OGH 15Os96/06s

OGH15Os96/06s5.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Oktober 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen John O***** wegen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Juni 2006, GZ 44 Hv 67/06b-44, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde John O***** des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, § 15 StGB und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt. Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt und in Verkehr zu setzen versucht, „indem er

A) in der Zeit von etwa Weihnachten 2004 bis etwa Mitte 2005 und im Herbst 2005 insgesamt etwa 20 g Heroin und etwa 20 g Kokain sowie im September 2005 80 g Heroin und ca 66 g Kokain an den abgesondert verfolgten Milan B***** verkaufte;

B) in der Zeit von etwa März 2005 bis etwa Jänner 2006 insgesamt etwa

15 g Heroin und etwa 15 g Kokain an den abgesondert verfolgten Tomas B***** verkaufte;

C) in der Zeit von etwa September 2005 bis etwa Anfang Februar 2006

insgesamt 8 g Heroin und etwa 8 g Kokain an den abgesondert verfolgten Stefan B***** verkaufte;

D) Ende Jänner 2006 und Ende Februar 2006 insgesamt etwa 1,5 g Kokain

und etwa 0,5 g Heroin an den abgesondert verfolgten Herbert R***** verkaufte;

E) am 2. März 2006 2,9 g Kokain netto mit einer Reinsubstanz von 0,41

+/- 0,01 g Heroin-Base und etwa 0,01 g Monoacetylmorphin zum Zwecke des Weiterverkaufes an die abgesondert verfolgten Tomas und Stefan B***** bereithielt;

F) seit Ende 2004 bis März 2006 Suchtgift, nämlich Heroin und Kokain

den bestehenden Vorschriften zuwider erworben und besessen."

Der dagegen von John O***** aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde kommt aus dem zweitgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht reklamiert die Subsumtionsrüge (Z 10) Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Vorliegen einer großen Suchtgiftmenge, zur Ausführungsnähe bei einem Faktum und zur Gewerbsmäßigkeit. Die Urteilsannahmen zu den Fakten A.) bis D.) betreffend Heroin und Kokain mit „durchschnittlicher Straßenqualität" (US 5, 8) lassen mangels Konstatierungen über die darin enthaltene Reinsubstanz nicht erkennen, von welcher Wirkstoffmenge das Erstgericht ausgegangen ist. Feststellungen über den Reinheitsgehalt sind aber zur Beurteilung des Vorliegens einer großen Menge unerlässlich.

Auch der Einwand, dass der angefochtenen Entscheidung kein hinreichendes Feststellungssubstrat zum Schuldspruch Punkt E) zu entnehmen ist, trifft zu. Das Deliktsstadium des Versuches setzt zumindest Ausführungsnähe voraus (§ 15 Abs 2 StGB). Der Besitz von Suchtgift (US 5) ist für sich allein noch keine ausführungsnahe Handlung im Hinblick auf das Inverkehrsetzen. Die Bevorratung und das Verstecken von Suchtgift stellen für sich allein ebenso wenig einen Versuch des Inverkehrsetzens dar wie die Zwischenlagerung zum Zweck künftiger Verteilung. Wenn allerdings die Übergabe des Suchtgiftes dem Bereithalten oder verkehrsgerechten Zurechtrichten unmittelbar folgen soll, liegt eine ausführungsnahe Handlung vor (Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud SMG § 28 Rz 83 f mwN). Derartiges wurde aber nicht festgestellt.

Zu Recht wird überdies moniert, dass sich dem Urteil nicht entnehmen lässt, ob es dem Angeklagten darauf ankam, wiederkehrend der Grenzmenge entsprechende Suchtgiftquanten (wenn auch schrittweise, Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 142 ff mwN) in Verkehr zu setzen, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl US 5). Wird § 28 Abs 3 erster Fall SMG angenommen, ist aber stets auch diese entscheidende Tatsache festzustellen. Zugleich ist - ebenfalls in den Entscheidungsgründen - klarzustellen, dass es der Angeklagte bei den zu großen Mengen zusammengefassten Teilakten ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, ein (weiteres) der Grenzmenge entsprechendes Quantum den bestehenden Vorschriften zuwider in Verkehr zu setzen (Ratz, RZ 2003, 194; aM Hinterhofer in Hinterhofer/Rosbaud SMG § 28 Rz 56 f).

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können und sohin eine neue Hauptverhandlung und Entscheidung nicht zu vermeiden ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben (§ 285e StPO) und demzufolge auch im Hinblick auf § 289 StPO betreffend den Schuldspruch Punkt F mit Urteilsaufhebung und Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung vorzugehen, hängt dessen Zulässigkeit doch davon ab, ob dem Beschwerdeführer im zweiten Rechtsgang neuerlich eine weitere, über den Erwerb und Besitz jeweils geringer Mengen Suchtgift zum Eigengebrauch (vgl insoweit § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG) hinausgehende strafbare Handlung nach dem Suchtmittelgesetz zur Last fällt (13 Os 56/06v mwN).

Demzufolge bedurfte die Mängelrüge (Z 5) keiner Erörterung.

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