OGH 9ObA107/05h

OGH9ObA107/05h12.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Reinhold U*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei T***** ***** Handels GmbH, *****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 6.412,70 sA, über die Revision (Revisionsinteresse EUR 4.256,92 sA) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Jänner 2005, GZ 8 Ra 86/04k-29, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. April 2004, GZ 29 Cga 16/03d-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 27. 8. 1997 bis 31. 3. 1998 bei der H***** ***** Handelsgesellschaft mbH und ab 1. 4. 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 31. 10. 2002, welches der Kläger am selben Tag übernahm, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. 12. 2002. Im Revisionsverfahren ist zwischen den Parteien nicht mehr strittig, dass die beim früheren Unternehmen verbrachte Dienstzeit auf die Gesamtdienstzeit anzurechnen ist, sodass diese jedenfalls fünf Jahre betrug. Auch ist nicht mehr strittig, dass - jedenfalls durch Vertrag - der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten anzuwenden ist.

Strittig ist lediglich, ob die besonderen Voraussetzungen des Punktes XVII Z 1 zweiter Satz des Kollektivvertrages auf den Kläger zutreffen. Diese Bestimmung lautet: „.... Hat das Arbeitsverhältnis der tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit im gleichen Betrieb länger als fünf Jahre gedauert, so ist die Kündigung durch den Arbeitgeber nur nach den Bestimmungen des § 20 Abs 2 AngG zum Ende eines Kalenderviertels möglich, soweit § 20 Abs 1 AngG anzuwenden ist."

Zwischen den Streitteilen war gemäß § 20 Abs 3 AngG vereinbart worden, dass die Kündigungsfrist auch am 15. oder am Letzten eines Kalendermonates endigen kann.

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Anwendbarkeit dieser Kollektivvertragsbestimmung, Kündigungsentschädigung bis zum 31. 3. 2003: ausgehend von einer dreimonatigen Kündigungsfrist habe die Beklagte ordnungsgemäß nur zum 31. 3. 2003 als nächstem Quartal kündigen können.

Die Beklagte bestritt die Anwendbarkeit der vorgenannten Kollektivvertragsbestimmung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insoweit Folge, als es dem Kläger, ausgehend von einer drei-monatigen Kündigungsfrist Kündigungsentschädigung bis zum 31. 1. 2003 zuerkannte. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Der Kläger habe überwiegend Nicht - Angestelltentätigkeiten verrichtet, er sei daher nur als Angestellter „ex contractu" zu beurteilen. Damit liege aber keine „tatsächliche kaufmännische Tätigkeit im gleichen Betrieb" im Sinne des Kollektivvertrages vor. Damit sei die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung über eine Kündigungsmöglichkeit zum Monatsende nach wie vor wirksam geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze für Kollektivverträge den über den Zuspruch des Erstgerichts hinausgehenden Anspruch des Klägers zutreffend verneint. Es kann daher insoweit auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen in der Revision entgegenzuhalten:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren die Tätigkeiten des Klägers sowohl beim Vorgängerunternehmen als auch im Unternehmen der Beklagten weit überwiegend handwerklicher Natur. Dass der Kläger auch über ein „Know-How" verfügte, das ihn für die Beklagte als Arbeitnehmer interessant machte, ändert nichts an dem Grundsatz, dass für die Bewertung, ob Angestellten- oder Arbeitertätigkeiten vorliegen, diese Tätigkeiten nicht „zu atomisieren und in einzelne Verrichtungen zu zerstückeln", sondern in ihrem Zusammenhang zu sehen und gesamt zu bewerten sind (RIS-Justiz RS0028058). Diese Gesamtbetrachtung stützt jedenfalls die Beurteilung durch das Berufungsgericht. Auch ist in keiner Weise hervorgekommen, dass der Kläger zu Arbeiten herangezogen worden wäre, die nicht seinem Dienstvertrag entsprochen hätten.

Das Schwergewicht der rechtlichen Beurteilung liegt somit darauf, welche Bedeutung der Wortfolge des Punktes XVII Z 1 zweiter Satz Kollektivvertrag zukommt, wonach das Arbeitsverhältnis der tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit im gleichen Betrieb länger als fünf Jahre gedauert hat. Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden muss, dass sie eine vernünftige, zweckentspreche und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RIS-Justiz RS0008828), muss angenommen werden, dass sie durch die Betonung der „tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit" dieser besonderes Gewicht beimessen wollten. So hat der Oberste Gerichtshof (in Auslegung der Vorgängerbestimmung Art IX KollV der HandelsAng) bereits judiziert, dass beispielsweise eine im gleichen Betrieb zurückgelegte Lehrlingstätigkeit nicht unter diese Tätigkeiten fällt (4 Ob 66/80). Daneben ist dieser Bestimmung aber auch der schon vom Berufungsgericht erkannte Sinn zu unterlegen, dass die Kollektivvertragspartner mit der „tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit" auch eine zumindest überwiegende Angestelltentätigkeit ins Auge fassen wollten. Damit erweisen sich auch die Betrachtungen zur „überwiegenden Tätigkeit" als anwendbar, die von der Judikatur zur Abgrenzung zwischen Angestellten- und Arbeitertätigkeiten angestellt wurden (RIS-Justiz RS0028012; RS0028097).

Die vom Kläger erwogene diskriminierende Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern durch Punkt XVII Z 1 zweiter Satz KollV ist auch nicht ansatzweise zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte