OGH 7Ob202/06s

OGH7Ob202/06s13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Mario M*****, geboren am 28. April 2000, wohnhaft bei und vertreten durch seine Mutter Birgit M*****, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. April 2006, GZ 42 R 24/06z-S28, womit infolge der Rekurse der Mutter sowie des Vaters Paul R*****, vertreten durch Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KEG in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 8. November 2005, GZ 16 P 4/05v-S15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Einräumung des Besuchsrechts in den Sommerferien 2006 vom 22. bis 29. Juli richtet, wird er als unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Einräumung des Besuchsrechts an jedem zweiten Donnerstag von 13.00 bis 19.00 Uhr als unangefochten unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Das Begehren des Vaters auf Kostenersatz für seine Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen den früher in Lebensgemeinschaft und seit mehreren Jahren getrennt lebenden Eltern ihres am 28. 4. 2000 geborenen, somit im 7. Lebensjahr stehenden und nunmehr bei der Mutter wohnhaften gemeinsamen Sohnes Mario besteht Streit über Art und Umfang des väterlichen Besuchsrechtes. Das Rekursgericht bestimmte dieses - in teilweiser Stattgebung der Rekurse beider Elternteile - wie folgt:

Beginnend mit der auf die Rechtskraft dieses Beschlusses folgenden Kalenderwoche jeden zweiten Donnerstag von 13 bis 19 Uhr, alternierend dazu jedes zweite Wochenende von Freitag 13 Uhr bis Samstag 18 Uhr, sowie in den Ferien zu folgenden Zeiten: Die zweite Woche der Weihnachtsferien vom 31. 12. 9 Uhr bis 6. 1. 18 Uhr (Silversterwoche); eine Woche in den Osterferien inklusive Ostersonntag und Ostermontag oder die gesamten Semesterferien; sollten die Eltern bis Ende Oktober des vorangegangenen Jahres keine Einigung erzielen, gilt als Besuchswoche die für die Osterferien bezeichnete Woche als vereinbart; in den Sommerferien des Jahres 2006 eine Woche vom 22. bis 29. 7., in den darauffolgenden Jahren in den Sommerferien zwei zusammenhängende Wochen nach freier Vereinbarung zwischen den Eltern; der genaue Zeitpunkt ist bis spätestens Ende des Monats Mai zwischen den Eltern zu vereinbaren; sollte bis dahin keine Einigung erzielt werden, gelten die letzte Juliwoche und die erste Augustwoche als vereinbart; in der (den) Ferienwoche(n) wird das Besuchsrecht jeweils von Samstag 9 Uhr bis Samstag 18 Uhr (bzw in der Osterwoche bis Ostermontag 19 Uhr) eingeräumt. An den Wochentagsdonnerstagen hat der Vater das Kind vom Kindergarten abzuholen und am Ende der Besuchszeit in die Wohnung der Mutter zurückzubringen.

Das Erstgericht hatte bezüglich der beiderseitigen elterlichen Lebensverhältnisse folgende Feststellungen getroffen:

Für den Vater besteht seit Mai 2003 eine neue Lebensgemeinschaft. Das Kind kennt die Lebensgefährtin des Vaters und hat, außer bei seinen Cousins mütterlicherseits, auch bereits beim Vater und bei der väterlichen Großmutter übernachtet. Der Vater liebt das Kind, weshalb die Mutter einen Kontakt mit ihm prinzipiell für wichtig erachtet und auch unterstützt. Der Vater ist sehr interessiert daran, Zeit mit dem Kind zu verbringen, wobei sich die Mutter wünscht, dass der Vater auf die Bedürfnisse des Kindes bei der Freizeitgestaltung Rücksicht nimmt. Beide Elternteile lieben ihr Kind und wollen sich für sein Wohlergehen einsetzen.

Das Rekursgericht führte hiezu (ergänzend) aus, dass sich „aus dem durchgeführten Verfahren" ergebe, dass die Trennung der Eltern nicht konfliktfrei verlaufen sei, sodass diesen derzeit die notwendige Vertrauensbasis fehle. Das Jugendamt habe sich für einen regelmäßigen Kontakt zwischen Vater und Sohn ausgesprochen, da bereits eine Vater-Sohn-Beziehung bestehe. Für die von der Mutter im Rekurs erhobenen („neuen") Vorwürfe einer „Alkoholproblematik" gebe es im bisherigen Verfahren keine Anhaltspunkte.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Ausübung des Besuchsrechtes im zugesprochenen Ausmaß dem Kindeswohl und dem gesetzlichen Auftrag nach § 148 ABGB entspreche, wobei im Vordergrund die Beurteilung eines spezifischen Einzelfalles gestanden sei.

Hiegegen richtet sich der (nach Verbesserungsauftrag anwaltlich gefertigte) außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit (ausschließlich) Aufhebungsanträgen an das Gericht erster, in eventu zweiter Instanz, wobei sie jedoch nach dem Inhalt ihrer Rechtsmittelausführungen das dem Vater an den Donnerstagen eingeräumte Besuchsrecht unangefochten lässt. Ihr Antrag, dem Rechtsmittel „hemmende Wirkung" zuzuerkennen, wurde vom Erstgericht abgewiesen.

Der Vater hat eine Revisionsrekursbeantwortung (samt Kostenverzeichnung) erstattet, in welcher beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit mit dem Revisionsrekurs auch die Einräumung des einwöchigen Sommerferienbesuchsrechtes im Jahr 2006 bekämpft wird, ist das Rechtsmittel wegen Zeitablaufes überholt und somit mangels eines Rechtsschutzinteresses (einer Beschwer), das auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel fortbestehen muss, unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0041770; RS0006598).

Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zufolge nicht ausreichend vorliegender Erhebungsgrundlagen und damit Sachverhaltsfeststellungen zum bei der Entscheidung gemäß § 148 Abs 1 ABGB vorrangig und ausschlaggebend im Vordergrund stehenden Wohl des Kindes (RIS-Justiz RS0087024) zulässig und im Sinne des primär gestellten Aufhebungsantrages an das Pflegschaftsgericht erster Instanz auch berechtigt.

Schwerpunkt der Ausführungen der Rechtsmittelwerberin bilden die Vorwürfe, dass für das Kind mit dem seinem Vater zuerkannten Besuchsrecht erhebliche Nachteile zu erwarten seien, weil sich dieser im „Alkoholikermilieu" bewege, „extensiver Trunkenheit" nachgehe und bereits „verantwortungslose Handlungsweisen wie Nachtlokalbesuche mit dem Sohn, Trunkenheit am Geburtstag des Sohnes, Hilfeunterlassung bei Schmerzen des Kindes etc." gesetzt habe. Diese „Alkoholproblematik" des Vaters habe schon seit längerem bestanden und sei dem Erstgericht auch mit (dem Rechtsmittel in Kopie angeschlossener) Eingabe vom 28. 11. 2005 angezeigt worden, ohne dass dies von den beiden Vorinstanzen Berücksichtigung gefunden hätte.

Nach dem Erwiderungsvorbringen des Vaters in seiner Revisionsrekursbeantwortung handle es sich hiebei um ehrenrührige und unrichtige Vorbringen, die auch gegen das Neuerungsverbot verstießen.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Das von der Rechtsmittelwerberin in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückte Schreiben vom 28. 11. 2005 (Beilage 1 ihres Revisionsrekurses), worin sie der Erstrichterin „konkrete Befürchtungen der Gefährdung des Kindeswohles" in Form der „Kneipenbesuche aufgrund Alkoholerkrankung" des Vaters „gemeinsam mit unserem Sohn Mario und bis in die Nachtstunden (23 Uhr)" geschildert und zur Anzeige gebracht habe, befindet sich zwar - außer als Beilage zum Rechtsmittelschriftsatz - nicht im Akt (und ist insofern tatsächlich eine „Neuerung"). Auch dem am 29. 11. 2005 zu Protokoll gegebenen Rekurs der Mutter gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 8. 11. 2005 ist es nach der Aktenlage nicht angeschlossen worden. Allerdings hat die Mutter im Protokollarrekurs auf die „Alkoholproblematik" des Vaters hingewiesen und behauptet, dass dieser mit dem Kind „in unpassende Lokale" gehe und dort „mit unpassenden Freunden" verkehre, was vom Rekursgericht mit dem Hinweis, dass sich dafür „im bisherigen Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben" hätten, ohne nähere Prüfung abgetan wurde. Tatsächlich hat die Mutter jedoch bereits in ihrer allerersten Stellungnahme im Verfahren erster Instanz sehr wohl auf derartige Vorfälle ausdrücklich hingewiesen: So heißt es schon im Protokoll vom 25. 1. 2005 (ON 3), dass der Vater das Kind „in Lokale, in denen ein Kind dieses Alters nichts zu suchen hat", mitnehme, er es „ein paar mal auf die Finger geschlagen" habe, mit dem Kind „nie ins Freie" gehe und sie nicht wünsche, dass ihr Sohn „in Lokalen und in Rauschgiftkreisen verkehrt", zumal „die Freunde des Vaters zum Teil auch Drogen nehmen". Die vom Erstgericht eingeholte Stellungnahme des zuständigen Jugendamtes (ON 10) beschränkte sich auf Fragestellungen allgemeiner Art an die beteiligten Eltern samt Wiedergabe jeweils „aus der Sicht" der Beteiligten, ohne jedoch auch auf diese doch sehr schwerwiegenden Vorwürfe näher einzugehen, diese zu hinterfragen und zu verifizieren. Deshalb ist das bisher geführte Verfahren mangelhaft geblieben. Das Erstgericht wird daher die entsprechenden Nachforschungen zu pflegen und sodann auf gesicherter Basis entsprechende Feststellungen zu treffen haben, die die behauptete Gefährdung des Kindeswohls des minderjährigen Mario bestätigen oder widerlegen. Nur in letzterem Falle wäre eine Beschlussfassung wie vom Rekursgericht vorgenommen altersadäquat und nicht zu beanstanden. Dabei wird das Erstgericht auch die Mutter zu verhalten haben, ihre bisher (in allen drei Instanzen) jeweils nur sehr allgemein und unsubstanziiert, jedoch nachhaltig vorgetragenen gravierenden Vorwürfe detailliert zu schildern, um diese einerseits dem Vater ebenso detailliert vorhalten und auch das Jugendamt mit entsprechend detaillierten Recherchen betrauen zu können. Angesichts der aktenkundigen Behauptungen der Mutter schon im erstinstanzlichen Verfahren unterliegen die vorgebrachten Punkte im Revisionsrekurs auch nicht dem Neuerungsverbot (vgl § 49 AußStrG); selbiges gilt damit aber auch - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - für die diesbezüglichen Ausführungen der Mutter in ihrem zweitinstanzlichen Rekurs.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 107 Abs 3 AußStrG, wonach in Verfahren über die Obsorge und die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr ein Kostenersatz generell nicht stattfindet. Trotz aufhebender Entscheidung konnte kraft dieser Sonderregel über das unberechtigte Kostenersatzbegehren in der Rechtsmittelgegenschrift des Vaters somit bereits im gegenwärtigen Verfahrensstadium durch den Obersten Gerichtshof insoweit abschließend entschieden werden.

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