Spruch:
1. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der fünftbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.503,54 EUR (darin 250,59 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
2. Der Rekurs der erst- bis viertbeklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand 20.081,70 EUR sA sowie die Feststellung deren Haftung für künftige Schäden aus einem Unfall. Die Beklagten erstatteten (auftragsgemäß und rechtzeitig) Klagebeantwortungen, in welchen sie das Klagebegehren bestritten und Klagsabweisung beantragten. Das Erstgericht beraumte für den 23. 11. 2005 eine vorbereitende Tagsatzung an; diese wurde vom Kläger versäumt. Das Erstgericht fällte daraufhin über Antrag der erschienenen Beklagten ein Versäumungsurteil „im klagsabweisenden Sinn samt Kostenzuspruch" und verpflichtete den Kläger, den erst- bis viertbeklagten Parteien EUR 3.384,94 und dem Fünftbeklagten EUR 4.598,56 an Prozesskosten zu ersetzen.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Klägers wegen Nichtigkeit und gab ihr im Übrigen in der Hauptsache nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Berufungsbeantwortungen der Beklagten wies das Berufungsgericht als verspätet zurück.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers, gegen die Zurückweisung ihrer Berufungsbeantwortung wendet sich der Rekurs der erst- bis viertbeklagten Parteien.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt. Nach § 396 Abs 2 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 2002 ist auf Antrag der erschienenen Partei ein Versäumungsurteil nach § 396 Abs 1 ZPO zu fällen, wenn eine der Parteien nach rechtzeitig erstatteter Klagebeantwortung oder nach rechtzeitigem Einspruch von einer Tagsatzung ausbleibt, bevor sie sich durch mündliches Vorbringen zur Hauptsache in den Streit eingelassen hat. § 396 ZPO enthält die Kernregelung des „neuen", ausschließlich „echten" Versäumungsurteils und entstammt im wesentlichen einer Verschmelzung der vor der Zivilverfahrensnovelle 2002 geltenden §§ 396, 398 und 442 ZPO. Explizit sollte mit der ZVN 2002 das Versäumungsurteil auch auf den Fall ausgedehnt werden, dass der Kläger oder der Beklagte nach Klage und Klagebeantwortung zur vorbereitenden mündlichen Streitverhandlung nicht erscheint. Dogmatisch wurde dies damit begründet, dass das einleitende schriftliche Vorbringen einer Partei - im Einklang mit dem Mündlichkeitsgrundsatz - erst dann Berücksichtigung finden könne, wenn es in der mündlichen Verhandlung von der Partei auch vorgetragen wurde. Erscheine eine Partei zu dieser Verhandlung nicht, so gebe sie damit zu verstehen, dass sie an ihrem - schriftlich eingebrachten - Urteilsbegehren nicht mehr interessiert sei. Das auf den Gegenstand des Rechtsstreits bezügliche tatsächliche Vorbringen des Gegners könne daher für wahr gehalten werden, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt sei (§ 396 Abs 1 Satz 2 ZPO; 962 BlgNR 21. GP, 38 f; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 III § 396 ZPO Rz 2).
Die Revision hält an dem Standpunkt fest, trotz Säumnis des Klägers hätten die Beklagten wegen des Grundsatzes der Mündlichkeit in der vorbereitenden Tagsatzung neben dem Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils das in der Klagebeantwortung bereits schriftlich erstattete Bestreitungsvorbringen vortragen und den Antrag auf Klagsabweisung mündlich wiederholen müssen.
Diese Meinung wurde in der Literatur abgelehnt. Deixler-Hübner (in Fasching/Konecny aaO § 396 ZPO Rz 15) geht davon aus, dass ein vom Beklagten gestellter Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils gegen den nicht erschienenen Kläger einen Antrag auf Klagsabweisung impliziere. Fasching (Lehrbuch2 Rz 1400) bezeichnet es - wenngleich zur Rechtslage vor der ZVN 2002 - gar als „zweifellos bloßen Formalismus", wenn man neben dem Antrag des Beklagten auf Fällung eines Versäumungsurteils auch dessen ausdrücklichen Antrag auf Klagsabweisung forderte; nur dann, wenn der Beklagte das Tatsachenvorbringen des Klägers ausdrücklich zugestehen sollte und das zugestandene Vorbringen auch rechtlich schlüssig wäre, müsste ein gegen den erschienenen Beklagten gerichtetes stattgebendes Versäumungsurteil gefällt werden.
Auch nach der Ansicht des erkennenden Senats liegt hier kein Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit vor. Der Zweck der mündlichen Verhandlung liegt zu Beginn des Rechtsstreits vor allem in der Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung, um durch mündliche Erörterung des bisher schriftlich erstatteten Sach- und Rechtsvorbringens mit beiden Parteien die wirklichen Streitpunkte und damit auch die Voraussetzungen für einen Vergleich oder das Prozessprogramm herauszuarbeiten (Schragel in Fasching/Konecny2 II/2 § 176 ZPO Rz 3). Dies erübrigt sich im Fall der Säumnis des Klägers nach rechtzeitig erstatteter Klagebeantwortung, da dessen Säumnis bewirkt, dass das Sachvorbringen der erschienenen Beklagten für wahr zu halten ist. Wenn eine Entscheidung über kontroversielle Standpunkte der Parteien nicht mehr zu treffen ist, bedarf es weder eines mündlichen Vortrags des eigenen Standpunkts, noch detaillierter mündlicher Anträge, sofern sich aus einem ohnehin mündlich gestellten Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils klar und eindeutig ergibt, dass das schriftlich erstattete Vorbringen sowie die schriftlichen Anträge aufrecht erhalten werden. So kann ja auch ein Versäumungsurteil ohne jegliche mündliche Verhandlung ergehen, nämlich über Antrag des Klägers nach Versäumung der Klagebeantwortungsfrist. Schon vor der ZVN 2002 galt nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht insofern nicht, als Sondernormen - wie z.B. die §§ 399 und 442 ZPO idF vor der ZVN 2002 - bestanden (RIS-Justiz RS0036700). Auch § 396 ZPO idF der ZVN 2002 ist als „Sondernorm" anzusehen, die den Grundsatz der Mündlichkeit einschränkt. Die Bestimmung des § 176 1. Satz ZPO, wonach die Parteien vor dem erkennenden Gericht über den Rechtsstreit mündlich verhandeln, hat zur Voraussetzung, dass sich beide Parteien in der vom Gesetz vorgesehenen Weise am Rechtsstreit beteiligen, indem sie oder ihre Vertreter vor dem erkennenden Gericht erscheinen (Schragel aaO, Rz 7). Entgegen der Meinung des Revisionswerbers ist die durch § 396 ZPO bewirkte Einschränkung des Grundsatzes der Mündlichkeit nicht lediglich auf die ausgebliebene, sondern im oben aufgezeigten Sinn auch auf die erschienene Partei zu beziehen. Das Unterbleiben des mündlichen Vortrags der Klagebeantwortung durch die erschienenen Beklagten konnte daher die Erlassung des beantragten Versäumungsurteils nicht hindern.
Die vom Revisionswerber angeführte Entscheidung JBl 1972, 326 betrifft ein „negatives Versäumungsurteil" nach Erhebung eines Widerspruchs gegen einen im Mahnverfahren ergangenen bedingten Zahlungsbefehl. Dieser Fall ist aber insofern anders gelagert, als der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausführte, ohne jegliche Tatsachenbehauptungen bzw ohne (zumindest unsubstantiiertes) Bestreitungsvorbringen bleibe unklar, welche Tatsachenbehauptungen für wahr gehalten werden könnten, sodass die Erlassung eines Versäumungsurteils unmöglich und der darauf gerichtete Antrag abzuweisen sei. Im vorliegenden Fall reichen infolge Erstattung der Klagbeantwortungen, die ein Tatsachensubstrat enthalten, die Verfahrensgrundlagen zur Erlassung eines Versäumungsurteils aber aus. Aus der vom Kläger weiters zitierten Entscheidung SZ 40/89 ergibt sich lediglich, dass die dort beklagte Partei mit der Erklärung, den Klageanspruch zu bestreiten, die Klageangaben als unwahr bestritten und damit „tatsächliches Vorbringen" erstattet habe, weshalb die Erlassung eines (negativen) Versäumungsurteils zulässig gewesen sei. Die hier entscheidungswesentliche Problematik wurde dort nicht behandelt.
Die Revision des Klägers erweist sich demnach als nicht berechtigt. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Dass dem Fünftbeklagten kein Streitgenossenzuschlag gebührt, hat bereits das Berufungsgericht richtig dargelegt.
2. Der Rekurs der erst- bis viertbeklagten Parteien ist nicht zulässig.
An sich ist der Rekurs gegen die Zurückweisung einer Berufungsbeantwortung aus Gründen der Gleichbehandlung der Parteien analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 519; RIS-Justiz RS0117039). Dies setzt aber voraus, dass der Rekurswerber durch die Zurückweisung der Berufungsbeantwortung beschwert ist. Im vorliegenden Fall sind die Beklagten im Verfahren siegreich geblieben, sodass es ihnen an einer Beschwer mangelt. Das in der Hauptsache fehlende Anfechtungsinteresse kann auch nicht durch das Interesse an der Beseitigung der für sich allein unanfechtbaren Kostenentscheidung der zweiten Instanz ersetzt werden (1 Ob 625/91; vgl 10 Ob 5/06t).
Der Rekurs ist demnach zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über den eventualiter gestellten Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Berufungsbeantwortungsfrist ist der Oberste Gerichtshof nicht zuständig (Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 Rz 9 zu § 149 ZPO mwN).
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