Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es zu lauten hat:
„Die gerichtliche Aufkündigung des Bezirksgerichts Salzburg vom 4. Februar 2004, GZ 10 C 43/04s-3, wird aufgehoben.
Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, die im 2. Stockwerk des Hauses *****, vom Stiegenabsatz links gelegene und aus Vorraum, Küche, Bad/WC und 3 Räumen bestehende Wohnung samt dem im Dachboden dieses Hauses links und dort als erstes rechts gelegenen Dachbodenabteil sowie 3 Kellerabteilen im Keller dieses Hauses binnen 14 Tagen zu räumen und geräumt der Klägerin zu übergeben, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.619,33 EUR (darin 269,89 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 737,24 EUR (darin 122,87 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die im Jahr 1922 geborene Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung Top 7 im Haus *****.
Am 3. 10. 1942 vermieteten die Rechtsvorgänger der Klägerin diese Wohnung auf unbestimmte Zeit an den Vater des Beklagten. In einer Zusatzvereinbarung vom 16. 5. 1952 erklärten sie unter anderem, den im Jahr 1937 geborenen Beklagten als Mitmieter anzuerkennen und in den Mietvertrag aufzunehmen. Außerdem verpflichteten sie sich, hinsichtlich dieses Mietvertrags keine Kündigung auszusprechen. Mit Wirksamkeit vom 1. 1. 1992 trafen die Parteien eine weitere Zusatzvereinbarung. Darin legten sie einen neuen Betriebskostenschlüssel fest. Weiters hielten sie fest, dass die übrigen Bestandteile des Mietvertrags vom 3. 10. 1942 und der Vereinbarung vom 16. 5. 1952 „vollinhaltlich unverändert" aufrecht blieben.
Der Beklagte lebt seit 1939 in der Wohnung, seit seiner Verehelichung 1958 zusammen mit seiner Ehegattin. Er besitzt - außer einer Schrebergartenparzelle - keine weiteren Liegenschaften. Auf Grund der Erläuterungen seiner Mutter zur Vereinbarung vom 16. 5. 1952 und der Äußerungen der Eigentümer des Hauses ging er davon aus, die Wohnung auf Lebenszeit nutzen zu können. Daher tätigte er auch in der Zeit von 1971 bis 1997 Investitionen in die Wohnung in Höhe von insgesamt rund 1,5 Mio S. Die Wohnung ist etwa 80 m² groß, der Beklagte hat einen Gesamtmietzins von 2,54 EUR monatlich zu bezahlen. Er verfügt über eine Nettopension in Höhe von monatlich rund 2.400 EUR, Nebeneinkünfte lukriert er nicht mehr. Seine Ehegattin bezieht eine Nettopension in Höhe von monatlich 598 EUR.
Seit Jänner 1999 ist die 1946 geborene Tochter der Klägerin ebenfalls Mieterin im Haus *****. Das Mietverhältnis wird am 31. 12. 2006 enden, der Mietzins beträgt 487,89 EUR einschließlich Umsatzsteuer und Betriebskosten. Die Tochter der Klägerin bezieht eine Invalidenrente in Höhe von 347,18 EUR und eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 207,31 EUR jeweils netto monatlich. Für die Beaufsichtigung eines Hundes erhält sie monatlich 200 EUR, die Klägerin unterstützt sie mit weiteren 200 EUR monatlich. Über weitere Einkünfte verfügt die Tochter der Klägerin nicht. Sie übernachtet gelegentlich bei einer Bekannten und einmal wöchentlich bei ihrem „Lebensgefährten". Dieser bewohnt eine 50 m² große Wohnung in S*****. Ein gemeinsames Wohnen in dieser Wohnung können sich die Tochter der Klägerin und ihr „Lebensgefährte" nicht vorstellen; dies würde letzterer nicht dulden.
Die Klägerin kündigte dem Beklagten die Wohnung zunächst zum 31. 7. 2004 und dann zum 30. 6. 2004 auf und machte Eigenbedarf für ihre Tochter geltend. Sie selbst beziehe eine Alterspension in Höhe von 850 EUR monatlich, sei schwer nerven- und herzkrank, gleichgewichtsgestört und gehbehindert. Sie verfüge zwar ebenfalls über eine Wohnung im Haus *****. Diese bestehe aber lediglich aus 3 Zimmern, einer kleinen Dusche, einem Vorraum und einer Küche. Es sei ihr daher unzumutbar, mit ihrer Tochter und dessen „Lebensgefährten" diese Wohnung zu teilen und „an deren Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft teilzuhaben". Die Tochter sei in der Schweiz verheiratet gewesen, die Ehe sei 1986 geschieden worden. Über das Vermögen ihres Ehegatten sei ein Konkursverfahren eröffnet worden; daher habe er ihr nie Unterhaltsleistungen erbracht. 1986 sei sie „in ihrer Not" nach S***** zurückgekehrt und habe bis 2001 als Serviererin gearbeitet. Diese Arbeit habe aber zu einer unheilbaren Arthrose geführt, weshalb sie seit 2001 Invalidenrente und Berufsunfähigkeitspension beziehe. Bei Abschluss der Zusatzvereinbarung im Jahr 1992 sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die Tochter in eine existenzielle, durch ihre Erkrankung bedingte Notlage geraten würde. Sie könnte zwar von ihren Einkünften leben, benötige dafür aber die (unentgeltliche) Wohnmöglichkeit in der an den Beklagten vermieteten Wohnung. Dieser lebe mit seiner Ehegattin in gut situierten Verhältnissen. Der von der Klägerin abgegebene Kündigungsverzicht sei unwirksam, weil er weder für eine bestimmte noch eine bestimmbare Zeit erklärt worden sei; jedenfalls sei er nunmehr sittenwidrig.
Der Beklagte verwies in seinen Einwendungen gegen die gerichtliche Aufkündigung auf den von der Klägerin erklärten Kündigungsverzicht; dieser sei wirksam und beachtlich. Eine vorzeitige Kündigung trotz Kündigungsverzichts sei allenfalls aus beim anderen Teil liegenden Gründen möglich; derartige Gründe mache die Klägerin aber gar nicht geltend. Im Übrigen sei kein dringender Eigenbedarf der Tochter der Klägerin im Sinne des § 30 Abs 2 Z 8 MRG bzw § 19 Abs 2 Z 5 MG gegeben. Sie verfüge über eine Wohnung im Haus *****; der dort von ihr bezahlte Mietzins könnte über ihren Antrag herabgesetzt werden, weil er weit überhöht sei. Außerdem wohne die Klägerin ebenfalls in einer 100 m² großen Wohnung im selben Haus wie ihre Tochter; es sei den beiden durchaus zumutbar, gemeinsam in dieser Wohnung zu leben. Da die Klägerin ihrer Tochter gegenüber unterhaltspflichtig sei, sei sie sogar zu deren Aufnahme in die Wohnung verpflichtet. Schließlich wären bei einer allfälligen Interessenabwägung die erheblichen Investitionen des Beklagten in die Wohnung zu berücksichtigen. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf, ohne das Räumungsbegehren abzuweisen. Die Vereinbarung des Kündigungsverzichts sei nicht sittenwidrig. Die Parteien seien weder 1952 noch 1992 unter irgendeinem Druck gestanden, für die Klägerin sei auch vorhersehbar gewesen, dass durch den Kündigungsverzicht eine zeitlich unabsehbar lange Bindung eintreten werde. Die nunmehr eingetretenen Umstände, auf die die Klägerin die Aufkündigung stütze, seien auf ihrer Seite und nicht auf Seite des Beklagten als Mieter eingetreten. Der Aufkündigung stehe daher der wirksame Kündigungsverzicht entgegen. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei; es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob auch im Anwendungsbereich des MRG ein vom Bestandgeber abgegebener Kündigungsverzicht aus einem wichtigen Grund, der nicht in der Person des Bestandnehmers liegt, durchbrochen werden könne. Bestandverhältnisse könnten als Dauerschuldverhältnisse vom Bestandgeber aus wichtigen Gründen aufgelöst werden, wenn ihm die Aufrechterhaltung nicht mehr zumutbar sei. Die Gründe dafür müssten zwar grundsätzlich in der Person des Bestandnehmers liegen, der Oberste Gerichtshof habe aber in der Entscheidung 3 Ob 274/02v ausgesprochen, dass die Entbindung des Bestandgebers von der Rechtswirkung eines vereinbarten Kündigungsverzichts aus wichtigem Grund bei nicht unter die Anwendbarkeit des MRG fallenden Bestandverhältnissen nicht notwendigerweise durch die Person des Bestandnehmers bedingt sein müsse. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, es sei nicht ersichtlich, weshalb bei dem MRG unterliegenden Bestandverhältnissen „etwas anderes zu gelten habe". Dem durch das MRG gewährten besonderen Bestandsschutz könne ohnehin im Rahmen der Interessenabwägung (Auflösungs- versus Bestandsinteresse) zum Durchbruch verholfen werden; zumindest „in Extremfällen" müsse es demnach möglich sein, dass der Bestandgeber die Vertragsauflösung erreichen könne. Die Klägerin habe 1952 nicht damit rechnen können, dass ihre damals 6-jährige Tochter über 50 Jahre später einen dringenden Eigenbedarf an der Wohnung haben könnte. Der Hinweis des Beklagten auf die 1992 bereits bestehende Notlage der Tochter der Klägerin verstoße gegen das Neuerungsverbot; im Übrigen stamme diese Zusatzvereinbarung von ihm selbst. Die finanziellen Verhältnisse der Klägerin und deren Tochter einerseits sowie jene des Beklagten und dessen Ehegattin andererseits, der minimale, vom Beklagten zu entrichtende Mietzins und der Umstand, dass die Tochter der Klägerin derzeit einen für ihre Einkommensverhältnisse sehr hohen Mietzins zu bezahlen habe, rechtfertigten nicht nur die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 8 MRG vorliegen, sondern auch eine Durchbrechung des Kündigungsverzichts. Allerdings habe das Erstgericht nicht die Zumutbarkeit des Zusammenwohnens der Klägerin und ihrer Tochter geprüft. Deren besonders genaue Prüfung sei jedoch notwendig, um die Frage des Eigenbedarfs beantworten zu können. Der Rekurs des Beklagten ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Beklagte macht geltend, der gerichtlichen Aufkündigung der Klägerin stehe deren zweifach erklärter Kündigungsverzicht entgegen. Dessen Wirksamkeit bestreitet die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung (durchaus zutreffend; vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21 [2004] § 33 MRG Rz 7; ebenso Würth in Rummel, ABGB³ [2000] § 1116 Rz 7; Iro in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 1116 Rz 2 je mwN) an sich zwar nicht mehr. Sie meint aber, trotzdem zur vorzeitigen Kündigung berechtigt zu sein, weil ihr die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses im Hinblick auf den dringenden Eigenbedarf unzumutbar geworden sei.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelten die Grundsätze für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Gründen auch für sonstige Dauerrechtsverhältnisse wie Dienstbarkeiten und ähnliche Gebrauchsrechte, aber auch für Bestandverhältnisse. Ihre Auflösung kann allerdings wegen der stärkeren dinglichen Bindung nur „äußerstes Notventil" sein; die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe müssen ein noch größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügen (RIS-Justiz RS0018813, RS0027780). Es müssen jedenfalls Umstände vorliegen, die den Auflösungsgründen des § 1118 ABGB an Bedeutung nahekommen (4 Ob 145/04h = EWr I/33/83 mwN).
Einer derartigen Auflösung steht an sich auch die Unkündbarkeit des Dauerschuldverhältnisses nicht entgegen (RIS-Justiz RS0018368), also auch nicht ein vom Bestandgeber erklärter Kündigungsverzicht (RIS-Justiz RS0021107, RS0018294). Dabei war es allerdings jahrzehntelang herrschende Meinung, dass dem Bestandgeber aus gewichtigen, in der Person des Bestandnehmers gelegenen Gründen die Fortsetzung des Bestandverhältnisses nicht mehr zumutbar sein musste (RIS-Justiz RS0021107; jüngst 4 Ob 145/04h; ebenso Würth, aaO; Würth/Zingher/Kovanyi, aaO).
In der Entscheidung 3 Ob 274/02v (= SZ 2002/160 = wobl 2004/87 [Werkusch]) hielt der Oberste Gerichtshof demgegenüber die Entbindung des Bestandgebers von der Rechtswirkung eines vereinbarten Kündigungsverzichts aus wichtigem Grund bei nicht unter die Anwendbarkeit des MRG fallenden Bestandverhältnissen nicht für notwendigerweise durch die Person des Bestandnehmers bedingt; vielmehr könnten sich doch auch andere Gründe für die Unzumutbarkeit der weiteren Bindung an einen Kündigungsverzicht verwirklicht haben (in diesem Sinn nunmehr auch Binder in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1113 Rz 7).
3. Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass das hier zu beurteilende Bestandverhältnis in den Anwendungsbereich der mietrechtlichen (Sonder-)Bestimmungen fällt. Ob die in der Entscheidung 3 Ob 274/02v entwickelten Grundsätze auch in einem solchen Fall zu berücksichtigen sind, kann hier allerdings dahin gestellt bleiben:
Sowohl nach § 19 Abs 2 Z 5 MG als auch nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG konnte bzw kann der Vermieter den Mietvertrag kündigen, wenn er die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt und ihm oder der Person, für die der Mietgegenstand benötigt wird, aus der Aufrechterhaltung des Mietvertrags ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwüchse als dem Mieter aus der Kündigung.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt der dringende Eigenbedarf jedenfalls dann, wenn dem Bedarf des Vermieters durch eine entsprechende Neuverteilung der ihm zur Verfügung stehenden Räume abgeholfen werden kann. Dabei muss nach einer solchen Neuverteilung für den Vermieter und seine allfälligen Mitbewohner zwar ein menschenwürdiges Wohnen möglich sein, im Einzelfall muss aber nicht immer ein durchschnittlicher neuzeitlicher
Wohnungsstandard erreicht werden (1 Ob 507/95 = wobl 1997/9 [Würth];
2 Ob 257/98b = immolex 1999/35).
Der Beklagte hat dazu vorgebracht, die Klägerin wohne in einer 100 m² großen Wohnung; es sei ihr daher durchaus zumutbar, gemeinsam mit ihrer Tochter in dieser Wohnung zu leben. Die Klägerin hat dem lediglich entgegen gehalten, sie sei schwer nerven- und herzkrank, gleichgewichtsgestört und gehbehindert. Ihre Wohnung bestehe aus 3 Zimmern, einer kleinen Dusche, einem Vorraum und einer Küche. Es sei ihr unzumutbar, mit ihrer Tochter und dessen „Lebensgefährten" diese Wohnung zu teilen und „an deren Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft teilzuhaben".
Selbst wenn man im Sinne der jüngeren Rechtsprechung (1 Ob 507/95) nicht „kleinlich" den „Nachkriegsstandard" anwendet, scheint es auf Grund dieses Vorbringens der Klägerin fraglich, ob der von ihr geltend gemachte Eigenbedarf überhaupt die Voraussetzungen der § 19 Abs 2 Z 5 MG, § 30 Abs 2 Z 8 MRG erfüllen würde. So wurde etwa in der Entscheidung 2 Ob 257/98b die gerichtliche Aufkündigung einer Frau aufgehoben, die den Eigenbedarf darauf gestützt hatte, dass sie sich ihre 68 m² große Wohnung mit ihrer frisch geschiedenen Tochter und der neunjährigen Enkelin teilen musste. Im vorliegenden Fall verfügt die Klägerin über 3 Zimmer, wobei weder ihrem Vorbringen noch dem Akteninhalt entnommen werden kann, weshalb sie nicht eines dieser Zimmer ihrer Tochter zur Verfügung stellen könnte. Dass dies zwingend mit einer Teilnahme ihrerseits an der „Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft" ihrer Tochter und deren „Lebensgefährten" verbunden wäre, ist nicht unbedingt nachvollziehbar, verfügt letzterer doch über eine eigene Wohnung; ein ständiges gemeinsames Wohnen sieht diese Form der „Lebensgemeinschaft" nach den Feststellungen der Vorinstanzen aber ohnehin nicht vor. Auch wenn der bloße Hinweis auf die Möglichkeit einer Neuverteilung der vorhandenen Wohnräume allein nicht ausreicht, um schon den Eigenbedarf des Vermieters verneinen zu können (1 Ob 507/95; 2 Ob 257/98b), kann im vorliegenden Verfahren nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst das Vorliegen eines Kündigungsgrunds im Sinne der § 19 MG, § 30 MRG allein nicht ausreichen würde, um Unzumutbarkeit des Bestandverhältnisses für die Klägerin und damit die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung trotz Kündigungsverzichts annehmen zu können (Würth in Rummel, ABGB³ [2000] § 1116 Rz 7 mwN). Selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 19 Abs 2 Z 5 MG, § 30 Abs 2 Z 8 MRG wäre es deshalb an der Klägerin gelegen darzulegen, inwieweit die Auflösung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten als „äußerstes Notventil" notwendig wäre beziehungsweise worin die Gründe von so großem Gewicht liegen, dass sie den Auflösungsgründen des § 1118 ABGB an Bedeutung nahekommen. Eine derartige Begründung enthält im Übrigen auch der angefochtene Aufhebungsbeschluss nicht.
4. Wenn aber die Voraussetzungen für eine Kündigung trotz Kündigungsverzichts grundsätzlich fehlen, kann die Frage dahin gestellt bleiben, ob (auch) bei unter die Anwendbarkeit des MRG fallenden Bestandverhältnissen die gewichtigen Gründe in anderen Umständen liegen können und nicht in der Person des Bestandnehmers liegen müssen. Jedenfalls erübrigt sich aber die vom Berufungsgericht als notwendig angesehene Verfahrensergänzung durch das Erstgericht. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO war demnach in der Sache selbst zu entscheiden und das Ersturteil wieder herzustellen (Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 519 Rz 109 mwN). Dabei war allerdings im Rahmen einer Maßgabebestätigung zu berücksichtigen, dass es das Erstgericht verabsäumt hat, das Räumungsbegehren abzuweisen (vgl Weixelbraun in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 572 Rz 12). Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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