OGH 2Ob293/05k

OGH2Ob293/05k2.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Georg N*****, vertreten durch Dr. Manfred Wiener, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Werner E*****, vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen EUR 31.467,34 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2005, GZ 11 R 62/05a-55, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. April 2005, GZ 18 Cg 20/00v-49, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der teilweisen Stattgebung des Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen sind, werden hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die mittlerweile verstorbene Ehefrau des Beklagten „entwendete" dem ebenfalls verstorbenen Vater des Klägers, der Gesamtrechtsnachfolger nach seinem Vater ist, zumindest ein Sparbuch und behob von diesem S 433.000 (EUR 31.467,34).

Der Kläger begehrte vom Beklagten EUR 31.467,34 sA. Die Ehefrau des Beklagten habe einen Leasingvertrag bzw Kreditverbindlichkeiten bezahlt. Der Beklagte sei durch die Abdeckung seiner Verbindlichkeiten bereichert. Der Klagsbetrag sei mit 10 % bzw 16,5 % (AS 257/259) aus dem Titel des Schadenersatzes zu verzinsen, weil dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass seine Ehefrau wegen gewerbsmäßigen Diebstahls polizeilich verfolgt worden sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es seien ihm keinerlei Zahlungen für gemeinsame Kredite durch seine verstorbene Ehefrau zugute gekommen. Er habe auch sonst keine Zuwendungen durch sie erhalten und sei nicht bereichert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von EUR 23.255,81 samt 4 % Zinsen aus EUR 14.534,88 vom 6. 12. 1993 bis 31. 12. 1993 und aus EUR 23.255,81 seit 1. 1. 1994 statt. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen noch fest, der Beklagte habe ein Fahrzeug geleast gehabt. Am 31. 12. 1992 habe der Minussaldo S 334.174,44 betragen. Am 6. 12. 1993 (Valuta 18. 11. 1993) sei dem Konto ein Betrag von S 200.000 (EUR 14.534,88) und am 31. 12. 1993 (Valuta 15. 12. 1993) ein Betrag von S 120.000 (EUR 8.720,93) (aus dem Diebstahl des Sparbuchs) gutgebucht worden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahingehend, dass die beiden festgestellten Beträge dem Beklagten bzw dessen Konto für das Leasingfahrzeug zugeflossen und daher zu seinem Nutzen verwendet worden seien, weshalb der Beklagte dem Kläger diese Beträge aus dem Titel der Bereicherung zu ersetzen habe. Weitere Beweisergebnisse, die den Schluss zuließen, dem Beklagten seien weitere Beträge zugeflossen, lägen nicht vor. Zinsen seien nur im gesetzlichen Ausmaß zuzusprechen, weil keinerlei Beweisergebnisse vorlägen, die ein Verschulden des Beklagten an der Nichtbezahlung des Kondiktionsanspruches des Klägers erkennen ließen.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung beider Parteien. Der Kläger bekämpfte die Abweisung des Haupt- und Zinsenmehrbegehrens. Der Beklagte bekämpfte dieses Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts (in der Hauptsache).

Zu dem im Revisionsverfahren allein strittigen Zinsenbegehren führte es aus, nach bürgerlichem Recht könne ein über die Verzugszinsen hinausgehender Anspruch nur im Falle einer bösen Absicht oder auffallenden Sorglosigkeit des Schuldners geltend gemacht werden (SZ 66/62).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zu beurteilen wären.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass dem Zinsenbegehren im weiteren Umfang stattgegeben werde.

In der freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht beachtet hat, und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung zur Verfahrensergänzung auch berechtigt.

Nach § 502 Abs 2 ZPO ist eine Revision dann jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert insgesamt 4.000 EUR nicht übersteigt. Da das Berufungsgericht über einen 4.000 EUR übersteigenden Anspruch entschieden hat, ist die Revision entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsmeinung nicht jedenfalls unzulässig.

Seit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 71/56 gebühren nach nunmehr ständiger Rechtsprechung höhere Zinsen als die gesetzlichen Verzugszinsen schon bei leichter Fahrlässigkeit des Schuldners (RIS-Justiz RS0109502; Reischauer in Rummel ABGB³ § 1333 Rz 7 mwN). Dabei hat der Gläubiger den über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehenden positiven Schaden zu beweisen, während sich der Schuldner zu entlasten hat (Reischauer aaO Rz 26). Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht wurde daher aufgegeben und entspricht nicht mehr der herrschenden Rechtsprechung. Vielmehr genügt schon leichte Fahrlässigkeit als Anspruchsvoraussetzung.

Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass ein Verschulden insbesondere dann vorliegt, wenn es nicht auf (vertretbare) Rechtsansichten, sondern in erster Linie auf strittige Tatfragen ankommt, die entgegen den (somit wahrheitswidrigen) Prozessbehauptungen der betreffenden Partei entschieden werden (JBl 1993, 394; 6 Ob 167/98x; 1 Ob 228/02i; vgl Lovrek in wobl 2000, 283 ua).

Hier hat der Beklagte den Behauptungen des Klägers entgegengesetzt, die Einzahlungen auf sein Leasingkonto seien nicht vom Sparbuch des Vaters des Klägers erfolgt, sondern seien „Fehlbuchungen" gewesen. Der Beklagte hat sohin den Prozessbehauptungen des Klägers Tatsachenbehauptungen entgegengestellt, die nicht unter Beweis gestellt werden konnten.

Dem Grunde nach besteht daher der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des die gesetzlichen Zinsen übersteigenden Verzugsschadens zu Recht. Die Vorinstanzen haben aufgrund ihrer nicht zu teilenden Rechtsansicht keine Feststellungen über einen vom Kläger aufgenommenen Kredit getroffen. Diese Feststellungen werden nachzutragen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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