OGH 2Ob38/06m

OGH2Ob38/06m29.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitta B*****, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. Samira C*****, und 2. W*****-AG, *****, beide vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen EUR 10.000 sA und Feststellung (Streitinteresse: EUR 2.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. November 2005, GZ 4 R 169/05h-30, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

§ 2 Abs 1 Z 1 StVO bestimmt, dass als Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen gilt. Unter den Begriff der Straße fallen demnach Landflächen, welche a) ausschließlich dem Fahrzeugverkehr, b) ausschließlich dem Fußgängerverkehr und c) sowohl dem Fahrzeugverkehr als auch dem Fußgängerverkehr gewidmet sind (vgl die RV bei Pürstl/Somereder, StVO11 § 2 Anm 1).

Nach § 2 Abs 1 Z 2 StVO ist die Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße. Randteile einer Straße sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann rechtlich nicht der Fahrbahn zuzuzählen, wenn die Absicht der Straßenverwaltung, derartige Randteile ausschließlich anderen Zwecken als dem Fahrzeugverkehr zu widmen, den Straßenbenützern auffällig wird (RIS-Justiz RS0073196; zuletzt 2 Ob 69/05v). Maßgebend für diese Beurteilung sind regelmäßig die jeweiligen lokalen Gegebenheiten, das heißt die besonderen Umstände des Einzelfalles (2 Ob 69/05v).

Aus der Feststellung des Erstgerichtes, der von der Fahrbahn durch einen (schmalen) Grünstreifen getrennte Asphaltstreifen (vor den angrenzenden Hausgrundstücken) diene „zum Gehen oder Fahren", ist nicht ableitbar, dass diese Verkehrsfläche (auch) dem Fahrzeugverkehr dient. Es stellt vielmehr eine auf der Grundlage der (weiteren) Feststellungen zu lösende Rechtsfrage dar, wie die zu beurteilende Verkehrsfläche zu qualifizieren ist.

Die Beurteilung als Nebenfahrbahn iSd § 2 Abs 1 Z 4 StVO setzt nach ständiger Rechtsprechung unter anderem voraus, dass sie durch ihre besondere Ausführung nach objektiven, von jedem Verkehrsteilnehmer beim Befahren oder Queren einer solchen Verkehrsfläche sofort erfassbaren Kriterien als solche erkennbar ist (ZVR 1990/52 mwN; RIS-Justiz RS0073269, RS0073243 [T2]). Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, der von der Klägerin als Radfahrerin benützte Asphaltstreifen stelle infolge seiner geringen Breite und seiner sonstigen Ausgestaltung keine Nebenfahrbahn dar, hält sich im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Ermessensspielraumes. Eine auffallende, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit durch den Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung ist - auch anhand der im angeschlossenen Strafakt erliegenden Lichtbilder - nicht zu erkennen.

War der von der Klägerin befahrene Asphaltstreifen keine Nebenfahrbahn, so kommt mangels seiner Kennzeichnung als Radweg, Gehweg oder Geh- und Radweg (vgl § 2 Abs 1 Z 8, 11 und 11a StVO) nur seine rechtliche Qualifikation als Gehsteig iSd § 2 Abs 1 Z 10 StVO in Betracht, was die aktenkundigen Lichtbilder deutlich machen. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass sich derjenige nicht auf einen ihm zukommenden Vorrang berufen kann, der sich selbst grob verkehrswidrig verhält; dies gilt auch für einen Radfahrer, der entgegen § 68 Abs 1 StVO einen Gehsteig in Längsrichtung befährt (2 Ob 192/01a mwN).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht im Ergebnis der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Da es daher der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 iVm § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO. Die beklagten Parteien übersehen bei ihren Ausführungen zur vermeintlichen absoluten Unzulässigkeit der Revision den Ausspruch des Berufungsgerichtes gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO, wonach der (nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehende) Entscheidungsgegenstand EUR 20.000 übersteigt.

Stichworte