Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 7. 6. 2001 zog sich ein damals 6-jähriges Kind in einem öffentlichen Kindergarten eine Verletzung eines Fingers zu, als ein hölzerner Liegestuhl zusammenklappte. Der Unfall war auf mangelhafte Beaufsichtigung durch die Kindergärtnerinnen zurückzuführen, weswegen die den Kindergarten betreibende Gemeinde (= klagende Partei) zu Schadenersatzleistungen an das Kind sowie zu einem Kostenersatz verurteilt wurde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt diese Gemeinde den Rückersatz dieser (von ihr erbrachten) Leistungen zuzüglich ihrer eigenen Verfahrenskosten im Gesamtbetrag von 7.474,31 EUR mit dem Vorbringen, das beklagte Land Niederösterreich sei Dienstgeber der Schuld tragenden Kindergärtnerin und hafte ferner als Aufsichtsbehörde nach dem niederösterreichischen Kindergartengesetz (NÖKGG), weil die Kindergarteninspektorin die mangelnde Eignung des Liegestuhls nicht erkannt habe.
Die beklagte Partei wendete vor allem ein, eine Kindergärtnerin sei nicht als ihr Organ anzusehen, da diese nicht hoheitlich gehandelt habe. Das Verhalten der Kindergärtnerin sei ausschließlich der klagenden Gemeinde zuzurechnen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise - nämlich durch Zuspruch des von der klagenden Partei geleisteten Schmerzengeldbetrags von 3.400 EUR - statt und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in ein gänzlich klagsabweisendes Urteil ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Die Revision der klagenden Partei ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Eine Haftung des beklagten Landes könnte allein daraus resultieren, dass dessen Organen ein rechtswidrig schuldhaftes Verhalten in Wahrnehmung der dem Land nach den §§ 11 und 12 bzw 14 des NÖ. Kindergartengesetzes 1996 (NÖKGG) - in der auf den vorliegenden Fall noch zur Anwendung zu bringenden Fassung LGBl 5060-1 übertragenen Aufgaben als Aufsichtsbehörde über die Kindergärten anzulasten ist. Eine Haftung des beklagten Landes in dessen Eigenschaft als Dienstgeber der im Kindergarten eingesetzten Kindergärtnerin kommt hingegen nicht in Betracht:
Gesetzlicher Erhalter eines öffentlichen Kindergartens ist gem § 19 NÖKGG die Gemeinde, in deren Gebiet sich der Kindergarten befindet. Zwar fördert das Land einen Kindergarten u. a. - wie hier - durch die Beistellung der Kindergartenleiterin sowie der erforderlichen Anzahl an Kindergärtnerinnen, übt die Diensthoheit aus und trägt den Personalaufwand (§ 22 Abs 4 Z 1 NÖKGG). Ob der für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Handelnde (hier die Kindergärtnerin) zu deren Personalstand gehört, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht wesentlich. Bei Klärung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem AHG endgültig zu haften hat, kommt es nämlich nicht darauf an, wessen Organ (organisatorisch) der angeblich Schuldtragende war, sondern ist allein entscheidend die zugeteilte Aufgabe und die ausgeübte Tätigkeit, also der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ im Zeitpunkt der schuldhaften Rechtsverletzung tätig war oder tätig zu sein hatte („Funktionstheorie": SZ 2003/28; SZ 71/99; SZ 70/104; SZ 68/190; RIS-Justiz RS0049888). Es besteht kein Zweifel daran, dass im Sinn dieser Ausführungen die Kindergärtnerin in jenem Zeitpunkt, als sie das Kind unbeaufsichtigt einen Liegestuhl aufstellen ließ, funktionell für die klagende Gemeinde tätig wurde, die den Kindergarten betreibt und erhält. Dies führt zu dem Ergebnis, dass allein der klagenden Gemeinde das darin gelegene Verschulden der Kindergärtnerin zurechenbar ist, nicht aber dem beklagten Land. Schon auf Grund dieses Ergebnisses stellt sich die vom Berufungsgericht als Begründung für die Zulassung der Revision genannte Frage nicht, ob nämlich eine auf der Grundlage des NÖKGG tätige Kindergärtnerin bei Betreuung einer Kleinkindergruppe hoheitlich oder privatwirtschaftlich tätig wird. Diese Frage kann im vorliegenden (Regress-)Verfahren unbeantwortet bleiben.
Auch die Haftung des beklagten Landes in dessen Eigenschaft als Aufsichtsbehörde ist zu verneinen:
Gemäß § 13 NÖKGG ist unter Erhaltung eines Kindergartens u.a die Bereitstellung und Instandhaltung der Einrichtung, des notwendigen Beschäftigungsmaterials und der Bildungsmittel, aber auch die Beistellung des Kindergartenpersonals zu verstehen. Die Aufsicht über die Erhaltung der Kindergärten führt die Bezirksverwaltungsbehörde, die mindestens einmal im Kindergartenjahr der Landesregierung über ihre Aufsichtstätigkeit zu berichten hat. Kommt der Kindergartenerhalter seinen ihm nach dem Gesetz obliegenden Pflichten nicht nach, so hat die Aufsichtsbehörde den Kindergartenerhalter dazu aufzufordern und bei Nichterfüllung mit Bescheid die nichterfüllte Verpflichtung festzustellen und eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung vorzuschreiben (§ 14 Abs 1 und 2 NÖKGG). Gemäß § 11 Abs1 NÖKGG hat die Landesregierung die fachliche Aufsicht über die Kindergärten. Zur Ausübung der Aufsicht hat die Landesregierung Kindergarteninspektorinnen zu bestellen, die die zuständigen Stellen von den beobachteten und festgestellten Mängeln zu informieren haben (§ 11 Abs 2). Die Aufsicht und Beratung erstreckt sich u.a. auf die Tätigkeit der Kindergärtnerinnen in pädagogischer, didaktischer und administrativer Hinsicht (§ 11 Abs 1 Z 1), aber auch auf die Ausstattung und Einrichtung des Kindergartens (§ 11 Abs 1 Z 7).
Ein rechtswidrig schuldhaftes Verhalten der für die Aufsicht bestimmten Organe der Bezirksverwaltungsbehörde bzw der Kindergarteninspektorin könnte nur darin liegen, dass diese das Vorhandensein des (dem Kindergarten von dritter Seite geschenkten) Liegestuhls im Kindergarten nicht als potentielle Gefahrenquelle erkannt und in Ausübung ihrer Aufsicht über die Einrichtung des Kindergartens bzw in Ausübung der fachlichen Aufsicht und Beratung nicht auf dessen Beseitigung bzw Nichtverwendung gedrungen hätten. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, allein das Vorhandenseins des Liegestuhls im Kindergarten habe noch keinen Anlass zum Einschreiten der Aufsichtsorgane geboten, stellt jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar. Der Landesgesetzgeber hat seinen Organen zur Wahrnehmung der Aufsichtspflicht über die Kindergärten Überwachungspflichten, u. a. betreffend die Einrichtung der Kindergärten aufgetragen. Diese können wohl nur als Sorgfaltsverbindlichkeiten und nicht als Erfolgsverbindlichkeiten aufgefasst werden. Gefordert ist nur das sorgfältige Bemühen um den Erfolg, nämlich dass den Kindern durch die Einrichtungsgegenstände des Kindergartens kein Schaden entsteht. Rechtswidrig kann nur die Unterlassung jener Überwachungsschritte sein, die unter Zugrundelegung einer ordnungsgemäß wahrgenommenen Beaufsichtigung der Kinder für die Gewährleistung deren Sicherheit erforderlich wären, um Verletzungen zu vermeiden. Das Unterlassen konkreter Überwachungsschritte ist dann nicht rechtwidrig, wenn die Sicherheit im Kindergarten nicht durch typischerweise für Kleinkinder ungeeignete oder schadhafte Einrichtungsgegenstände gefährdet erscheint. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die von einem Liegestuhl für Kindergartenkinder ausgehende Gefahr sich nur realisieren kann, wenn die Kinder bei dessen Aufstellen bzw Benützung nicht beaufsichtigt und entsprechend angeleitet werden, weswegen keine Rechtwidrigkeit dadurch begründet ist, dass die Aufsichtsorgane des Landes keine Schritte zu dessen Entfernung gesetzt haben, stellt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung dar. Zudem ist diese Rechtsfrage eine solche des Einzelfalls; § 502 Abs 1 ZPO würde aber voraussetzen, dass die zu lösende Rechtsfrage über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinaus Bedeutung hätte. Dies führt zur Zurückweisung der Revision.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Ihre Revisionsbeantwortung diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb die klagende Partei die notwendigen Kosten dieses Schriftsatzes zu ersetzen hat.
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