OGH 10Ob35/06d

OGH10Ob35/06d17.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, sowie der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin E***** O***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Klaus Hirtler Rechtsanwalt GmbH in Leoben, gegen die beklagte Partei Christian P*****, vertreten durch Dr. Peter Sparer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen restlich EUR 136.135,37 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2006, GZ 1 R 291/05m-113, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Oktober 2005, GZ 40 Cg 195/99h-103, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei sowie der Nebenintervenientin zu Handen ihrer jeweiligen Vertreter die mit je EUR 2.024,82 (darin enthalten EUR 337,47 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die ursprünglich Erstbeklagte T***** - T***** V***** Peter P***** (im Folgenden weiterhin Erstbeklagte), hinsichtlich der das Verfahren infolge Eröffnung des Konkursverfahrens unterbrochen ist, lieferte der L***** GmbH St. L*****, die damals aufgrund eines bestehenden Feuerversicherungsvertrages Versicherungsnehmerin der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Klägerin war, am 19. 11. 1997 vereinbarungsgemäß ein Stromaggregat samt einem Schaltschrank, das dem Betrieb von Schneekanonen dienen sollte. Nach der Inbetriebnahme des Aggregats brach am 20. 11. 1997 gegen 3,00 Uhr früh im Bereich des Schaltschrankes ein Brand aus, wodurch das Stromaggregat samt dem Schaltkasten, andere technische Geräte und das Liftgebäude der Versicherungsnehmerin beschädigt wurden. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat ihrer Versicherungsnehmerin aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrages Sachschäden im Gesamtbetrag von EUR 116.202,74 ersetzt. Darüber hinausgehende Forderungen hat die Versicherungsnehmerin der Rechtsvorgängerin der Klägerin zur eigenberechtigten Geltendmachung abgetreten.

Die Klägerin begehrt von der Erstbeklagten sowie vom (zunächst zweit- und nunmehr allein) Beklagten als persönlich haftenden Gesellschafter der Erstbeklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von zuletzt EUR 136.135,37 sA.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten im zweiten Rechtsgang schuldig, der klagenden Partei diesen Betrag samt Zinsen zu bezahlen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Nach seinen Rechtsausführungen handle es sich bei dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrag um einen Kaufvertrag. Auf der Grundlage dieses Kaufvertrages mache die Klägerin im vorliegenden Verfahren Ersatzansprüche aufgrund von Mangelfolgeschäden, also Schadenersatzansprüche, geltend. Bei der Geltendmachung von Mangelfolgeschäden müsse der Gläubiger das Vorliegen eines Mangels und die Kausalität des Mangels (= Kausalität der Nichterfüllung) für diese Schäden beweisen. Dieser Beweis sei der Klägerin ausgehend von den getroffenen Feststellungen gelungen. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes treffe den Beklagten hingegen die Beweislast dafür, dass die Erstbeklagte an der erwiesenen mangelhaften Vertragsleistung kein Verschulden treffe. Dieser Beweis sei dem Beklagten nicht gelungen, weil nicht bewiesen sei, ob sich die als Brandursache feststehende lockere Klemme in einem von der Erstbeklagten zugekauften Bauteil befunden habe oder ob die Erstbeklagte selbst diese Klemme bei ihren Arbeiten im Schaltschrank nicht ordnungsgemäß befestigt habe.

Darüber hinaus hafte der Beklagte aber auch wegen Verletzung einer Schutznorm im Sinn des § 1311 ABGB. Nach § 3 Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG) seien elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen so zu errichten, herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben, dass ihre Betriebssicherheit sowie die Sicherheit von Personen und Sachen gewährleistet sei. Nach § 3 Abs 8 ETG dürften elektrische Betriebsmittel, die dieser Bestimmung oder den aufgrund des ETG erlassenen Verordnungen nicht entsprechen, nicht in Verkehr gebracht werden. Die in § 3 Abs 1 und 8 ETG festgelegten Verpflichtungen habe, je nach der Art derselben, derjenige zu erfüllen, der die elektrische Anlage bzw die elektrischen Betriebsmittel errichte, herstelle, einführe, instandhalte, betreibe oder in Verkehr bringe. Diese Verbindlichkeiten nach dem ETG müssten als Vorschriften, die zufälligen Beschädigungen vorzubeugen suchen, verstanden werden und seien somit Schutznormen im Sinn des § 1311 ABGB. Bei einer Schutzgesetzverletzung treffe den Geschädigten die Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes. Der Schädiger müsse aber beweisen, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten sei und ihn an der Übertretung des Schutzgesetzes keine subjektive Sorgfaltspflichtverletzung, also kein Verschulden, treffe. Der Schädiger (Übertreter der Schutznorm) habe also seine Schuldlosigkeit zu beweisen.

Bei dem von der Erstbeklagten der Versicherungsnehmerin gelieferten Stromaggregat handle es sich zweifellos um ein elektrisches Betriebsmittel im Sinne des § 3 Abs 1 ETG, das von der Erstbeklagten im Sinne des § 3 Abs 11 ETG in den Verkehr gebracht worden sei. Dieses elektrische Betriebsmittel sei mit einem Mangel behaftet gewesen, der zum Ausbruch eines Brandes und damit zu einer Beschädigung von Sachen der Versicherungsnehmerin, aber auch zu einer Gefährdung der Sicherheit von Personen geführt habe. Durch die Lieferung eines derart mangelhaften Stromaggregates habe daher die Erstbeklagte aus objektiver Sicht gegen das Schutzgesetz des § 3 Abs 1 ETG verstoßen, weshalb es im dargelegten Sinn zu einer Beweislastumkehr komme und daher der Beklagte den Beweis der Schuldlosigkeit der Erstbeklagten erbringen hätte müssen. Auch in diesem Fall sei jedoch der Beklagte dieser ihm obliegenden Beweislast nicht nachgekommen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es bei der Lösung der Rechtsfrage der Beweislastverteilung im Verschuldensbereich beim Kaufvertrag von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und von der in einem Teil der Lehre vertretenen Auffassung abgewichen sei und - soweit für das Berufungsgericht überschaubar - keine jüngere Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Bestimmungen des Elektrotechnikgesetzes als Schutznormen im Sinn des § 1311 ABGB zu werten seien, existiere.

Der Beklagte macht in seiner Revision zur Frage der Haftung aufgrund einer Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB geltend, die vom Berufungsgericht zitierten Bestimmungen des ETG 1992 seien nicht als Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB zu werten. Diese Bestimmungen ließen konkrete und detaillierte Verhaltensnormen vermissen und beinhalteten lediglich ein allgemeines Verbot des Betriebs von Anlagen, die dem in Normen vorgegebenen Stand der Technik widersprechen. Ein konkreter Verstoß gegen irgendwelche derartigen Normen sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Tatsache eines Schadenseintrittes begründe für sich allein noch keine Schutzgesetzverletzung.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO jedoch nicht dargetan, weil das Berufungsgericht in dieser Frage von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgegangen ist.

Schutzgesetze sind nach der Formulierung des § 1311 ABGB Gesetze, die zufälligen Beschädigungen vorzubeugen suchen. Als Schutzgesetz werden demnach jene Bestimmungen angesehen, die ein abstrakt gefährliches Verhalten verbieten, um hiedurch Einzelpersonen oder bestimmte Kreise von Personen vor Verletzungen ihrer Güter zu bewahren. Dabei muss der Schutz dieser Personen zumindest auch gewollt sein (EvBl 2002/32; Harrer in Schwimann ABGB³ § 1311 Rz 9 jeweils mwN ua; RIS-Justiz RS0027710).

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die bereits vom Berufungsgericht zitierten Bestimmungen des ETG 1992 als Schutzgesetze im dargestellten Sinn zu sehen sind. Dies wird insbesondere durch die Bestimmung des § 3 Abs 1 ETG verdeutlicht, wonach elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen innerhalb des Bundesgebietes so zu errichten, herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben sind, dass „ihre Betriebssicherheit, die Sicherheit von Personen und Sachen, ferner in ihrem Gefährdungs- und Störungsbereich der sichere und ungestörte Betrieb anderer elektrischer Anlagen und Betriebsmittel sowie sonstiger Anlagen gewährleistet ist". Nach § 3 Abs 8 ETG 1992 dürfen elektrische Betriebsmittel, die dieser Bestimmung oder den aufgrund des ETG erlassenen Verordnungen nicht entsprechen, nicht in Verkehr gebracht werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinen Entscheidungen SZ 48/131 und 2 Ob 549/85 die Verpflichtungen nach dem damals noch anwendbaren Elektrotechnikgesetz, BGBl 1965/57, als Vorschriften, die zufälligen Beschädigungen vorzubeugen suchen, und damit als Schutznormen im Sinn des § 1311 ABGB gewertet. Die oben zitierte Bestimmung des § 3 Abs 1 erster Satz ETG 1992 entspricht vollinhaltlich der Bestimmung des § 3 Abs 1 ETG 1965. Auch die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlass für ein Abgehen von dieser bereits gefestigten Rechtsprechung. Es ist zwar richtig, dass in einem „Schutzgesetz" eine „konkrete", eine „detaillierte" Verhaltensnorm zu sehen ist, die das „gebotene und verbotene Verhalten genau umschreibt" (vgl SZ 57/134 mwN) und dass Schutzgesetze eine „Verdeutlichungsfunktion" haben (Harrer aaO § 1311 Rz 6). Sollen aber nach § 3 Abs 1 ETG 1992 bei elektrischen Betriebsmitteln und elektrischen Anlagen die notwendigen Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die Sicherheit von Personen und Sachen gewährleistet ist, wird damit unter Bedachtnahme auf § 3 Abs 8 und 11 ETG 1992 doch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass derjenige, der die elektrische Anlage bzw die elektrischen Betriebsmittel errichtet, herstellt, einführt, instandhält, betreibt oder in Verkehr bringt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen hat, die ihm nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar sind und die er unter Anwendung der verkehrsüblichen, dem Leistungsstandard seiner Berufsgruppe entsprechenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt beachten muss. Der Charakter einer konkreten Verhaltensnorm ist daher auch unter Bedachtnahme auf die aufgrund des ETG 1992 erlassenen Elektrotechnik-Verordnungen 1996 (BBl 1996/105) und 2002 (BGBl II 2002/222) mit darin für verbindlich erklärten elektrotechnischen Normen (Anhänge I bis III) durchaus gewahrt (vgl auch ImmZ 1990, 287).

Auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Beweislast bei der Verletzung von Schutzgesetzen entsprechen der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Danach trifft den Geschädigten bei Verletzung eines Schutzgesetzes die Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solches. Dabei ist der Nachweis der Tatsache ausreichend, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Der Schädiger hat dagegen zu beweisen, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, etwa weil er sich vorschriftsmäßig verhalten habe oder dass der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre oder ihn an der Übertretung dieses Schutzgesetzes keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit, also kein Verschulden, getroffen habe (vgl 2 Ob 174/05k; 7 Ob 276/03v; RdW 2000/577, 600; ZVR 1999/99 mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der Beklagte diesen ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht habe, steht ihm Einklang mit den Grundsätzen der dargestellten Rechtsprechung. Da sich das Klagebegehren somit schon aus diesem Grund als berechtigt erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die weitere in der Zulassungsbegründung angesprochene Rechtsfrage. Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Beide Rechtsmittelgegner haben auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

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