OGH 9ObA68/06z

OGH9ObA68/06z12.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karisa K*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Siglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Michael G*****, vertreten durch Dr. Martin Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 15.663,50 und Ausstellung eines Dienstzeugnisses, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2006, GZ 8 Ra 174/05z-20, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann keine Rede davon sein, dass der Kläger seine Ansprüche auf Mehrstunden- bzw Überstundenentgelt nicht iSd § 10 der Tarifordnung für das Zahntechnikerhandwerk innerhalb von zwei Monaten „geltend gemacht" hätte. Der erkennende Senat hat zu 9 ObA 166/00b zu dieser Bestimmung ausgeführt, dass unter „Geltendmachung" von Überstundenentgelt kein förmliches Einmahnen zu verstehen ist, sondern ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbar ersichtliches Fordern einer Leistung im Sinne einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung.

Die Vorinstanzen haben den festgestellten Sachverhalt ganz zu Recht als ausreichendes „Geltendmachen" beurteilt, hat doch der Kläger dem Beklagten jeweils am Monatsende schriftliche Zeitaufzeichnungen übergeben, worauf der Beklagte erklärte, die Mehr- bzw Überstunden würden bezahlt, wenn der Betrieb besser liefe. Schon daraus ist ohne jeden Zweifel abzuleiten, dass der Beklagte das Vorgehen des Klägers als Geltendmachung von Mehr- bzw Überstundenentgelt verstanden hat. Die vom Revisionswerber dagegen ins Treffen geführten Entscheidungen betreffen ganz anders gelagerte Sachverhalte. Unverständlich ist der Hinweis, dass ein bloß mündliches Einfordern nicht ausreiche, hat doch der Kläger jeweils schriftliche Aufzeichnungen übergeben. Warum es entscheidend sein sollte, ob der Kläger seine Aufzeichnungen auf Initiative seines Dienstgebers erstellt hat, ist nicht nachvollziehbar.

2. Soweit der Revisionswerber den Vorwurf erhebt, „das Berufungsgericht" habe von der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO zu Unrecht Gebrauch gemacht, ist vorerst klarzustellen, dass das Berufungsgericht das entsprechende Vorgehen des Erstgerichts gebilligt hat. Der Revisionswerber übersieht, dass nach ganz herrschender Judikatur ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (vgl nur die Nachweise bei Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 3). Die Frage, ob § 273 ZPO anzuwenden ist, stellt eine Frage des Verfahrensrechts dar (Rechberger in Rechberger2 § 273 ZPO Rz 3 mwN); eine Fehlbeurteilung begründet einen Mangel des (erstinstanzlichen) Verfahrens.

3. Kaum verständlich ist die Rechtsbehauptung des Revisionswerbers, seine Erklärung, die Mehr- bzw Überstunden würden bezahlt werden, wenn sich der Geschäftsgang verbessere, sei im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung dahin zu verstehen, dass eine „Bezahlung von Überstunden nur nach besserem Geschäftsgang erfolgen sollte". Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich weder eine einvernehmliche Stundung der entsprechenden Entgeltsansprüche des Klägers noch gar ein Verzicht für den Fall einer nicht ausreichenden Besserung des Geschäftsgangs. Im Übrigen wäre nur der seinerzeit abgeschlossene Dienstvertrag allenfalls einer ergänzenden Auslegung zugänglich, nicht aber eine einseitige, vom Kläger nicht weiter kommentierte Erklärung des Dienstgebers anlässlich der Einforderung von Überstundenentgelten.

4. Soweit der Revisionswerber schließlich den Inhalt des vom Kläger begehrten Dienstzeugnisses insoweit moniert, als er bemängelt, dass aus der Formulierung im Urteilsantrag die Firma seines ursprünglichen Dienstgebers nicht hervorgehe, übersieht er, dass eine entsprechende Einwendung im Verfahren erster Instanz nicht erhoben worden war. Sie kann in Anbetracht des Neuerungsverbots im Rechtsmittelverfahren nicht mehr nachgeholt werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte