OGH 7Ob129/06f

OGH7Ob129/06f21.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilde R*****, vertreten durch Dr. Otto Schubert und Mag. Holger Hensel, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Univ. Doz. Dr. Michael R*****, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 27.156,91 sA und Feststellung, über die Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Februar 2006, GZ 16 R 269/05d-36, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. August 2005, GZ 25 Cg 219/03i-30, infolge Berufung der Klägerin teilweise als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen sein Teilurteil gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Vorteilsausgleiches bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht und der Rückforderung des Operationshonorars bestehe, wenn der Geschädigte die Operation von der sozialen Krankenversicherung bezahlt erhalten hätte und er sie bei gesetzeskonformer Aufklärung durch den Arzt nicht hätte durchführen lassen.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Teilurteiles (der klagsabweisliche ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen) richtet sich die Revision des Beklagten, der unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend macht und beantragt, die vorinstanzlichen Entscheidungen (hinsichtlich Rückforderung des Honorars von EUR 2.906,91 und Schadenersatz von EUR 3.500) in klagsabweislichem Sinne abzuändern. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel ihres Prozessgegners nicht Folge zu geben, sondern das Teilurteil zu bestätigen.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in reichhaltiger Judikatur Grundsätze über Erforderlichkeit und Umfang der ärztlichen Aufklärung entwickelt: Danach ist ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten nur insoweit vertragsmäßig und nicht rechtswidrig, als die Einwilligung des Patienten reicht. Der Arzt muss sich vor jedem Eingriff der klaren, auf zutreffenden Vorstellungen über Art und Folgen des Eingriffs beruhenden Einwilligung des Patienten versichern. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dabei ist nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend (RIS-Justiz RS0026473). Für nachteilige Folgen einer ohne Einwilligung oder ausreichende Äufklärung vorgenommenen Behandlung des Patienten haftet der Arzt selbst dann, wenn ihm bei der Behandlung - wie im vorliegenden Fall - kein Kunstfehler unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0026783), es sei denn, er beweist, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (8 Ob 33/01p; 7 Ob 15/04p ua). Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist es, dem Patienten die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien zu liefern und ihm in die Lage zu versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zur Behandlung bzw zum Eingriff zu überschauen (JBl 1982, 491, RIS-Justiz RS0026413). Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so ist grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig (RIS-Justiz RS0026772); der Patient muss dann auch auf allenfalls bestehende alternative Behandlungsmethoden hingewiesen werden. Dabei sind Vor- und Nachteile, verschiedene Risken, verschieden starke Intensität des Eingriffes, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und die verschiedenen Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen (7 Ob 15/04p mwN; vgl RIS-Justiz RS0026426). Damit der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat, muss der Arzt also über mehrere zur Wahl stehende diagnostisch oder therapeutisch adäquate Verfahren informieren und die Vor- und Nachteile mit dem Patienten abwägen (10 Ob 503/93, RdM 1994/1; 7 Ob 15/04p). In zahlreichen Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof auch bereits betont, dass die Frage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, keine feststellungsfähige Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage darstellt (RIS-Justiz RS0026763). Diese Frage ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten (RIS-Justiz RS0026529) und daher im Allgemeinen nicht revisibel (10 Ob 138/98i, RdM 1998/21; 6 Ob 156/01m; 6 Ob 125/03f; 7 Ob 223/03z; 7 Ob 15/04p), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0021095; RS0042405).

Davon kann hier aber keine Rede sein. Nach den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen musste dem Beklagten vollkommen klar sein, dass ihn die Klägerin nur wegen der von ihm beworbenen neuartigen Operationsmethode aufgesucht hatte, die von ihm ja im Aufklärungsgespräch auch erläutert worden war. Der Beklagte betont in der Revision zutreffend selbst, dass bei Patienten ganz allgemein das Wissen unterstellt werden kann, dass eine herkömmliche Krampfadernoperation in jedem Krankenhaus auf Kosten der sozialen Krankenversicherung angeboten wird. Wenn er beabsichtigte, die Klägerin dennoch nur nach einer herkömmlichen Methode zu operieren, hätte er sie, die immerhin hohe Kosten von EUR 2.906,91 in Kauf nahm, jedenfalls auch über diesen Umstand aufzuklären gehabt. Dass damit - wie der Beklagte meint - seine Aufklärungspflicht überspannt worden wäre, trifft keineswegs zu. Es besteht zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung einen Einfluss haben können, doch ist eine Aufklärungspflicht dann zu bejahen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (RIS-Justiz RS0014811). Dies ist hier zumindest aufgrund der festgestellten „Vorgeschichte" hinsichtlich des Umstandes, dass nicht eine vom Beklagten beworbene neuartige, sondern eine herkömmliche Operationsmethode angewendet werden sollte, der Fall. Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers steht daher die Rechtsansicht der Vorinstanzen, er habe insofern seine Aufklärungspflicht (gröblich) vernachlässigt, im Einklang mit den Grundsätzen der einschlägigen Judikatur.

Aber auch die Frage eines Vorteilsausgleiches stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall keinen tauglichen Grund für die Zulassung des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof dar. Diese, vom Obersten Gerichtshof in der bereits vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung 10 Ob 209/02m unter bestimmten Umständen grundsätzlich bejahte Frage, muss hier nicht näher geprüft und erörtert werden, weil die Klägerin aufgrund des notorischen Umstandes, dass sie die an ihr vorgenommene herkömmliche Krampfadernoperation in jedem öffentlichen Krankenhaus auf Kosten ihrer sozialen Krankenversicherung durchführen hätte lassen können, keinen - bezifferbaren - Vorteil erlangt hat. Der in diesem Zusammenhang vom Revisionswerber erhobene Einwand, in (öffentlichen) Krankenhäusern werde eine derartige Operation sogar wesentlich teurer durchgeführt, weshalb von ihm auch nicht verlangt werden könne, einen Patienten zum „billigeren" Konkurenten zu schicken, übersieht, dass es hier auf die Höhe der Kosten einer „Krankenkassenoperation" nicht ankommt. Wesentlich ist lediglich, dass der Klägerin keine Kosten entstanden wären und sie auch keine höheren Versicherungsbeiträge zu entrichten gehabt hätte, wenn sie die Leistungen der sozialen Krankenversicherung für eine Krampfadernoperation in einem öffentlichen Krankenhaus in Anspruch genommen hätte. Der Hinweis des Beklagten, Patienten werde in Privatkliniken mehr Aufmerksamkeit geschenkt als in öffentlichen Krankenanstalten, mag in manchen Fällen zutreffen. Dieser Vorteil lässt sich aber nicht generell quantifizieren oder beziffern und wird dies auch vom Revisionswerber gar nicht versucht.

Auch alle weiteren Revisionsausführungen des Beklagten zeigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Soweit der Revisionswerber in Zweifel zieht, ob die Klägerin bei entsprechender Aufklärung durch ihn die Operation tatsächlich abgelehnt hätte, weicht seine Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt ab und ist darauf nicht weiter einzugehen. Zum noch behaupteten Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird vom Revisionswerber nichts ausgeführt.

Ein tauglicher Grund, das Rechtsmittel des Beklagten zuzulassen, liegt demnach nicht vor. Die Revision ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf eine zur Ausführung der Zurückweisungsgründe notwendige Darstellung beschränken konnte. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision ihres Prozessgegners nicht hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich angesehen werden, sodass sie deren Kosten gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen hat.

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