Spruch:
Aus Anlass der Grundrechtsbeschwerde wird festgestellt, dass Helmut K***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Mit seiner Grundrechtsbeschwerde wird der Beschuldigte Helmut K***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 700 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Beschuldigten Helmut K***** - gegen den beim Landesgericht für Strafsachen Graz die Voruntersuchung wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB geführt wird - wider die vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 26. Februar 2006, GZ 18 Ur 58/06f-7 (S 169), beschlossene Verhängung der Untersuchungshaft nicht Folge und erkannte (§ 179 Abs 6 StPO), der erstgerichtliche Beschluss verletze das Gesetz nicht.
Bei dieser Entscheidung ging das Beschwerdegericht davon aus, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin Silke K***** im dringenden Verdacht stehen,
1. im Zeitraum zwischen Mitte Jänner 2006 und 21. Februar 2006 ihrem gemeinsamen, vier Monate alten Sohn Darius K***** in mehreren Angriffen auf nicht näher bestimmte Weise, vermutlich jedoch durch heftiges Schütteln, eine schwere Körperverletzung, nämlich ein Schütteltrauma mit Einblutungen der Netzhaut und mehrseitigen Blutungen im Bereich des Gehirns, absichtlich zugefügt zu haben,
2. durch die oben beschriebenen Handlungen ihrem genannten gemeinsamen Sohn, somit einer Person, die ihrer Fürsorge und Obhut untersteht und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, körperliche Qualen zugefügt zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Obgleich sich der Oberste Gerichtshof nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung (vgl Fabrizy StPO9 GRBG § 10 Anm 1; RIS-Justiz RS0112012; jüngst 14 Os 19/06k) bei der Überprüfung jener Sachverhaltsgrundlagen, aus denen die Dringlichkeit des Tatverdachtes gefolgert wird, an den vom Beschwerdeführer zu relevierenden Mängeln iSd § 281 Abs 1 Z 5, 5a StPO zu orientieren und jede vorausgreifende, nur dem erkennenden Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung zu vermeiden hat, ist es ihm als verfassungsmäßig letzter Instanz zur Wahrung des Grundrechtsschutzes im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zufolge § 10 GRBG möglich, in sinngemäßer Anwendung des § 362 StPO sich aus aktenkundigen Umständen ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der die Verdachtsintensität tragenden Sachverhaltsprämissen auch dann wahrzunehmen, wenn sie in der Grundrechtsbeschwerde - wie hier - nicht aufgezeigt werden (13 Os 92/98; 11 Os 143, 144/99; Ratz, JBl 2000, 537 und ÖJZ 2005, 418; zur analogen Anwendung von § 290 Abs 1 Satz 2 StPO s 15 Os 36/05s = EvBl 2005/129, 584).
Dringender Tatverdacht setzt einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit (im Sinne eines Überwiegens der belastenden Momente gegenüber den entlastenden) voraus, dass der Beschuldigte die ihm angelastete Straftat begangen hat (vgl RIS-Justiz RS0040284). Vorliegend begründete das Beschwerdegericht die Dringlichkeit des Tatverdachtes mit den in der Anzeige des Landeskriminalamtes Steiermark dokumentierten Erhebungsergebnissen (ON 2), aus denen hervorgeht, dass der Sohn der beiden Beschuldigten, der mit ihnen im gemeinsamen Haushalt in Graz lebte, am 21. Februar 2006 mit der Diagnose „Verdacht auf chronisches Schütteltrauma" in das LKH Graz aufgenommen wurde, wo er am 24. Februar 2006 operiert werden musste. Dabei wurden mehrseitige Blutungen im Bereich des Gehirns festgestellt, die nicht durch ein einziges Trauma, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb der letzten drei bis vier Wochen verursacht worden seien (S 21, 47).
Daraus leitete das Oberlandesgericht ab, dass der Säugling ab etwa Mitte Jänner 2006 wiederholt brutal geschüttelt wurde, wobei als Täter ausschließlich der Beschwerdeführer und seine Ehegattin in Frage kämen. Zwar hätten sich beide bisher leugnend verantwortet, an der Richtigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers bestünden jedoch begründete Zweifel, weil er jedenfalls hinsichtlich seines Drogenkonsums zunächst unwahre Angaben gemacht habe (S 99), die er erst über Vorhalt der Ergebnisse eines Drogenschnelltestes korrigiert habe (S 101).
Dabei lässt das Beschwerdegericht jedoch völlig außer Acht, dass die Beschuldigte Silke K***** die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers, der insbesondere darauf hinwies, während des Deliktszeitraumes nicht oft zu Hause gewesen zu sein (siehe S 99, 165), im Wesentlichen bestätigte und ausdrücklich erklärte, dass nur sie auf das Kind aufgepasst habe, und oft mit Darius allein gewesen sei, was bei ihrem Mann nur ein einziges Mal vorgekommen sei (S 85). Dazu kommt, dass sich aus den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Ergebnissen des Beweisverfahrens eine Aggressionsneigung der Beschuldigten Silke K***** ergibt (S 87, 107), während entsprechende Anhaltspunkte bezüglich des Beschwerdeführers nicht vorliegen. Auf der Basis dieser Umstände war somit entgegen der Meinung des Oberlandesgerichtes ein dringender Tatverdacht bezüglich des Beschuldigten Helmut K***** nicht zu begründen. Da es demnach an einer essentiellen Voraussetzung für die Verhängung der Untersuchungshaft fehlte, wurde Helmut K***** - wie bereits die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführte - durch die angefochtene Entscheidung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Dieser Beschluss war daher aus Anlass der Grundrechtsbeschwerde aufzuheben. Mit dieser selbst war der Beschuldigte auf die Entscheidung zu verweisen.
Gemäß § 7 Abs 2 GRBG sind die Gerichte verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mittel unverzüglich einen der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Zustand herzustellen. In sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift wird der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft zu entlassen sein.
Da das Erkenntnis im Sinne der Feststellung einer Grundrechtsverletzung stattgebend ausfiel, hatte die Kostenfolge des § 8 GRBG einzutreten.
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