Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 199,87 (darin EUR 33,31 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 31. 7. 2003, *****, der Konkurs eröffnet. Ab 15. 9. 2003 war die Klägerin beim Beklagten beschäftigt, und zwar zuletzt als Tafelarbeiterin bzw Vizemischerin. Per 30. 3. 2004 wurde das Arbeitsverhältnis durch begründete Entlassung der Klägerin beendet. Mit Beschluss vom 14. 4. 2004 wurde der Konkurs über das Vermögen der Klägerin gemäß § 196 KO aufgehoben.
Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage restliche Nachtzuschläge, Entgeltfortzahlungsdifferenz, Urlaubsentgelt und Urlaubsersatzleistung in der Höhe von zuletzt EUR 418,71 brutto sA. Der Beklagte bestritt, beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete - soweit im Revisionsverfahren noch relevant - ein, dass die Klägerin nicht aktiv legitimiert sei, weil die in Klage gezogenen Ansprüche aus dem Zeitraum des Konkursverfahrens stammen. Die Klageforderung würde - wenn überhaupt - nur der Konkursmasse zustehen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung des unstrittigen Sachverhalts statt. Mit der rechtskräftigen Konkursaufhebung könne der Gemeinschuldner wieder frei über sein Vermögen verfügen (§ 59 KO). Bei erst nachträglich ermittelten Vermögensstücken iSd § 138 Abs 2 KO komme es nicht zu einer Fortdauer des Konkursbeschlags, sondern entstehe dieser erst ex nunc mit der Anordnung der Nachtragsverteilung. Verfügungen des (ehemaligen) Gemeinschuldners über nachträglich ermittelte Vermögensstücke seien daher wirksam. Die Klägerin sei aktiv legitimiert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei. Bei nachträglich ermittelten Vermögensstücken iSd § 138 Abs 2 KO stelle erst die beschlussmäßige Anordnung der Nachtragsverteilung den Konkursbeschlag her. Es sei Sache des Konkursgerichts über die Zuordnung von Vermögensstücken zur Konkursmasse zu entscheiden. Die Klägerin könne Zahlung an sich verlangen; der vom Beklagten intendierten Zahlung des Klagebetrags lediglich „an die Konkursmasse" sei zu erwidern, dass die Konkursmasse kein selbständiger Rechtsträger sei. Malversationen der Klägerin im Konkurs seien vom Beklagten in erster Instanz nicht behauptet worden. Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt. Im Revisionsverfahren geht es ausschließlich um die Aktivlegitimation der Klägerin. Diese wurde von den Vorinstanzen zutreffend bejaht.
Zusammenfassend stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
Der Konkurs ist mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplans aufgehoben (§ 196 Abs 1 KO). Durch die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses tritt der Gemeinschuldner wieder in das Recht, über sein Vermögen frei zu verfügen (§ 59 KO). Dass der Zahlungsplan im Konkurs der Klägerin ausnahmsweise etwas anderes bestimmt habe (vgl Mohr in Konecny/Schubert, KO § 196 Rz 1), wurde nicht behauptet. Nach allgemeiner Auffassung endet mit der rechtskräftigen Aufhebung des Konkurses für das im Konkursverfahren bereits bekannte und unverwertet gebliebene Vermögen des Gemeinschuldners der Konkursbeschlag durch die nach § 10 KO bestandene Exekutionssperre. Der ehemalige Gemeinschuldner wird wieder berechtigt, über sein Vermögen (auch das vormals konkursunterworfene) frei zu verfügen (Jelinek/Nunner-Krautgasser in Konecny/Schubert, KO § 59 Rz 19 ff; 3 Ob 94/95 ua). Die Aufhebung des Konkurses bewirkt, dass die haftungsrechtliche Zuweisung an die Konkursgläubiger endet und die Konkursmasse „entstrickt" wird. Die (verbliebenen) Massebestandteile gebühren dem (ehemaligen) Gemeinschuldner (Jelinek/Nunner-Krautgasser aaO § 59 Rz 22). Wenn nach der Schlussverteilung oder nach der Aufhebung des Konkurses Vermögensstücke ermittelt werden, die zur Konkursmasse gehören, so sind sie auf Grund des Schlussverteilungsentwurfs vom Masseverwalter mit Genehmigung des Konkursgerichts zu verteilen (§ 138 Abs 1 und 2 KO). Dies gilt auch im Fall der Aufhebung des Konkurses nach § 196 Abs 1 KO (8 Ob 232/00a). Nachträglich ermittelt ist ein Vermögen dann, wenn seine Existenz vor der Schlussverteilung bzw während des Konkursverfahrens unbekannt war, wobei es unerheblich ist, warum die Ermittlung verspätet erfolgt ist (Jelinek, Unterbleiben der Realisierung von Massebestandteilen und Nachtragsverteilung, in FS Sprung 195 [202]). Das Konkursgericht kann von einer nachträglichen Verteilung nach allfälliger Einvernehmung des Masseverwalters und des Gläubigerausschusses absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag dem Gemeinschuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags und die Kosten einer nachträglichen Verteilung entsprechend erscheint (§ 138 Abs 3 KO). Entgegen der Annahme des Revisionswerbers kommt es bei den zur „Sollmasse" gehörigen, jedoch erst nachträglich ermittelten Vermögensstücken iSd § 138 Abs 2 KO zu keiner Fortdauer des Konkursbeschlags (Bartsch/Pollak, KO³ § 138 Anm 8;
Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 637; Jelinek aaO 204 f;
Jelinek/Nunner-Krautgasser aaO § 59 Rz 25). Der Standpunkt des Revisionswerbers kann auch nicht auf 5 Ob 367, 368/61, JBl 1962, 455, gestützt werden; offenbar missversteht der Revisionswerber diese Entscheidung. Zwischenzeitliche Verfügungen des Gemeinschuldners über nachträglich ermittelte Vermögensstücke sind daher - von „Malversationen" des ehemaligen Gemeinschuldners und seiner Vertragspartner einmal abgesehen - ebenso wirksam wie Einzelexekutionszugriffe durch Gläubiger. „Malversationen" wurden vom Beklagten in erster Instanz nicht behauptet; für „amtswegige Nachtforschungen" bestand weder Grundlage noch Anlass. Eine aus der bloßen Möglichkeit eines Nachtragsverteilungsverfahrens „fortwirkende" Exekutionssperre gibt es somit nicht (3 Ob 94/95). Die ausschließliche funktionelle Zuständigkeit über die Einleitung der Nachtragsverteilung und das ihr zu unterwerfende Vermögen zu entscheiden, liegt beim Konkursgericht (8 Ob 190/98v; 8 Ob 240/02f ua). Bis zur Beschlussfassung über die Nachtragsverteilung werden die gesetzlichen Wirkungen der Konkursaufhebung nicht berührt (vgl 5 Ob 367, 368/61, JBl 1962, 455; 8 Ob 190/98v ua). Erst durch die beschlussmäßige Anordnung der Nachtragsverteilung wird der Konkursbeschlag ex nunc wieder hergestellt (Jelinek/Nunner-Krautgasser aaO § 59 Rz 25; 5 Ob 367, 368/61, JBl 1962, 455; 3 Ob 94/95 ua). Die gegenteiligen „Wertungen" des Revisionswerbers übergehen die klare Regelung des § 59 KO, wonach der Gemeinschuldner durch die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses wieder in das Recht tritt, über sein Vermögen frei zu verfügen. Da ein Beschluss über die Nachtragsverteilung bisher nicht vorliegt, ist an der aktiven Klagelegitimation der Klägerin nicht zu zweifeln. Für die dem Revisionswerber vorschwebende Zahlung der Klageforderung „an die Konkursmasse" besteht keine Grundlage.
Der unbegründeten Revision des Beklagten muss deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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