European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00134.06S.0621.000
Spruch:
1. Dem (als „außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichneten) Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
2. Soweit der „außerordentliche Revisionsrekurs" die Zurückweisung des Kostenrekurses bekämpft, wird er zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger begehrte vom Beklagten EUR 5.755,85 samt 8 % Zinsen seit 3. 12. 2003 sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche, zur Erlangung der Dichtheit der auf seiner (vom Beklagten käuflich erworbenen) Liegenschaft befindlichen Güllegruben und für die ab April 2004 ihm durch die Nichtbewohnbarkeit der betreffenden Liegenschaft entstehenden Kosten. Entgegen der Zusage des Beklagten im Kaufvertrag seien die Güllegruben nicht dicht gewesen. Die Sanierungskosten in Höhe des Klagsbetrags seien ihm vom Beklagten zu ersetzen.
Der Beklagte anerkannte am 17. 2. 2005 das Zahlungsbegehren von EUR 5.755,85 samt 4 % Zinsen seit 17. 2. 2005 sowie das Feststellungsbegehren, worauf das Erstgericht ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil fällte.
Mit Urteil (richtig: Endurteil) vom 27. 12. 2005 erkannte das Erstgericht den Kläger schuldig, dem Beklagten die mit EUR 2.731,81 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass der Beklagte die Sanierungskosten von EUR 5.755,85 begleichen werde, sobald er ein „Dichtheitszertifikat" vorgelegt erhalte. Erst mit Vorlage dieses Dichtheitsattests vom 9. 11. 2004 sei der Klagsbetrag fällig geworden. Die Klagsführung sei daher verfrüht gewesen, weshalb der Kläger dem Beklagten Kostenersatz zu leisten habe.
Der Kläger, dem diese Entscheidung am 30. 12. 2005 zugestellt worden war, begehrte mit seiner am 3. 2. 2006 zur Post gegebenen Berufung die Abänderung des Ersturteils dahin, dass dem Klagebegehren im Ausmaß des restlichen Zinsenbegehrens (8 % aus EUR 5.755,85 von 3. 12. 2003 bis 17. 2. 2005 und 4 % seit 17. 2. 2005) Folge gegeben und die Kostenentscheidung dahin korrigiert werde, dass der Beklagte ihm seine Kosten von EUR 7.980,54 zu ersetzen habe. Als Berufungsgründe machte er „unrichtige bzw mangelhafte Sachverhaltsfeststellungen" und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.
Das Berufungsgericht wies die Berufung und den damit verbundenen Kostenrekurs zurück. Das Erstgericht habe ungeachtet des Umstandes, dass durch das Teilanerkenntnisurteil vom 17. 2. 2005 die Verzugszinsenforderung des Klägers nur zum Teil erledigt worden sei, ein reines „Kostenurteil" gefällt. Die unterbliebene Erledigung des restlichen Zinsenbegehrens könne aber mangels Zulässigkeit einer Mängelrüge nicht mit Berufung geltend gemacht werden, da durch die Fällung des Teilanerkenntnisurteiles nur noch Nebengebühren, nämlich Zinsen und Kosten, streitverfangen geblieben seien, wodurch der Streitwert auf Null und damit unter die Grenze des § 501 Abs 1 ZPO gesunken sei. Nach dieser Gesetzesstelle könne das Ersturteil nur wegen Nichtigkeit oder einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, nicht aber wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten werden. In der Nichterledigung der restlichen Verzugszinsenforderung sei aber keine Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO), sondern nur eine (einfache) Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO zu erblicken. Die nicht vollständige Erledigung der Sachanträge durch das Ersturteil könne daher im Anfechtungsbereich des § 501 Abs 1 ZPO mangels Zulässigkeit einer Mängelrüge von der dadurch benachteiligten Partei nicht mit Berufung geltend gemacht werden, sondern stehe hiefür ausschließlich der Urteilsergänzungsantrag gemäß § 423 ZPO zur Verfügung. Es entspreche auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass der übergangene Anspruch aus dem Verfahren ausscheide, wenn gegen die Nichterledigung eines Sachantrags weder durch Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO noch durch Berufung nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO Abhilfe gesucht werde. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Unvollständigkeit der Sacherledigung eine Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache sei und daher mit Rechtsrüge geltend gemacht werden könne. Sei einem Urteil nicht zu entnehmen, dass die Nichterledigung von Sachanträgen auf unrichtiger (materiell‑)rechtlicher Beurteilung beruhe, müsse die Nichterledigung in der Berufung gerügt, das heißt ausdrücklich geltend gemacht werden; es genüge nicht, dass der Antrag des aus anderen Gründen erhobenen Rechtsmittels allgemein auf vollinhaltliche Anspruchstattgebung gerichtet sei. Dass durch das erstgerichtliche (End‑)Urteil über das durch das Teilanerkenntnisurteil nicht erledigte Zinsenbegehren des Klägers nicht abgesprochen worden sei, wäre vom Berufungsgericht daher selbst bei einem EUR 2.000 übersteigenden erstgerichtlichen Entscheidungsgegenstand nur dann aufzugreifen gewesen, wenn der Kläger diesen Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Berufung - ausdrücklich - geltend gemacht hätte, was er jedoch nicht getan habe. Da aber hier der Streitwert infolge Wegfalls der Hauptsache auf Null gesunken sei, sei dem Kläger von vornherein nicht die Möglichkeit offen gestanden, die unterbliebene Erledigung seines restlichen Zinsenbegehrens mit Verfahrensrüge gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO geltend zu machen. Zum Gegenstand der Rechtsrüge könnte nur eine abweisliche Entscheidung des Erstgerichtes über das Zinsenbegehren, nicht aber das Unterbleiben einer Entscheidung darüber gemacht werden. Eine amtswegige Berichtigung des erstgerichtlichen Urteilsspruchs gemäß § 419 ZPO durch das Berufungsgericht scheide aus, weil sich auch aus den Entscheidungsgründen ein diesbezüglicher Entscheidungswille des Erstgerichts nicht ableiten lasse, zumal die nicht erledigte Zinsenforderung darin überhaupt keine Erwähnung finde und daher eine Diskrepanz zwischen dem Entscheidungswillen des Erstgerichtes und dem Wortlaut seiner Entscheidung nicht evident sei. Damit erweise sich, weil vom Kläger keine zulässigen Berufungsgründe geltend gemacht würden, dessen Berufung im Zinsenpunkt als unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung sei nämlich eine „Bagatellberufung", in der ausschließlich andere als die in § 501 Abs 1 ZPO genannten Berufungsgründe geltend gemacht würden, einer gesetzlich unzulässigen Berufung gleichzustellen und daher zurückzuweisen.
Nur wenn ein erstinstanzliches Urteil durch eine zulässige Berufung bekämpft werde, könne die Anfechtung der Kostenentscheidung in den Berufungsschriftsatz aufgenommen werden („Berufung im Kostenpunkt") und stehe dem Rechtsmittelwerber dafür auch die längere Berufungsfrist zur Verfügung. Da durch das Ergreifen eines unzulässigen Rechtsmittels der Eintritt der Rechtskraft nicht aufgeschoben werde, gelte im Falle der Unzulässigkeit der in der Hauptsache erhobenen Berufung für die Anfechtung der Kostenentscheidung eine Rekursfrist von vierzehn Tagen. Da das „Kostenurteil" dem Kläger am 30. 12. 2005 in der verhandlungsfreien Zeit zugestellt worden sei, habe die vierzehntägige Rekursfrist am 7. 1. 2006 zu laufen begonnen und habe am 20. 1. 2006 geendet. Die am 3. 2. 2006 zur Post gegebene Berufung sei daher in Ansehung des Kostenpunktes verspätet und deshalb zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs" des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass dem Klagebegehren im Ausmaß der (restlich) geltend gemachten Zinsen von 8 % aus EUR 5.755,85 von 3. 12. 2003 bis 17. 2. 2005 und 4 % Zinsen aus EUR 5.755,85 seit 17. 2. 2005 Folge gegeben werde; weiters möge dem Beklagten der Ersatz der Kosten erster, zweiter und dritter Instanz auferlegt werden. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erst- oder das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der (unrichtig als „außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichnete) Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet des Wertes des Entscheidungsgegenstandes zweiter Instanz und des Vorliegens erheblicher Rechtsfragen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 12 mwN) zwar zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Der erkennende Senat erachtet die Rekursausführungen des Klägers für nicht stichhältig, die damit bekämpfte eingehende Entscheidungsbegründung des angefochtenen Beschlusses hingegen in allen Punkten - sowohl im Ergebnis, als auch in der methodischen Ableitung - für zutreffend. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz iVm § 528a ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz hinzuweisen und, auf die Rechtsrüge des Rekurswerbers bezugnehmend, lediglich Folgendes zu ergänzen:
Wird eine Klage - aus welchem Grund immer (1 Ob 647/83, RIS‑Justiz RS0042793 [T3]) - auf Zinsen und Kosten eingeschränkt, sinkt der Streitwert gemäß § 54 Abs 2 JN auf Null. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass das Erstgericht nach Fällung des Teilanerkenntnisurteiles über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert 2.000 EUR nicht überstieg und das Ersturteil daher nach § 501 Abs 1 ZPO nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden konnte. Dies wird vom Rekurswerber zu Recht ohnehin nicht mehr in Zweifel gezogen.
Der Kläger wendet sich weiters auch nicht gegen die oberstgerichtlicher Judikatur folgenden Ausführungen der zweiten Instanz, wonach dann, wenn gegen die Nichterledigung eines Sachantrages (hier des restlichen Zinsenbegehrens) weder durch Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO noch durch Berufung nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO Abhilfe gesucht wird, dieser Anspruch aus dem Verfahren ausscheidet (RIS‑Justiz RS0041490). Auch die rechtliche Schlussfolgerung, dass eine Berufung nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 501 Abs 1 ZPO nicht auf den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sondern nur auf jene der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt werden kann, tritt der Beklagte nicht entgegen. Er wendet sich vielmehr allein gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, er habe das Ersturteil nur wegen eines Verfahrensmangels bekämpfen können, da der Erstrichter - offenbar aus Versehen - über das restliche Zinsenbegehren nicht entschieden habe. Der Erstrichter habe zwar nicht im Spruch, aber doch in der Begründung auf das restliche Zinsenbegehren Bedacht genommen; er sei nämlich davon ausgegangen, dass Zinsen frühestens ab Fälligkeit zustünden und Fälligkeit erst mit Übernahme des Dichtheitszertifikats vorgelegen sei. Er habe daher bewusst über Zinsen nicht abgesprochen.
Diese Behauptung des Rekurswerbers ist unrichtig. Das Ersturteil erwähnt auch in den Entscheidungsgründen das restliche, nicht durch Anerkenntnis erledigte Zinsenbegehren mit keinem Wort und geht auch sinngemäß in keiner Weise auf die restliche Zinsenforderung ein. Hätte das Erstgericht seine Ausführung, der Klagsbetrag sei erst mit Vorlage des Dichtheitsattestes vom 9. 11. 2004 fällig geworden, bewusst auch auf das Zinsenbegehren bezogen, hätte es dem Kläger weitere 4 % Zinsen aus EUR 5.755,85 von 7. 11. 2004 bis 17. 2. 2005 zusprechen (und das Zinsenmehrbegehren abweisen) müssen.
Zutreffend hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass die Nichterledigung des restlichen Zinsenbegehrens nicht bewusst - aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung - erfolgte, sondern ein Verfahrensmangel vorlag, der aber zufolge § 501 Abs 1 ZPO mit Berufung gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO nicht geltend gemacht werden konnte. Dem Kläger wäre, wie das Berufungsgericht sohin richtig erkannt hat, gegen die unterbliebene Erledigung eines Teiles seines Zinsenbegehrens (nur) ein Urteilsergänzungsantrag gemäß § 423 ZPO zur Verfügung gestanden, der von ihm aber nicht gestellt wurde.
Da das versehentliche Übergehen des restlichen Zinsenanspruchs nicht auf einem Rechtsirrtum beruhte, sondern einen Verfahrensmangel bedeutete, dem Kläger aber zufolge § 501 Abs 1 ZPO eine Mängelrüge nicht möglich war, hat das Gericht zweiter Instanz seine Berufung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen: Entspricht es doch ständiger Rechtsprechung, dass die Berufung, falls ausschließlich unzulässige Berufungsgründe geltend gemacht werden, mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen ist (SZ 65/157; Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 501 Rz 12 mwN). Der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Die Bekämpfung der Zurückweisung des Kostenrekurses (der Berufung im Kostenpunkt) durch das Berufungsgericht ist absolut unzulässig: Die Entscheidung über das Kostenersatzbegehren ist - gleichgültig, ob sie in Urteils- oder Beschlussform erfolgt - nur mit Rekurs anfechtbar (vgl § 55 ZPO; RIS‑Justiz RS0036080). Die zweite Instanz wird hier als Rekursgericht tätig. Maßgeblich für die Anfechtung von Beschlüssen des Rekursgerichtes ist § 528 ZPO. Nach dessen Absatz 2 Z 3 ist der Revisionsrekurs gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt jedenfalls unzulässig. Auch rein formelle Entscheidungen über den Kostenpunkt - wie etwa ein Beschluss auf Zurückweisung eines Kostenrekurses wegen Verspätung - sind unanfechtbar (Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 5 mwN; 2 Ob 142/99t uva).
Soweit sich der „außerordentliche Revisionsrekurs" gegen die Zurückweisung des Kostenrekurses wegen Verspätung wendet, ist er demnach als gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
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