OGH 3Ob94/95

OGH3Ob94/9511.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Bank ***** AG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Thewanger ua Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichtete Partei Dr.Rudolf H*****, vertreten durch Dr.Ernst Zauner, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 421.096,02 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 22.Juni 1995, GZ 2 R 118/95-352, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 15.März 1995, GZ S 36/84-342, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit S 19.080 (darin S 3.180 Umsatzsteuer) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.

Text

Begründung

Über das Vermögen des Verpflichteten wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 5.6.1984, GZ S 36/84-2, der (Anschluß-)Konkurs eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war der Verpflichtete Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der M***** GmbH mit dem Sitz in Steyr (FN ***** LG Steyr; früher HRB *****). Diese GmbH war und ist Komplementärgesellschaft der H***** GmbH & Co KG, über deren Vermögen zu AZ S 37/84 des Kreisgerichtes Wels der Konkurs eröffnet wurde. Weiters war der Verpflichtete am 5.6.1984 Geschäftsführer und zu 48 % der Stammanteile Gesellschafter der H***** GmbH mit dem Sitz in Wels (FN ***** LG Wels; früher HRB *****). Diese GmbH war und ist die Komplementärgesellschaft der H***** GmbH & Co, über deren Vermögen vom Kreisgericht Wels schon am 14.5.1984 zu AZ S 31/84 der Konkurs eröffnet wurde. An dieser letztgenannten Gesellschaft ist der Verpflichtete als Kommanditist mit einer Einlage von S 1,500.000 beteiligt. Die Konkursverfahren über die beiden genannten Kommanditgesellschaften sind noch beim Landesgericht Wels anhängig, die beiden genannten Gesellschaften mbH blieben bislang konkursfrei.

Der Verpflichtete hat seine Stammeinlagen- und Kommanditbeteiligungen an diesen vier Gesellschaften in seinem Ausgleichs-. und Konkursverfahren keineswegs verheimlicht, sondern ihnen Vermögenswert beigemessen. Diesen Standpunkt teilte der Masseverwalter im Konkurs des Verpflichteten hingegen nicht, vielmehr äußerte er dem Konkursgericht gegenüber "kurz und bündig", daß die Beteiligung des Gemeinschuldners (Verpflichteten) bei den "H*****" (beiden Kommanditgesellschaften) im Hinblick auf deren Insolvenz mit Null zu bewerten seien. Darauf beantragte der Verpflichtete als Gemeinschuldner am 21.1.1988, die vom Masseverwalter als wertlos bezeichneten eingangs dargestellten Beteiligungen gemäß § 119 Abs 5 KO auszusondern und ihm zur freien Verfügung zu überlassen. Dieser Antrag wurde dem Masseverwalter zur Äußerung übermittelt, geriet aber nach mehrfacher Erstreckung der Äußerungsfrist "in Vergessenheit" und wurde vor der Aufhebung des Konkurses keiner aktenkundigen Erledigung zugeführt. Mit Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 24.5.1994, GZ S 36/84-320, wurde der über das Vermögen des Verpflichteten eröffnete Konkurs gemäß § 166 Abs 2 KO - mangels Kostendeckung - aufgehoben. Dieser Beschluß erwuchs am 15.6.1994 in Rechtskraft.

Mit Beschluß vom 15.3.1995, GZ S 36/94-342, bewilligte das Landesgericht Wels als Konkurs(Titel-)gericht der betreibenden Partei zur Hereinbringung der von dieser als Konkursforderung Nr 42 angemeldeten und festgestellten Forderung von S 421.096,02 samt Antragskosten die Exekution durch Pfändung des dem Verpflichteten zustehenden Geschäftsanteiles in Höhe der übernommenen Stammeinlage von S 100.000 an der M***** GmbH (in Steyr); der Drittschuldnerin wurde verboten, an den Verpflichteten zu leisten, diesem wurde jede Verfügung über den Geschäftsanteil verboten, die Entscheidung über den Verwertungsantrag (Verkauf des Geschäftsanteils gemäß § 76 Abs 4 GmbHG) wurde vorbehalten. Dieses Exekutionsverfahren ist beim Bezirksgericht Steyr zu AZ 12 E 1117/95 anhängig.

Das Gericht zweiter Instanz änderte infolge Rekurses des Verpflichteten den erstinstanzlichen Beschluß in die Zurückweisung des Exekutionsbewilligungsantrags ab, hob die im Exekutionsverfahren gesetzten Pfändungsakte und Verbote auf und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es vertrat folgende Rechtsansicht:

Die in Exekution gezogene Gesellschaftsbeteiligung des Verpflichteten sei bis zur Aufhebung des Konkurses Bestandteil der Konkursmasse geblieben. Sie wäre, lohnte sich ihre Verwertung, vom Masseverwalter im Interesse aller Masse- und Konkursgläubiger zu verwerten gewesen. Es könne nicht Sinn und Zweck eines der gleichmäßigen Gesamtexekution im Interesse aller Gläubiger dienenden Konkursverfahrens sein, die Verwertung von Massevermögen zu bagatellisieren, zu verschlampen oder zu hintertreiben, damit dann nach Beendigung des Konkursverfahrens einzelne initiative Gläubiger eine Einzelrechtsverfolgung auf solche Vermögensstücke in Gang setzen könnten. Letzteres wolle die Bestimmung des § 138 Abs 2 KO verhindern. Ein vom Konkursgericht über ein Steuerguthaben des Verpflichteten eingeleitetes Nachtragsverteilungsverfahren gemäß § 138 Abs 2 KO sei vom Rekursgericht (bestätigt durch Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 30.3.1995, 8 Ob 6/95) nur deshalb abgelehnt worden, weil dieses vom Gemeinschuldner behauptete "Steuerguthaben" über seinen Antrag gemäß § 119 Abs 5 KO rechtskräftig aus dem Konkurs ausgeschieden und ihm zur freien Verfügung überlassen worden sei. Eine solche Ausscheidung sei hier vom Verpflichteten als Gemeinschuldner zwar beantragt, aber nicht vorgenommen worden. Werde nun behauptet, diese Beteiligungen könnten verwertet werden, dann habe diese Verwertung durch das Konkursgericht zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu erfolgen. Dieses Vermögen sei der Einzelrechtsverfolgung durch einzelne (ehemalige Konkurs-)Gläubiger zu entziehen, insoweit wirke nämlich die Exekutionssperre des § 10 KO noch nach. In dem in § 138 Abs 3 KO vorgesehenen Vorprüfungsverfahren habe das Konkursgericht das im Zusammenhang mit dem "Aussonderungsantrag" des Gemeinschulders Versäumte nachzuholen. Daß im aufgehobenen Konkursverfahren keine Schlußverteilung stattgefunden habe, stehe einer Nachtragsverteilung gemäß § 138 Abs 2 KO - entgegen der Ansicht von Bartsch-Pollak (Anm 1 und 10 zu § 138 KO) nicht entgegen, weil hinsichtlich verschiedener Konkursaufhebungstatbestände im § 138 Abs 2 KO nicht differenziert werde. Die amtswegige Einleitung eines aufwendigen Nachtragsverteilungsverfahrens (zunächst Vorprüfungsverfahrens) bzw ein diesbezüglicher rekursgerichtlicher Auftrag an das Konkursgericht komme allerdings nicht in Betracht, weil das Konkursgericht und der ehemalige Masseverwalter bisher davon ausgegangen seien, daß die Beteiligungen des Gemeinschuldners wertlos seien, so daß insoweit die Voraussetzung des § 138 Abs 2 KO ("wenn nach der Aufhebung des Konkurses Vermögensstücke ermittelt werden") nicht greife. Vielmehr erscheine es zweckmäßig, nach Rechtskraft dieses Beschlusses allfällige Anträge der mit ihren Exekutionsanträgen zurückgewiesenen oder anderer Konkursgläubiger auf Einleitung einer Nachtragsverteilung abzuwarten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt.

Gemäß § 138 Abs 1 KO sind, wenn nach dem Vollzug der Schlußverteilung Beträge, die bei Gericht erlegt worden sind, für die Masse frei werden oder wenn sonst bezahlte Beträge in die Masse zurückfließen, auf Grund des Schlußverteilungsentwurfes vom Masseverwalter mit Genehmigung des Konkursgerichtes zu verteilen. Gemäß Abs 2 gilt das Gleiche, wenn nach der Schlußverteilung oder nach der Aufhebung des Konkurses Vermögensstücke ermittelt werden, die zur Konkursmasse gehören.

Bartsch/Pollak (I3 602) vertreten die Auffassung, daß Nachtragsverteilungen - einmal oder mehrere Male - sowohl vor, als auch nach der Konkursaufhebung stattfinden können, aber nur dann, wenn die Konkursbeendigung aufgrund der Ausschüttung der Masse erfolgte; geschah die Konkursaufhebung aus einem anderen Aufhebungsgrund, zB wegen Vermögensmangels, so gebe es keine Nachtragsverteilungen.

Petschek/Reimer/Schiemer (Österreichisches Insolvenzrecht 633 ff; 636

f) sehen Nachtragsverteilungen als - allenfalls wiederholt sich ereignende - Verteilungen von Massebarschaften nach einer Schlußverteilung, ob ihr schon die Aufhebung des Konkurses gefolgt ist oder noch nicht. Nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses unterlägen die zur Nachtragsverteilung in Rede stehenden Objekte allerdings gemäß § 59 KO nicht mehr dem Konkursbeschlag, so daß das Wort "Konkursvermögen" in der Überschrift des § 138 KO nicht "technisch" genommen werden dürfe, sondern sich ebenso wie die in § 138 Abs 2 KO enthaltenen Worte "....die zur Konkursmasse gehören" daraus erklärten, daß dieser Fall (der Ermittlung von Vermögensstücken nach der Aufhebung des Konkurses) mit jenem der Nachtragsverteilung vor Konkursaufhebung zusammengekoppelt worden sei. Eine neuerliche Verstrickung dieser Gegenstände könne erst durch ein Nachtragsverteilungsverfahren (Zustellung eines das Verfahren nach § 138 KO einleitenden - im Nachtragsverteilungsverfahren innerhalb des Konkurses entbehrlichen - Beschlusses des Konkursgerichtes an den ehemaligen Gemeinschuldner mit entsprechender Veröffentlichung) eintreten.

Bei vergleichbarer Rechtslage in Deutschland (§ 166 Abs 2 dKO) vertreten Jaeger/Weber (KO8 § 166 Einl) für diesen Fall die Auffassung, daß bei Hervorkommen neuer Aktiven nur ein neuer Konkurs nach allgemeinen Vorschriften eröffnet werden könne.

Kuhn/Uhlenbruck (KO11 Rz 1 zu § 166) sind ebenfalls der Ansicht, daß eine Nachtragsverteilung nur bei Aufhebung des Konkurses durch Schlußverteilung in Betracht kommt.

Die Frage, ob in einem Fall wie dem hier vorliegenden eine Nachtragsverteilung (ein solches Verfahren) überhaupt nicht möglich ist, oder ob jedenfalls - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ein solches Verfahren auch ohne vorgängige Schlußverteilung möglich sei, muß indes hier aus folgenden Gründen nicht entschieden werden:

Allgemeiner Auffassung nach endet mit der rechtskräftigen Aufhebung des Konkurses gemäß § 59 KO - für das im Konkursverfahren bereits bekannte und unverwertet gebliebene Vermögen des Gemeinschuldners - ua der Konkursbeschlag durch die nach § 10 KO bestandene Exekutionssperre. Der ehemalige Gemeinschuldner wird wieder berechtigt, über sein Vermögen (auch das vormals konkursunterworfene) frei zu verfügen (SZ 40/149 ua; Bartsch/Pollak aaO 604;

Petschek/Reimer/Schiemer aaO 636; vgl auch Jaeger/Weber aaO Anm 7;

Kuhn/Uhlenbruck aaO Rz 7). Zwischenzeitliche Verfügungen des Gemeinschuldners über solche "nachträglich ermittelte Vermögensstücke (im Sinn des § 138 KO)" sind - von Malversationen des ehemaligen Gemeinschuldners und seiner Vertragspartner einmal abgesehen - ebenso wirksam wie Einzelexekutionszugriffe (Sondervollstreckungen) durch (wenn auch ehemalige Konkurs-)Gläubiger. Eine neuerliche Verstrickung solcher "ehemaliger Konkursmassestücke" kann immer erst "konstitutiv" ab der nach außen (durch Zustellung an den ehemaligen Gemeinschuldner und Anschlag an die Gerichtstafel) wirksamen konkursgerichtlichen Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 138 KO erfolgen, wobei es trotz einer solchen Anordnung bei der Aufhebung des Konkurses und deren Wirkungen (§§ 59 ff KO) zu verbleiben hat (JBl 1962, 455;

Bartsch/Pollak aaO; Petschek/Reimer/Schiemer aaO; Kuhn/Uhlenbruck aaO). Eine aus der bloßen Möglichkeit eines Nachtragsverteilungsverfahrens "fortwirkende" Exekutionssperre im Sinne des § 10 KO, wie sie das Rekursgericht in der angefochtenen Entscheidung annimmt, gibt es somit nicht.

Da ein konkursgerichtlicher Beschluß auf Anordnung eines Nachtragsverteilungsverfahrens über die im Konkurs vom Masseverwalter und vom Konkursgericht als wertlos erachteten "Beteiligungen" des Verpflichteten nicht vorliegt, ist der hier in Exekution gezogene Geschäftsanteil des Verpflichteten dem Einzelexekutionszugriff der betreibenden Partei nicht entzogen.

Die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung ist daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 74 und 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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