OGH 3Ob109/06k

OGH3Ob109/06k30.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Raj K*****, 2. Manju K*****, und 3. Sandeep K*****, alle vertreten durch Dr. Christian Böhm und Dr. Axel Reckenzaun, Rechtsanwälte in Graz, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. März 2006, GZ 2 R 57/06a-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 31. Jänner 2006, GZ 14 P 283/05g-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem am 7. Dezember 2005 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrten die aus Indien stammenden Wahleltern, seit 1999 österreichische Staatsangehörige - und Eltern zweier minderjähriger Söhne -, die mit Adoptionsvertrag vom 18./25. November 2005 vorgenommene Annahme des am 11. Dezember 1987 geborenen und in Indien lebenden indischen Wahlkindes an Kindes statt gerichtlich zu genehmigen. Sie brachten vor, sie hätten zum Wahlkind, das indischer Staatsbürger sei und dessen Familie sie seit vielen Jahren unterstützten, durch jährliche zweimonatige Aufenthalte in Indien bereits eine enge Beziehung aufgebaut. Durch die Adoption solle dem Wahlkind eine Ausbildung und ein besseres Fortkommen in Österreich ermöglicht werden.

Das Erstgericht wies den Antrag auf gerichtliche Genehmigung des Adoptionsvertrags ab. Das Wahlkind sei nach dem anzuwendenden Hindurecht für den vorliegenden Adoptionsvertrag als volljährig anzusehen. Gemäß § 26 Abs 1 IPRG seien die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt daher auch nach dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Da nach dem Hindurecht jedoch nur eine männliche Person der gleichen Kaste des Annehmenden adoptiert werden könne, Wahlvater und Wahlkind jedoch verschiedenen Kasten angehörten, sei der Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrags wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss. Nach dem Personalstatut des Wahlkindes, das indischer Staatsbürger sei, sei - da Indien kein einheitliches Familienrecht besitze - infolge der Zugehörigkeit des Wahlkinds zur Religionsgemeinschaft der Hindus Hindurecht anzuwenden. Die Volljährigkeit trete nach Hindurecht zum Teil mit dem vollendeten 15., zum Teil mit dem vollendeten 16. Lebensjahr ein. Diese Regelung habe zwar durch den „Indian-Majority Act 1875", der im staatlichen Zivilrecht die Volljährigkeit mit dem erreichten 18. Lebensjahr ansetze, an Bedeutung verloren, für das Adoptionsrecht sei jedoch die Altersgrenze des Hindurechts noch maßgeblich (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 1989, 100. Lieferung, Indien 29). Die mit dem Rekurs vorgelegte notariell bestätigte Erklärung, dass es dem örtlichen Brauch der Heimatgemeinde des Wahlkinds entspreche, eine Adoption von Personen bis zum Alter von 18 Jahren zuzulassen, vermöge daran nichts zu ändern, weil diese Umstände keinen Einfluss auf das Erreichen der Volljährigkeit nach Hindurecht hätten. Ziehe man die Adoptionsvoraussetzungen derselben Kastenzugehörigkeit als order public-widrig nicht heran und ließe man auch den auf Seiten des Wahlvaters liegenden Umstand des Vorhandenseins leiblicher männlicher Nachkommen außer Acht, so ergebe sich, dass eine Adoption des volljährigen Wahlkinds nach dessen Personalstatut möglich wäre. Sie scheitere jedoch an der Regelung des § 180a Abs 1 ABGB, wonach eine Erwachsenenadoption nur bei nachweislichem Vorliegen eines engen Verhältnisses möglich sei. Dieses sei zwar behauptet worden, leite sich aber ausschließlich aus persönlichen Kontakten in der Dauer von zwei Monaten jährlich und finanzieller Unterstützung des Wahlkinds ab. Derartige Kontakte seien zur Herstellung eines engen Verhältnisses jedoch nicht ausreichend, blieben sie in der Intensität doch weit hinter den im Gesetz genannten Beispielsfällen der fünfjährigen Haushaltsgemeinschaft oder Beistandsleistung in einer vergleichbar engen Gemeinschaft zurück.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Volljährigkeitsgrenze in ausländischen Rechtsordnungen sowie zu den Voraussetzungen des engen Verhältnisses gemäß § 180a Abs 1 ABGB Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle. Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist - entgegen den dem Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Ob das Wahlkind unter Zugrundelegung des hier auf Grund seines Personalstatuts maßgeblichen Hindurechts volljährig ist, bildet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG, weil das Fehlen von Rsp des Obersten Gerichtshofs zum auf Grund kollisionsrechtlicher Normen anzuwendenden ausländischen Recht nicht maßgeblich ist. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern (RIS-Justiz RS0042948), weil hier die Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes nicht zum Tragen kommen kann. Dass das Rekursgericht eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rsp und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt hätte, vermögen die Revisionswerber nicht darzulegen. Dem Hindu Adoptions And Maintenance Act 1956, auf den sich die Revisionsrekurswerber berufen, ist eindeutig die für Adoptionen maßgebliche Volljährigkeitsgrenze von 15 Jahren zu entnehmen (Chapter II, 10.iv). Daran ändert die ausnahmsweise gestattete Adoption von Volljährigen (= über 15 Jahre alten Personen) im Falle diesbezüglich gepflogener örtlicher Gebräuche nichts.

b) Zur Frage, welche Intensität das von § 180a Abs 1 ABGB geforderte enge, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern entsprechende Verhältnis aufzuweisen habe, nahm der Oberste Gerichtshof bereits in den E 5 Ob 18/05s (= EvBl 2005/157) und 3 Ob 20/06x ausführlich Stellung.

Im Übrigen scheitert die angestrebte Adoption nach dem maßgeblichen Heimatrecht des Wahlkinds schon daran, dass die Annehmenden lebende männliche Nachkommen haben (Bergmann/Ferid aaO 28). Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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