkennbar. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

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