OGH 3Ob173/06x

OGH3Ob173/06x19.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Alois B*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 12 Cg 58/01d des Landesgerichts Salzburg (Streitwert 216.354 EUR s.A.), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. Juni 2006, GZ 2 R 104/06m-11, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 31. März 2006, GZ 12 Cg 90/05s-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, mit dem dieses die am 18. Mai 2005 eingebrachte Klage auf Wiederaufnahme eines streitigen Verfahrens zurückgewiesen hatte, mit der das Hervorkommen neuer Tatsachen (Baumängel) durch einen Bescheid behauptet wurde. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts war Gegenstand der gemäß § 17 Sbg Baupolizeigesetz am 7. und am 10. April 2003 durchgeführten Überprüfungen der von der wiederaufnahmsklagenden Partei erbauten Wohnanlage ihre Bauvollendungsanzeige vom 22. November 2000. Sie war bei beiden Verhandlungsterminen vertreten. In dieser Verhandlung erstatteten der bautechnische sowie der elektro- und maschinentechnische Amtssachverständige Befund und Gutachten, worin sie weitere Nachweise über die mängelfreie Ausführungen bzw. die Behebung bestimmter festgestellter Mängel forderten. Dabei hielten sie fest, welche der drei konkret festgestellten Mängel der wiederaufnahmsbeklagten Partei zuzuordnen seien bzw. in deren Aufgabenbereich fielen.

Mit Schreiben der Baubehörde an die wiederaufnahmsklagende Partei vom 21. Jänner 2004 sendete ihr diese die Verhandlungsschriften vom 7. und 10. April 2003 und wies nochmals auf die notwendigen Mängelbehebungen hin. Mit Bescheid derselben vom 19. April 2005, der an den Klagevertreter am 21. April 2005 zugestellt wurde, trug sie ihr auf, zur Behebung der festgestellten Mängel bestimmte Maßnahmen vorzunehmen und verwies auf die von den Amtssachverständigen anlässlich der Verhandlung am 7. und am 10. April 2003 angeführten Mängel.

Die Rechtsmittelwerberin kann das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht darstellen.

Rechtliche Beurteilung

Nach stRsp des Obersten Gerichtshofs berechtigen zur Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine für die Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (RIS-Justiz RS0044676). Dabei müssen zwar die neuen Tatsachen bereits im Hauptprozess vorhanden gewesen sein (RIS-Justiz RS0044437), nicht aber auch die neuen Beweismittel (RIS-Justiz RS0044441).

Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage angefochtenen Urteils zu beseitigen (RIS-Justiz RS0039991). Die Klage ist binnen der Notfrist von vier Wochen zu erheben, wobei diese im Falle des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von dem Tage an läuft, an welchem die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Vor Ergehen (exakter: Zustellung) einer für den Wiederaufnahmskläger ungünstigen Entscheidung kann aber diese Frist nicht zu laufen beginnen (Jelinek in Fasching² § 534 ZPO Rz 30; E. Kodek in Rechberger² § 534 ZPO Rz 4, je mwN).

Die wiederaufnahmsklagende Partei vermag nicht schlüssig darzulegen, weshalb die Auffassung der zweiten Instanz, der Bescheid der Baubehörde vom 19. April 2005 stelle kein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar, wenn überhaupt kämen neue, nach Schluss der Verhandlung im Hauptprozess hervorgekommene Tatsachen als Wiederaufnahmsgrund in Betracht, unrichtig sein solle. Selbst wenn die Anwesenheit eines informierten Vertreters bei den Verhandlungsterminen nicht als fristauslösend anzusehen wäre, was schon deshalb nicht richtig sein kann, weil sie selbst die mündlichen Gutachten zum Anlass der Mängelrüge vom 30. April 2003 machte, lässt sie gänzlich den Umstand außer Acht, dass ihr die Verhandlungsschriften bereits mit Schreiben vom 21. Jänner 2004 (etwa zeitgleich mit dem bekämpften Urteil erster Instanz) zugestellt wurden. Sie behauptet auch gar nicht konkret, weshalb sie ohne den in diesem Zusammenhang keine konstitutive Wirkung entfaltenden Bescheid nicht in der Lage gewesen wäre, die Mängel gegenüber der Wiederaufnahmsbeklagten geltend zu machen. Schließlich reagierte sie auf das Schreiben der Baubehörde vom 21. Jänner 2004 mit einer Aufforderung an jene vom 4. März 2004. Dass somit die Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage (spätestens an diesem Tag, somit) weit mehr als vier Wochen vor deren tatsächlicher Einbringung begonnen hatte, ist demnach nicht als Fehlbeurteilung der zweiten Instanz zu erkennen.

Mag auch der Oberste Gerichtshof - wie von der wiederaufnahmsklagenden Partei ausgeführt - ausgesprochen haben, die bloße Kenntnis von dem Vorhandensein einer Urkunde, die allenfalls zugunsten des eigenen Standpunkts sprechen könnte, verpflichte noch nicht bei sonstiger Verfristung zur Erhebung eine Wiederaufnahmsklage, die Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO nehme erst dann ihren Anfang, wenn der Wiederaufnahmskläger die neuen Beweismittel soweit kenne, dass er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren auch prüfen könne (8 ObA 28/04g ua), vermag sie bezogen auf den vorliegenden Fall nicht darzulegen, weshalb diese Voraussetzungen hier vorliegen sollten. Schließlich wurden ihr die Verhandlungsschriften und damit auch deren Inhalt tatsächlich unbestritten zur Kenntnis gebracht.

In der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung 9 ObA 235/91 (= SZ

64/172 = EvBl 1992/95 = Arb 10.998 = DRdA 1992, 383) sprach der

Oberste Gerichtshof (in Ansehung einer gerichtlichen Zeugenaussage) sogar aus, dass die Frist für die Erhebung der Wiederaufnahmsklage nicht erst mit der Zustellung des Verhandlungsprotokolls an den Vertreter zu laufen beginne. Dadurch, dass der vollständige Inhalt der Aussage des Beklagten bereits bei der Verhandlung festgestanden sei, wäre die die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrende Partei in der Lage gewesen, die vorgebrachten Umstände klageweise geltend zu machen. Auch diese Entscheidung spricht somit keineswegs für den Standpunkt der wiederaufnahmsklagenden Partei.

Die Entscheidung des Rekursgerichts steht daher mit der einheitlichen Rsp des Obersten Gerichtshofs in Einklang, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

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