Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 9. 6. 1995 geborene Henrik-Filip K***** ist ein leibliches Kind der Drittantragstellerin Mag. Elisabeth J***** und des Mario K*****, geboren 8. 5. 1966. Die Obsorge kommt der Mutter alleine zu. Diese lebt mit ihrer Lebensgefährtin (= der Erstantragstellerin) und dem mj Henrik-Filip im gemeinsamen Haushalt in F*****. Die Antragsteller begehren die gerichtliche Bewilligung eines am 17. 2. 2005 zwischen der Erstantragstellerin und dem Minderjährigen, vertreten durch seine Mutter, abgeschlossenen Adoptionsvertrages, mit welchem die Erstantragstellerin als Adoptivmutter den Minderjährigen als Adoptivsohn annehmen will. Dabei soll die Erstantragstellerin aber nicht an die Stelle der Mutter, sondern des leiblichen Vaters treten. Die Antragsteller begehren, diese Adoption mit der Wirkung gerichtlich zu bewilligen, dass die familienrechtlichen Beziehungen zum leiblichen Vater und dessen Verwandten erlöschen, jene zur leiblichen Mutter jedoch vollinhaltlich aufrecht bleiben. Die verweigerte Zustimmung des leiblichen Vaters sei gerichtlich zu ersetzen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass § 182 ABGB die eindeutige Absicht des Gesetzgebers wiedergebe, dass bei einer Adoption durch nur eine Person die Beziehungen zu jenem leiblichen Elternteil erlöschen, der dasselbe Geschlecht wie der oder die Annehmende hat, die Beziehungen zu jenem Elternteil, der nicht dasselbe Geschlecht wie der oder die Annehmende hat, jedoch aufrecht bleiben soll. Nur in letzterem Fall räume das Gesetz die Möglichkeit ein, auch diese an und für sich durch die Adoption nicht berührten Beziehungen durch gerichtlichen Ausspruch für erloschen zu erklären. Die von den Antragstellern gewünschte Konstruktion der Annahme des mj Henrik-Filip durch eine Wahlmutter bei gleichzeitigem Erlöschen der Beziehungen zum leiblichen Vater, nicht jedoch zur leiblichen Mutter, stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang. Diese Interpretation sei verfassungskonform und entspreche insbesondere den Art 8, 14 MRK. Nach der Judikatur des EGMR komme gerade im Bereich des Adoptionsrechts für Homosexuelle den Mitgliedstaaten ein sehr großer Bewertungsspielraum zu, weil es sich um Fragen handle, die dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen seien und sich in einer Phase des Umbruchs befänden. Die Frage, ob ein Mitgliedstaat es ermögliche, dass zwei Personen gleichen Geschlechts rechtlich gleichwertige Beziehungen zu einem Kind aufbauen können, sei daher innerhalb der Grenzen des Art 8 Abs 2 MRK vom Mitgliedstaat selbst zu regeln. Das österreichische Recht ermögliche die von den Antragstellern gewünschte Konstruktion nicht.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Rechtsordnung zweifelsohne davon ausgehe, dass „Eltern" grundsätzlich aus zwei Personen verschiedenen Geschlechts bestehen. Dies komme schon im Obsorgerecht zum Ausdruck, wo grundsätzlich den leiblichen Eltern der Vorrang vor anderen Personen zukomme. Diese Erwägungen seien auch im Adoptionsrecht anzuwenden. Auch dort bauten die gesetzlichen Bestimmungen entsprechend biologischen Gegebenheiten auf einem verschieden-geschlechtlichen Elternpaar auf. Ohne dass eine Diskriminierung eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners beabsichtigt sei, bestehe bei Existenz beider verschieden-geschlechtlichen Elternteile kein Bedarf an einer Regelung, durch die einer der beiden verschieden-geschlechtlichen Elternteile durch einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner eines Elternteils ersetzt werden solle. Auch im Bereich des Besuchsrechts sei unstrittig anerkannt, dass es für die gedeihliche Entwicklung eines minderjährigen Kindes wünschenswert und anzustreben sei, dass das Kind persönliche Beziehungen zu beiden verschieden-geschlechtlichen Elternteilen habe, daher sowohl zu einer weiblichen (Mutter) als auch zu einer männlichen (Vater) Bezugsperson. Ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu seinen beiden (leiblichen) Elternteilen sei erwünscht und werde im Dienste der gesunden Entwicklung eines Kindes auch allgemein gefordert. Auch diese Erwägungen ließen sich auf eine Adoption übertragen. Das Rekursgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes, das auch unter dem Blickwinkel der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte keine Diskriminierung eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners gegeben sei. Eine unterschiedliche Behandlung von Personen, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebten, sei nur dann als diskriminierend zu beurteilen, wenn es dafür keine objektiven und vernünftigen Rechtfertigungsgründe gebe, das heißt, wenn durch diese Regelung kein legitimes Ziel verfolgt werde oder wenn zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel keine vernünftige Relation bestehe. Eine unterschiedliche Behandlung werde dann als mit der EMRK vereinbar beurteilt, wenn dafür gewichtige Gründe vorlägen. Ein solches legitimes Ziel werde vom österreichischen Gesetzgeber verfolgt, der einem heranwachsenden Kind die Möglichkeit bieten wolle, einen für seine Entwicklung notwendigen regelmäßigen Kontakt sowohl zu einem weiblichen als auch zu einem männlichen Elternteil zu unterhalten. Diese Zielsetzung sei genauso zu akzeptieren wie die Entscheidung der Mutter, in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu leben. Es sei jedoch nicht gerechtfertigt, dem Kind den Verlust seiner familienrechtlichen Beziehungen zum andersgeschlechtlichen Elternteil aufzuzwingen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Zulässigkeit einer Adoption eines Kindes durch einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner eines leiblichen Elternteils keine Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt. Schon zur Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person sieht § 179 Abs 2 ABGB vor, dass diese nur dann zulässig ist, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. In der Literatur wird daraus abgeleitet, dass die Annahme durch mehrere gleichgeschlechtliche Personen (sei es gleichzeitig, sei es nacheinander) unzulässig ist (Schwimann in Schwimann, ABGBG³ § 179 Rz 6; Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger § 179 Rz 2, jeweils unter Zitat LGZ Wien vom 27. 8. 2001 = EFSlg 96.699).
§ 182 Abs 2 zweiter Satz ABGB regelt die Wirkungen, wenn die Adoption nur durch einen (eine) Annehmende(n) erfolgt. Wird danach das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen, so erlöschen die verwandtschaftlichen Beziehungen lediglich hinsichtlich des leiblichen Vaters (der leiblichen Mutter) und dessen (deren) Verwandten. Nach den Materialien (ErlBem RV 107 BlgNR IX. GP, 21) ist diese Regelung eindeutig dahin zu verstehen, dass die nicht vermögensrechtlichen Beziehungen nur gegenüber dem leiblichen Elternteil erlöschen sollen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlelternteil ersetzt wird. Ausdrücklich heißt es, dass es ein Fehler wäre, dem Wahlkind etwa seinen leiblichen Vater zu nehmen, falls es nur durch eine Wahlmutter angenommen wird (so auch die Lehre: Schwimann in Schwimann aaO § 182 Rz 3; Stabentheiner in Rummel I³ § 182 Rz 2).
Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber ist diese Regelung weder im Sinne der von ihnen begehrten Konstruktion extensiv zu interpretieren, noch liegt eine ungewollte und daher durch Analogie auszufüllende Regelungslücke vor. Nach den Materialien (aaO 11) soll der Hauptzweck der Kindesannahme die Förderung des Wohles des Anzunehmenden nicht eigenberechtigten Kindes sein (Schutzprinzip). Die Kindesannahme solle ein geeignetes Mittel sein, elternlose Kinder, solche aus zerrütteten Familien oder von Eltern, die aus irgendeinem Grund eine geeignete Erziehung ihrer Kinder nicht gewährleisten können oder deren Kinder sogar unerwünscht sind, der Erziehung und Sorge geeigneter und verantwortungsbewusster Menschen zu übergeben. Dieser Zweck könne aber nur dann erreicht werden, wenn durch die Kindesannahme die Verhältnisse in der natürlichen Familie möglichst nachgebildet werden.
Auch die Rechtsprechung (6 Ob 179/05z) verweist darauf, dass unter einer Beziehung zwischen dem Wahlkind und dem Wahlelternteil entsprechend dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern ein gesellschaftliches und psychologisches Verhältnis zu verstehen ist. Das Leitbild der kindschaftsähnlichen Beziehungen für die Minderjährigenadoption ist von der spezifischen sozialen und psychischen Beziehung von Eltern zu heranwachsenden Jugendlichen geprägt, wozu neben dem sozialtypischen örtlichen und persönlichen Naheverhältnis (Haushaltsgemeinschaft, leibliche und mentale Betreuung durch die Eltern) eine der Eltern- und Kindesliebe gleichkommende emotionale Beziehung sowie eine spezifisch erzieherische Leitungs- und Vorbildrolle der Eltern gehören.
§ 182 Abs 2 ABGB hindert generell, also nicht nur im Falle gleichgeschlechtlicher Lebenspartner, die Adoption durch einen Mann, solange die verwandtschaftlichen Beziehungen zum leiblichen Vater bzw. durch eine Frau, solange die verwandtschaftlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter bestehen. Gemäß § 182 Abs 2 ABGB ersetzt also der Einzeladoptierende nicht den Elternteil seiner Wahl, sondern jenen, der seinem Geschlecht entspricht. Die Adoption des Kindes durch die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter ist daher rechtlich unmöglich.
Entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerber hält diese Bestimmung auch einer Prüfung unter dem Blickwinkel der Verfassungsgemäßheit (Grundrechtsbetrachtung) stand. Im Verfahren „Frette gegen Frankreich" hatte der EGMR zu prüfen, ob die von der Behörde verweigerte Adoption eines Kindes durch einen Homosexuellen eine Diskriminierung war. Der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 26. 2. 2002 aus, eine Adoption bedeute, dass „ein Kind mit einer Familie versorgt werden soll und nicht eine Familie mit einem Kind". Es sei Aufgabe eines Staates, im Falle der Adoption dem Kind das in jeder Beziehung am besten geeignete Heim zu bieten. Nicht zuletzt im Hinblick auf die großen Unterschiede in der nationalen und internationalen Meinung über die möglichen Konsequenzen einer Kindesadoption durch einen oder mehrere homosexuelle Eltern und im Hinblick, dass es nicht genügend Kinder gäbe, um der Nachfrage zu entsprechen, sei den Staaten in diesem Bereich ein großer Beurteilungsspielraum einzuräumen. Eine Verletzung des Art 14 MRK iVm Art 8 MRK liege nicht vor, wenn die Verweigerung einer Adoption durch einen Homosexuellen ein legitimes Ziel anstrebe, nämlich die bestmögliche Wahrung der Interessen des Adoptivkindes ohne dabei das Proportionalitätsprinzip zwischen diesem angestrebten Ziel und dem benützten Mittel zu verletzen.
Weder vermögen die Revisionsrekurswerber aufzuzeigen noch ist sonst ersichtlich, warum die österreichische Regelung des § 182 Abs 2 ABGB den vom EGMR vorgegebenen großen Beurteilungsspielraum überschreiten bzw. gegen das Proportionalitätsprinzip verstoßen soll. Der Oberste Gerichtshof hegt daher keine Bedenken an der - von den Rechtsmittelwerbern bezweifelten - Verfassungsgemäßheit dieser Bestimmung.
Im Hinblick auf die rechtliche Unmöglichkeit der Adoption bedurfte es keiner weiteren Erwägung dazu, ob überdies die Voraussetzungen für die als außerordentliche Maßnahme zu beurteilende Ersetzung der Zustimmung des Vaters nach § 181 Abs 3 ABGB vorliegen.
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