OGH 15Os73/06h

OGH15Os73/06h3.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. August 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter S***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 25 Ur 300/04z des Landesgerichtes Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 30. Mai 2006, AZ 6 Bs 244/06t (ON 897), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Walter S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Walter S***** wird beim Landesgericht Innsbruck Voruntersuchung unter anderem wegen des Verdachts des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB geführt. Nach dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses soll er im Zeitraum von März bis Oktober 2004 als Verantwortlicher der Firmen „Very Innovativ Product Handels GmbH", „Mercuria Holding & Management GmbH" und „VIP Management & Business GmbH" und Zeichnungsberechtigter hinsichtlich deren Bankkonten einen großen Personenkreis durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, bei Einzahlung eines Beteiligungskapitals Gewinne in Höhe von ca. 0,8 % bis 1 % pro Tag aus Währungsgeschäften und Gewinnvorauszahlungen in zehnfacher Höhe des Kapitals lukrieren zu können, zur Zahlung namhafter Geldbeträge als sogenanntes Beteiligungskapital verleitet haben, das entgegen der Zusage nicht gewinnbringend veranlagt, sondern auf verschiedenen Konten der genannten Firmen verblieben bzw über Anweisungen, unter anderem des Beschuldigten Walter S*****, für die Bezahlung von Aufwendungen der Firmen, Ausschüttungen an stille Gesellschafter und Provisionszahlungen an sich selbst und weitere Personen verwendet wurde. Nach der Zahlung von Nebenkosten seien den Investoren (stillen Gesellschaftern) in einem nur mit persönlichem Passwort zugänglichen und gesperrten „Memberbereich" die angeblich erwirtschafteten Gewinne und Verluste des Beteiligungskapitals falsch angezeigt worden (BS 3 f). Solcher Art sei den Anlegern ein Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro erwachsen (BS 5 iVm S 491/XXXI; laut Zwischenbericht des gerichtlich bestellten Sachverständigen [ON 876] beträgt der Mindestschaden über 12 Millionen Euro). Nach seiner am 21. Oktober 2004 in der Schweiz erfolgten Festnahme und anschließenden Auslieferung nach Österreich verhängte die Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes Innsbruck über Walter S***** mit Beschluss vom 28. 10. 2004 (ON 70) die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a, b und c StPO. Im Anschluss an die Verbüßung der mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. November 2003, GZ 39 Hv 148/03v-15, über ihn wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten in der Zeit vom 3. November 2004 bis 9. Mai 2006 wurde die Untersuchungshaft mit Beschluss vom 9. Mai 2006 aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3, lit a, b und c StPO fortgesetzt (ON 878). Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete seinerseits die weitere Fortsetzung der Haft aus den angeführten Haftgründen bis 31. Juli 2006 an.

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde zuwider hat das Oberlandesgericht die Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO) aus der dem dringenden Tatverdacht zugrunde liegenden massiven, groß angelegten Betrugsdelinquenz mit enormem Schaden in mehrfacher Millionenhöhe und dem gravierend belasteten Vorleben des siebenmal, zuletzt (erst) im November 2003 einschlägig vorbestraften Beschuldigten (S 9/I) tragfähig abgeleitet (BS 10f) und dabei auch die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahrenminderung infolge geänderter Verhältnisse (§ 180 Abs 3 letzter Satz StPO) zu Recht verneint.

Die ausschließlich aus dem zwischenzeitigen, eine weitere Delinquenzmöglichkeit hindernden Strafvollzug in der Dauer von immerhin 1 ½ Jahren resultierende zeitliche Distanz zu den in Rede stehenden Tathandlungen (vgl RIS-Justiz RS0114303, 15 Os 89/05k) aber auch zu den der letzten Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten ist demgegenüber nämlich ebensowenig von Gewicht wie das in der Beschwerde behauptete, aus der bereits längerwährenden Handlungsunfähigkeit der in das Tatgeschehen involvierten Unternehmen abgeleitete faktische Unvermögen der Fortsetzung der konkret vorgeworfenen Betrugshandlungen. Denn die aus der Vorstrafenbelastung, insbesondere aber aus der inkriminierten exzessiven Delinquenz ersichtliche massive kriminelle Täterenergie lässt ungeachtet der Änderung einzelner tatbegegünstigender Umstände die Verwirklichung von strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen auch mit schweren und nicht bloß leichten Folgen auch bei anderen - nicht weiter einzugrenzenden - Gelegenheiten naheliegend erscheinen (vgl 12 Os 90/03). Dass der Beschwerdeführer selbst einräumt, seine Einflussmöglichkeiten auf die beteiligten Unternehmen „nur" infolge der Haft verloren zu haben, zeigt schließlich ebenfalls nur zu deutlich, dass eine Minderung der Tatbegehungsgefahr im Sinne des § 180 Abs 3 letzter Satz StPO aus diesem Umstand nicht abgeleitet werden kann (EvBl 2001/63).

Obwohl es damit eines Eingehens auf den weiteren vom Gerichtshof zweiter Instanz angenommenen Haftgrund der Fluchtgefahr nicht bedarf (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 24), ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Beschwerdegericht - entgegen dem die zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen bloß einer eigenständigen anderen Beurteilung unterziehenden Beschwerdevorbringen - diesen Haftgrund zureichend aus der als Fluchtversuch gewerteten plötzlichen Absetzbewegung des Beschuldigten im Besitz von 2,7 Mio Euro in die Schweiz im Oktober 2004 sowie der im Falle einer Verurteilung aufgrund des Strafsatzes einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren (§§ 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB) konkret drohenden hohen Sanktion - ohne solcherart eine Inlandsintegration besonders erörtern zu müssen (§ 180 Abs 3 erster Satz StPO) - erschlossen hat (BS 9f). Im Hinblick auf das Gewicht der - insbesondere nach § 180 Abs 2 Z 3 StPO massiv vorliegenden - Haftgründe vermag der Beschwerdeführer die Substituierbarkeit der Haft durch Anwendung gelinderer Mittel nicht aufzuzeigen.

Ebenso versagt in Anbetracht der zuvor genannten Sanktionsdrohung und des massiven Umfangs und Gewichts der angelasteten Delinquenz der - nicht näher substantiierte - Einwand der Unverhältnismäßigkeit (§ 180 Abs 1 StPO) der zum relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erst rund einmonatigen Haft.

Somit wurde der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Stichworte