OGH 9Ob72/06p

OGH9Ob72/06p18.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian Z*****, Unternehmer, *****, vertreten durch die Rechtsanwälte Steflitsch OEG in Oberwart, gegen die beklagte Partei Dr. Gert A*****, Tierarzt, *****, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.829,61 sA und Feststellung (Streitwert EUR 4.500), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 19. April 2006, GZ 17 R 7/06k-47, womit das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 12. Oktober 2005, GZ 2 C 1934/03w-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass der Frage, ob die Rechtsprechung, dass der Tiereigentümer bei der tierärztlichen Behandlung seines Tiers Anspruch auf die Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden Maßnahmen habe (2 Ob 281/04v), im Zusammenhang mit § 18 TierärzteG auch für die Nachbetreuung/Nachkontrolle von in Tierkliniken operierten Tieren gelte, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen ein Berufungsurteil ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine in diesem Sinn erhebliche Frage ist beim vorliegenden Fall nicht zu lösen. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Der beklagte Tierarzt kastrierte im August 2003 über Auftrag des Klägers dessen dreijährigen Hengst „Smart Koksa" (American Quarter Horse) nach der Methode „Kastration mit anschließendem Verschluss der Kastrationswunde". Bei dieser Operationsmethode ist das Operationsrisiko gegenüber anderen Methoden deutlich reduziert. Die Operation wurde vom Beklagten fachgerecht durchgeführt und legte er hierüber auch Aufzeichnungen an; Komplikationen gab es keine. Danach blieb das Pferd noch zwei Tage in der Klinik des Beklagten. Im Anschluss daran wurde es in seinen angestammten Trainingsstall zurückgebracht und dort wieder unter die Aufsicht des ständigen tiermedizinischen Betreuers des Stalls, Tierarzt Mag. Franz R*****, gestellt. In der weiteren Folge traten beim Pferd im Bereich der Operationsnarbe Beschwerden auf, die zunächst einen Eingriff durch Mag. R***** (Aufschneiden der Schwellung) und schließlich eine neue Operation in einer anderen Klinik nach sich zogen.

Richtig ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines Tiers beim Tierbehandlungsvertrag Anspruch auf die Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden Maßnahmen hat. Der Tierarzt haftet, wenn die von ihm gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt (2 Ob 281/04v ua). Gebietet dieser Standard eine Nachbetreuung/Nachkontrolle, dann ist auch diese - sofern nichts Abweichendes vereinbart ist - mitumfasst (§ 21 Abs 2 TierärzteG). Ob der anerkannte tiermedizinische Standard im Fall der Kastration eines Pferds nach der vorerwähnten Methode schon routinemäßig eine tierärztliche Nachbetreuung/Nachkontrolle gebietet, kann dahingestellt bleiben; sie erfolgte ohnehin. Der Kläger stützte sein Schadenersatzbegehren in der Klage primär darauf, dass der Beklagte die gegenständliche Kastration mangelhaft durchgeführt habe. Diese Behauptung wurde durch das Beweisverfahren widerlegt. Wie bereits ausgeführt, wurde die Operation vom Beklagten fachgerecht und ohne Komplikationen durchgeführt. Dies offenbar gegen Ende des Verfahrens erster Instanz selbst erkennend führte der Kläger schließlich aus, dass der Beklagte „auch" seine Verpflichtung zur Nachkontrolle als Operateur verletzt habe. Dieser Ansatz geht am festgestellten Sachverhalt vorbei. Wie bereits ausgeführt, blieb das Pferd des Klägers im Anschluss an die Operation noch zwei Tage in der Obhut des Beklagten. Erst danach wurde es - Komplikationen gab es zu diesem Zeitpunkt keine - wieder in den Trainingsstall zurückgebracht und dort unter die Aufsicht des mit der Betreuung des Stalls ständig betrauten Tierarztes gestellt. Worin hier ein Pflichtenverstoß des Beklagten liegen soll, ist nach der Lage des Falls nicht erkennbar. Dass die Nachkontrolle durch einen anderen Tierarzt im vorliegenden Fall nur bei Vorhandensein einer ausführlichen Dokumentation der Operation zulässig bzw sinnvoll gewesen wäre, wurde vom Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht. Da die gegenständliche Operation ohne Komplikationen ablief, ist auch nicht nachvollziehbar, welchen Nutzen eine „ausführliche Dokumentation" für einen anderen Tierarzt haben hätte können. Der Kläger berief sich in erster Instanz auf das Thema „Dokumentationspflicht" auch nur deshalb, um seinen Vorwurf, die Operation des Beklagten wäre mangelhaft gewesen, zu untermauern. Dieser Vorwurf wurde allerdings widerlegt; Beweislastfragen stellen sich daher schon aus diesem Grund nicht. Dass die Rückstellung des Pferds in den Stall und die Nachkontrolle durch den Tierarzt Mag. R***** ohne Zustimmung des Klägers erfolgt wären, wurde vom Kläger nicht geltend gemacht. Die Behauptung, dieser Tierarzt wäre zur Nachkontrolle „nicht geeignet" gewesen, weil er „derartige Eingriffe" nicht vornehme, geht am festgestellten Sachverhalt vorbei, wonach Mag. R***** tatsächlich die Nachbetreuung/Nachkontrolle vornahm. Weshalb im Übrigen dem Beklagten die (angebliche) mangelnde Eignung eines anderen Tierarztes zum Vorwurf gereichen sollte, wurde nicht näher substanziiert. Für die Behauptung, der Beklagte hätte die aufgetretenen Beschwerden früher erkennen können, wenn er die Nachkontrolle selbst durchgeführt hätte, bot der Kläger ebenfalls keine Beweise an. Er behauptete auch nicht, dass der Aufwand, dessen Ersatz er mit der vorliegenden Klage vom Beklagten begehrt, bei der Nachkontrolle durch den Beklagten nicht aufgetreten wäre.

Der vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene Zusammenhang mit § 18 TierärzteG, BGBl 1975/16, stellt sich nicht. Diese Bestimmung verpflichtet die Österreichische Tierärztekammer, eine Honorarordnung für tierärztliche Leistungen zu erstellen, und trifft noch einige weitere darauf Bezug habende Regelungen. Honorarfragen sind aber zwischen den Parteien nicht strittig. Auf die dem Berufungsgericht dabei vorschwebende Überlegung, dass eine persönliche Nachbetreuung/Nachkontrolle durch den Operateur hier schon deshalb ausscheide, weil dessen Fahrt zum 80 km entfernten Standort des Pferds mehr gekostet hätte als die Operation selbst, kommt es nach der Lage des Falls nicht an. Die Nachbetreuung/Nachkontrolle erfolgte ohnehin durch einen anderen Tierarzt am Standort des Pferds. Ein „Hausbesuch" des Beklagten war nicht vereinbart; der Kläger brachte das Pferd auch nicht nochmals in die Klinik des Beklagten. Im Übrigen könnte die Auslegungsfrage, welcher Leistungsumfang zwischen Tiereigentümer und Tierarzt - allenfalls auch konkludent - vereinbart wurde, zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit ohnehin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (vgl RIS-Justiz RS0044298 ua).

Zusammenfassend hängt die Entscheidung des Falls nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision des Klägers ist daher ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).

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