OGH 10ObS56/06t

OGH10ObS56/06t25.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Jürgen H*****, Frisör, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ruhens der Pension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2005, GZ 11 Rs 89/05w-9, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 90 ASVG in der hier noch anzuwendenden Fassung des ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139, ruht für den Fall, dass ein Pensionsanspruch aus eigener Pensionsversicherung, ausgenommen ein Anspruch auf Teilpension, mit einem Anspruch auf Krankengeld zusammentrifft, der Pensionsanspruch für die weitere Dauer des Krankengeldanspruchs mit dem Betrag des Krankengeldes. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dieser Ruhenstatbestand sei im vorliegenden Fall, in dem Pensions- und Krankengeldanspruch unbestritten aus demselben Versicherungsverhältnis herrühren, erfüllt, steht im Einklang mit der bereits vom Berufungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 15/45; 14/80; 13/37 = DRdA 2000/11, 128 ff [Binder]). Dem Berufungsgericht ist auch beizupflichten, dass gegen die hier anzuwendende Bestimmung des § 90 ASVG keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes bestehen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass Krankengeld und Pension gleichermaßen dazu bestimmt sind, einen Ersatz für fehlendes oder ausfallendes Arbeitseinkommen zu bilden (vgl Binder in Tomandl, SV-System 17. Erg-Lfg 264/3; VfGH in Wbl 1991, 256 f und 258 f mwN ua). Aus diesem Grunde sorgt die Ruhensbestimmung des § 90 ASVG für den Ausschluss nicht vertretbarer Doppelbezüge, damit nicht aufgrund desselben Versicherungsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung (Einkommensurrogate) an den Versicherten ausbezahlt werden. Davon unterscheidet sich der Fall, dass der Bezug von Krankengeld nicht aus demselben Versicherungsverhältnis sondern aus einer neben dem Bezug einer Invaliditätspension ausgeübten Erwerbstätigkeit herrührt. In diesem Fall tritt nach der bereits zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kein Ruhen des Pensionsanspruches gemäß § 90 ASVG ein, weil es insoweit bei einem gleichzeitigen Bezug zu keinem unerwünschten Doppelbezug von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung kommt, da durch die Pension der Arbeitsverdienst aus der ersten Beschäftigung des Versicherten, durch das Krankengeld hingegen der Arbeitsverdienst aus seiner zweiten Beschäftigung ersetzt werden soll, das aus der Zusatztätigkeit erzielte Einkommen während des Krankenstandes des Pensionisten keine reale Fortsetzung findet, die Krankengeldleistung aus einem anderen Versicherungsverhältnis als der Pensionsanspruch herrührt und in diesem gesondert Krankenversicherungsbeiträge entrichtet werden. Eine Gleichheitswidrigkeit kann in dieser Differenzierung im Hinblick auf die dargelegten Unterschiede nicht erblickt werden.

Eine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des § 90 ASVG kann aber auch nicht durch den Hinweis auf die nach der Übergangsbestimmung des § 572 Abs 9 ASVG erst für Versicherungsfälle mit einem Stichtag nach dem 31. 12. 2000 anzuwendende Bestimmung des § 254 Abs 6 - 8 ASVG (Teilpension) begründet werden. Diese Bestimmung regelt das Zusammentreffen von Invaliditätspensionen mit einem Erwerbseinkommen des Pensionsbeziehers. Während ein Erwerbseinkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze keinen Einfluss auf die Höhe der Pension hat, wandelt ein Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze den Pensionsanspruch in einen Teilpensionsanspruch um. Die Notwendigkeit einer solchen Anrechnungsbestimmung wurde nach den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass Geldleistungen der Sozialversicherung primär die Aufgabe haben, das - durch Eintritt des Versicherungsfalles - weggefallene Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht jedoch, ein weit über das bisherige Erwerbseinkommen hinausgehendes Gesamteinkommen zu ermöglichen, indem eine Leistung der Sozialversicherung ungeschmälert neben einem oder mehreren Erwerbseinkommen bezogen werden kann (vgl Teschner/Widlar, MGA, ASVG 87. Erg-Lfg Anm 7 zu § 254). In dem Umstand, dass der Gesetzgeber für das Zusammentreffen von zwei sozialversicherungsrechtlichen Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung (Krankengeld und Eigenpension) einerseits und von Invaliditätspension und Erwerbseinkommen andererseits unterschiedliche Ruhens- und Anrechnungsbestimmungen vorgesehen hat, kann ebenfalls keine unsachliche Differenzierung erblickt werden, weil in letzterem Fall durch die Invaliditätspension der Verdienst aus der früheren Erwerbstätigkeit, durch das Krankengeld hingegen das Einkommen aus der neben der Pension ausgeübten Erwerbstätigkeit substituiert wird (vgl SSV-NF 14/80). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens zu beantragen.

Stichworte