OGH 10ObS140/06w

OGH10ObS140/06w12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johannes Denk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milan H*****, vertreten durch Prunbauer, Themmer & Toth Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Josefstädter Straße 80, 1081 Wien, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2006, GZ 8 Rs 77/06m-33, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 1. 12. 1943 geborene Kläger ist Trainings- und Probenleiter des *****opernballetts. Als er am 27. 12. 2002 Ballettübungen vorzeigte, erlitt er einen Achillessehnenriss rechts in Form eines so genannten „Ermüdungsrisses", der im März 2003 diagnostiziert wurde. Der Kläger hatte bereits im Frühjahr 2002 Beschwerden im Bereich der rechten Achillessehne. Aufgrund beginnender degenerativer Veränderungen stand er bereits in orthopädischer Behandlung. Aufgrund eines Vorschadens und der degenerativen Veränderungen genügten beim Kläger am 27. 12. 2002 ein leichtes Wegrutschen und ein ungeschickter Schritt, um die bereits vorgeschädigte Achillessehne endgültig zum Reißen zu bringen. Dass dies gerade beim Vorzeigen einer Ballettübung geschah stellt nur eine „Gelegenheitsursache" dar; das „Reif-sein-zum-Reissen" hätte auch schon bei anderen Ursachen manifest auftreten können. Beim Wegrutschen auf dem glatten Parkett kam es zu einer unvermuteten Richtungsänderung im Bewegungsablauf, die die Achillessehne zum Einriss bringen kann. Für sich allein war dieser Ablauf aber nicht geeignet, den vorliegenden Schaden herbeizuführen, da das Ereignis „die erforderliche Intensität vermissen lässt". Aufgrund der Vorschädigung, die bereits Monate vor dem Riss Behandlungen erforderten, hätte auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zum ungefähr gleichen Zeitpunkt zu einem Achillessehnenriss führen können.

Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers und hält ein Mehrfaches des Körpergewichts aus. Die Reißfestigkeit der Sehne nimmt mit zunehmendem Alter ab.

Das Erstgericht wies die auf Zuerkennung einer Versehrtenrente gerichtete Klage auch im zweiten Rechtsgang ab. Das schädigende Ereignis stelle eine Gelegenheitsursache und nicht eine wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt dar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bezieht sich in seiner Zulassungsbeschwerde vor allem auf

die Entscheidung 10 ObS 45/04x (DRdA 2005/23, 325 [Reissner] = SSV-NF

18/48 = SZ 2004/79), aus der er ableitet, dass die Vorschädigung bei

der Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes auszublenden sei; es wäre an der beklagten Partei gelegen nachzuweisen, dass der eingetretene Schaden „um mehr als ein Jahr früher eingetreten wäre". Da dieser Beweis nicht erbracht worden sei, habe die beklagte Partei die Unfallfolgen zu entschädigen.

Diese Schlussfolgerungen können allerdings aus der Entscheidung 10 ObS 45/04x nicht gezogen werden. Die Zurechnung eines Unfallschadens zur gesetzlichen Unfallversicherung hat nach der Judikatur in mehreren Stufen zu erfolgen (instruktiv Reissner, Kausalitätsbegriff der Unfallversicherung, DRdA 2005, 328): Nach Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen Erwerbstätigkeit und Unfall sowie des „inneren" (finalen) Zusammenhangs muss die aus dem geschützten Lebensbereich stammende, in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Ursache „wesentliche Bedingung" (wesentlich mitwirkende Ursache) für den Eintritt des Körperschadens sein. Als wesentlich wird eine Bedingung insbesondere dann angesehen, wenn ohne ihre Mitwirkung der Erfolg nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in einem geringeren Umfang eingetreten wäre (10 ObS 150-152/94 = SSV-NF 9/17 uva), etwa wenn der Leidenszustand durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können

(siehe 10 ObS 83/95 = SSV-NF 9/57 = DRdA 1996/20, 232 [M.

Ritzberger-Moser] = ZAS 1997/3, 22 [Pfeil] zu einem Achillessehnenriss). Nach den im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Feststellungen liegt aber eine Ursache dieser Intensität gerade nicht vor, weil der Achillessehnenriss aufgrund der Vorschädigung und der degenerativen Veränderungen auch bei jedem anderen alltäglich vorkommenden Ereignis zum ungefähr gleichen Zeitpunkt zu einem Achillessehnenriss führen hätte können. Die Frage des Alters, das zweifellos bei jedem Menschen Abnützungserscheinungen bewirkt, kommt es in dieser Konstellation nicht mehr an. Da sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur bewegt, ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

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