OGH 15Os107/06h

OGH15Os107/06h9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andrea S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom 29. Juni 2006, GZ 12 Hv 41/06k-41, weiters über die Beschwerde der Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde Andrea S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 3. Juli 2005 in Wels „durch Verbringung des Oskar St***** zum Tatort nach vorheriger Absprache mit dem bislang unbekannten unmittelbaren Täter dazu beigetragen, dass dieser Täter dem Oskar St***** mehrere Messerstiche im Bereich des Halses sowie des Schambeines versetzte, sohin mit Gewalt gegen eine Person mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldtasche mit circa 120 Euro Bargeld wegnahm, wobei Oskar St***** durch die ausgeübte Gewalt schwer in Form von Stichwunden im Bereich des linken Unterbauches sowie im Bereich des linken Schlüsselbeines und Halses und einer Schnittwunde im Bereich der Zunge links sowie einer Blutung an der Hirnoberfläche, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, verletzt und der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde."

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a, 11 lit a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit der Behauptung, die Angaben der Zeugin Brigitte P***** seien, insbesondere hinsichtlich der Zeitangaben, widersprüchlich und unschlüssig, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken, zumal die genannte Zeugin im Zuge ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung angab, ein „zeitloser Mensch" zu sein und die Zeit nicht näher angeben zu können (S 385). Soweit sich die Beschwerde auf die Angaben der Genannten stützt, wonach diese „eher geglaubt" habe, dass Oskar St***** die Angeklagte „abschleppt" (S 385), vernachlässigt sie zum einen die weiteren Depositionen dieser Zeugin, auch geglaubt zu haben „dass er von ihr abgeschleppt wird" (S 383), und argumentiert zum anderen nicht mit sinnlichen Wahrnehmungen, die allein Gegenstand des Zeugenbeweises sein können, sondern mit unbeachtlichen Schlussfolgerungen und Meinungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352, 435; Danek, WK-StPO § 255 Rz 26; 11 Os 40/03, 15 Os 32/06d). Warum aus dem Umstand, dass die Angeklagte einmal das Lokal verlassen habe, nicht der Schluss gezogen werden dürfe, sie habe sich in diesem Zeitraum mit dem unbekannten unmittelbaren Täter abgesprochen, und warum aus der Aussage, sie habe in die auf einem Biertisch offen präsentierte Geldtasche geblickt, keine Schlüsse auf ihre spätere Beteiligung am Raub zulässig seien, vermag die Beschwerde nicht darzutun.

Soweit die Tatsachenrüge auf ihrer Meinung nach zahlreiche weitere Möglichkeiten verweist, wie Blutspuren des Oskar St***** auf das T-Shirt der Angeklagten gekommen sein können, vernachlässigt sie, dass nicht einmal die Angeklagte eine dieser Varianten behauptet hat (vgl S 349). Der Beschwerde zuwider hat auch der Zeuge St***** etwaige Verletzungen „fast sicher" ausgeschlossen (S 358 f). Der Beschwerdebehauptung, die Angeklagte habe sich zum Tatzeitpunkt in keiner schlechten finanziellen Situation befunden, zumal sie für das Eingehen einer Scheinehe im Juni 2005 3.000 Euro erhalten habe und auch im Juli 2005 hievon noch etwas übrig gewesen sei, zuwider hat die Angeklagte selbst ausgesagt, im Juli sei „schon fast alles weg" gewesen und sie habe das Geld „für Gewand und für Schuhe ausgegeben" (S 352). Im Übrigen werden Vermögensdelikte nicht nur aus Geldnot begangen.

Insofern die Beschwerde bemängelt, dass die Geschworenen der Aussage des Zeugen Sch***** keine Glaubwürdigkeit zuerkannt haben, wohl aber jener der Zeugin P*****, kritisiert sie den in der Hauptverhandlung von den Laienrichtern gewonnenen persönlichen Eindruck, der als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist. Auch mit ihrer Berufung auf den Zweifelsgrundsatz argumentiert die Beschwerde bloß in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Die gesetzeskonforme Ausführung einer Tatsachenrüge darf sich nicht auf bloße Hypothesen und Spekulationen als Antithese zu den Erwägungen der Tatrichter beschränken, sondern muss aus den Akten - somit unter Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse und im Kontext mit der Gesamtheit der Beweiswürdigung - abgeleitet sein (vgl RIS-Justiz RS0117446). Der Versuch der Beschwerde, durch die aus dem Zusammenhang gelöste Darstellung einzelner Details erhebliche Bedenken beim Obersten Gerichtshof zu wecken, verfehlt sohin sein Ziel.

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) behauptet, der festgestellte Sachverhalt erfülle mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht den Tatbestand des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB. Beitragstäter beim Raub könne nur sein, wer vom deliktsspezifischen Vorsatz getragene Beitragshandlungen setze, und ein Beitragstäter hafte nur soweit, als sein Vorsatz sich auch auf die qualifizierenden Merkmale erstrecke. Als Beitragstäter zum Raub sei daher nur strafbar, wer mit dem zumindest bedingten Vorsatz handle, sich selbst oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, weshalb das bloße allfällige Verbringen des Tatopfers zum Tatort nach vorheriger Absprache mit dem bislang unbekannten unmittelbaren Täter für sich allein jedenfalls kein strafbares Verhalten darstelle. Dabei leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab, warum ihrer Ansicht nach die Bezeichnung der Unrechtsform des Vorsatzes auch bei jenen Tatbeständen (für die keine besondere Form des Vorsatzes [Absicht oder Wissentlichkeit] verlangt wird und deren fahrlässige Begehung straffrei ist) nötig sei, in deren Beschreibung der Gesetzgeber dessen Anführung unterließ (vgl § 7 Abs 1 StGB). Ebenso wenig argumentiert sie, warum dem Wahrspruch für eine Beteiligung nach § 12 dritter Fall StGB zu einem Delikt, für das schlichter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genügt, gesonderte Konstatierungen „zur Schuldform" zu entnehmen sein müssten.

Im Übrigen wird der Vorsatz des Beteiligten nach § 12 dritter Fall StGB an einer strafbaren Handlung, für die schlichter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genügt, vom Gesetz ebenso subintelligiert (vgl 11 Os 4/88) wie der Vorsatz bei einem Delikt, für das auf subjektiver Tatseite keine besondere Form des Vorsatzes (Absicht oder Wissentlichkeit) verlangt wird und dessen fahrlässige Begehung straffrei ist, wobei die Geschworenen im Rahmen der Rechtsbelehrung - wie hier erfolgt (S 10, 16 der Rechtsbelehrung) - über die subintelligierte Unrechtsform zu unterrichten sind (vgl Schindler, WK-StPO § 312 Rz 60 ff, RIS-Justiz RS0089093).

Die Strafzumessungsrüge (Z 13) bestreitet, dass die Angeklagte schuldhaft gehandelt habe, und behauptet, dass somit bereits grundsätzlich die Verhängung einer Strafe ausscheide. Sie orientiert sich damit prozessordnungswidrig nicht am vorliegenden Schuldspruch. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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