OGH 12Os149/05m

OGH12Os149/05m23.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Popelka als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard J***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 20. Oktober 2005, GZ 12 Hv 27/05s-27, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschluss (§ 498 Abs 3 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wurden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB und der Vorhaftanrechnung) sowie der Widerrufsbeschluss aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung und der Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch sowie einen Verfolgungsvorbehalt enthaltenden) Urteil wurde der Angeklagte Gerhard J***** des Verbrechens des (richtig:) gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gemäß § 21 Abs 2 (richtig:) StGB wurde seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er in der Zeit zwischen März 2003 und 4. Jänner 2005 in Garsten und anderen Orten in einer Mehrzahl von Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Elisabeth S***** durch die Vorspiegelung, ein rückzahlungsfähiger und -williger Darlehensnehmer zu sein, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen, nämlich der Gewährung von Bargelddarlehen sowie von Darlehen in Form von Geldüberweisungen, Ermöglichen von Bankomatbehebungen durch Überlassen der Bankomatkarte und Mitteilung des Pin-Codes, der Übernahme von Handygebühren, Bezahlung von Einkäufen sowie Bezahlung von Monatsmieten, verleitet, die diese mit einem Betrag in Höhe von mindestens 15.000 Euro und sohin in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei er die Betrügereien in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 3, 4, 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Soweit Nichtigkeit des Urteils aus dem Grund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO behauptet wird, weil eine „konkrete Anführung und Individualisierung der einzelnen Handlungen und Beträge und deren genauer Zeitpunkt" unterblieben ist, ist Folgendes auszuführen:

Bei einer Vielzahl gleichartiger Straftaten, deren Anzahl mangels weiterer Aufklärungsmöglichkeit nicht ziffernmäßig genau festgestellt werden kann und deren Einzelheiten auch nach Zeit und Ort der Tat, nach bestimmten Tatobjekten und nach der Person des jeweiligen Geschädigten nicht näher beschrieben werden können, ist dem Erfordernis der Individualisierung schon dann entsprochen, wenn die betreffenden gleichartigen Taten insgesamt mit Urteil, in welchem Spruch und Gründe eine Einheit bilden, örtlich und zeitlich umgrenzt und die Art ihrer Ausführung sowie die Tatobjekte generell bezeichnet werden. Eine Spezialisierung der einzelnen deliktischen Angriffe nach den eingangs angeführten Kriterien ist in derartigen Fällen entbehrlich (ÖJZ-LSK 1979/80, 1982/100; 10 Os 48/84; 13 Os 85/05g; EvBl 2005/186, 834).

Fallbezogen wird durch die wortidente, nur im Schadensbetrag differenzierte, bloß pauschale Formulierung von Schuld- und Freispruch dem Gebot des § 260 Abs 1 Z 2 StPO nicht hinreichend Rechnung getragen: Zunächst liegen - wie dem wiedergegebenen Spruch des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist - durchwegs gleichartige Taten nicht vor, sodass - hier - eine pauschale Individualisierung grundsätzlich nur durch Zusammenfassung insoweit differenzierter Faktengruppen (vgl Urteil S 8 f - etwa Bankomatabhebungen) zulässig ist. Abgesehen davon wäre der Schöffensenat gehalten gewesen, zumindest den Versuch zu unternehmen, das teils dem Schuldspruch, teils dem Freispruch zugeordnete, insoweit nicht näher spezifizierte, nach Betrag, Art, Zeit und Ort der Handlungen aufgelistete Sachverhaltssubstrat durch Anführung konkreter Umstände in unverwechselbarer Weise zu umschreiben (vgl Ansätze dazu S 438, 443, 453, 457, 463 ff).

Dennoch ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft erkennbar, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO), weil eine wiederholte Verfolgung und/oder Verurteilung wegen derselben Taten ausgeschlossen ist; jede der in den Entscheidungsgründen angeführten Geldflüsse wird nämlich entweder vom Freispruch oder vom Schuldspruch umfasst (abermals 13 Os 85/05g).

Soweit der Beschwerdeführer im Kontext mit der problematisierten Individualisierung mangelhafte Begründung (nominell Z 3, sachlich Z 5) in Bezug auf Behebungen bzw Versandhausbestellung am 10., 21. sowie nach dem 24. Dezember 2004 einwendet, geht die Rüge ebenfalls fehl. Denn abgesehen davon, dass der Schöffensenat den Angeklagten - insoweit in Anbetracht der sonstigen Verfahrensergebnisse nicht nachvollziehbar favorisierend - ohnehin nur im Einklang mit seiner Verantwortung schuldig erkannte, sodass eine nähere Erörterung von Zeugenaussagen entbehrlich war, wird die Tangierung einer strafsatzändernden Wertgrenze nicht einmal behauptet, weshalb die Rüge keine entscheidungsrelevanten Tatsachen betrifft. Eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten (Z 4) durch Abweisung (S 471) seines Antrags auf Vernehmung seiner Mutter (S 470) vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Denn die in der Rüge herausgegriffenen zwei (von insgesamt drei bei der Antragstellung genannten) Beweisthemen (seine Mutter habe ihm die Ausfolgung eines Sparbuches mit einer Spareinlage von 15.000 Euro nach seiner Haftentlassung in Aussicht gestellt und ihm Anfang 2004 einen Betrag von 1.000 Euro geschickt, um damit die Telefon- und die Volkshilferechnung der Zeugin S***** abzudecken) sind für den ersichtlich angestrebten Nachweis, nicht mit Täuschungsvorsatz gehandelt zu haben, nicht geeignet. Denn sie betreffen - wie schon das abweisende Zwischenerkenntnis zutreffend aufzeigt - nur die behauptete Rückzahlungsfähigkeit des Angeklagten, nicht aber seine mangelnde Rückzahlungswilligkeit, ging doch das Schöffengericht - mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung - davon aus, dass er Elisabeth S***** „möglichst viel Geld herauslocken" wollte, „um sie sodann nach seiner Entlassung alleine zu lassen" (US 9 f und 14 iVm US 2).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider haben die Tatrichter die Aussage des den Angeklagten während der Strafhaft betreuenden Psychotherapeuten Dr. Kurt W*****, zu Beginn das Gefühl gehabt zu haben, die Beziehung zwischen dem Angeklagten und Elisabeth S***** sei von gegenseitiger Zuneigung geprägt gewesen (S 432) - und damit auch die ähnlich geartete Einschätzung des neuropsychiatrischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Bernhard M***** (S 469) - ohnehin in den Kreis ihrer Überlegungen einbezogen (US 12), aus dem gesamten Geschehensablauf (wonach der Beschwerdeführer wiederholt unrichtige Rückzahlungsversprechen abgab, nicht erfolgte Rückzahlungen vortäuschte und während der Strafhaft die pflegerische Betreuung der behinderten Elisabeth S***** zusagte, sogleich nach seiner bedingten Entlassung praktisch grundlos diese Beziehung beendete und eine andere Frau heiratete) aber mit zureichender Begründung den Schluss auf den vorgefassten Betrugsvorsatz des Beschwerdeführers gezogen (US 14 iVm US 4 ff).

Mit der Behauptung, die Urteilsannahme, wonach der Angeklagte von Anfang an darauf abzielte, die Genannte „wie eine Weihnachtsgans auszunehmen und ihr sodann den Laufpass zu geben" (US 14), stünde mit sich selbst in Widerspruch, weil es widersinnig sei, sich von der Genannten zu trennen, obgleich er seiner Verantwortung zufolge (S 432) wusste, Elisabeth S***** würde innerhalb der nächsten vier Jahre von ihrem geschiedenen Gatten 110.000 Euro erhalten, macht der Beschwerdeführer keinen Widerspruch der Urteilsgründe (Z 5 dritter Fall - vgl Fabrizy StPO9 § 281 Rz 45), sondern sachlich eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5 zweiter Fall) geltend, ohne aber darzutun, weshalb die behauptete vage Aussicht auf einen dem Opfer erst in einigen Jahren zukommenden größeren Geldbetrag einer Beendigung der Beziehung nach bereits erfolgter Abschöpfung nicht unerheblicher Vermögenswerte entgegenstünde und damit erörterungsbedürftig wäre.

Die Entscheidungsrelevanz der wegen angeblich undeutlicher Begründung bekämpften Feststellung des Erstgerichtes, der Angeklagte habe auch nach seiner (am 20. Dezember 2004 erfolgten, vgl US 4) bedingten Entlassung seine Betrügereien zumindest noch einige Zeit fortgesetzt (US 14), legt die Beschwerde nicht dar, hat das Erstgericht doch ohnehin zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass er im Tatzeitraum von Elisabeth S***** in einer Vielzahl von Fällen zwar Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 25.077,38 Euro erlangt hat, ihm hiefür ein betrügerisches Vorgehen aber nur für einen (auch hinsichtlich der Tatzeitpunkte) nicht näher bezeichneten Teil der Tathandlungen im Ausmaß eines Betrages von nur insgesamt zumindest 15.000 Euro angelastet (US 9).

Hingegen trifft das Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, wonach die Tatsachenfeststellungen die Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB nicht zu tragen vermögen.

Gewerbsmäßig schwerer Betrug im Sinn der angenommenen Qualifikation verlangt nämlich die Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich gesehen schwerem Betrug (§ 147 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Fall mehrerer Taten zwar ohne Einfluss auf die Qualifikation, wenn einzelne dieser Taten für sich allein betrachtet nur nach § 146 StGB zu beurteilen wären, sofern die Absicht des Täters zwar nicht ausschließlich, aber doch auch auf eine wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien (§ 147 StGB) gerichtet ist (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 148 Rz 6). Eine Feststellung einer auf die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien iSd § 147 StGB gerichteten Absicht des Angeklagten hat das Erstgericht jedoch nicht getroffen. Konstatierungen in Richtung der Intendierung von Angriffen mit einem Einzeltatschaden mehr als 3.000 Euro sind vorliegend durch den Akteninhalt nicht indiziert, zumal sich die Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB ausschließlich aus der Zusammenrechnung der Schadensbeträge aus sämtlichen Straftaten nach § 29 StGB ergibt.

Im zweiten Rechtsgang wird aber zu klären sein, ob der Angeklagte die nach den Feststellungen verwendete (vgl US 6) falsche Auftragsbestätigung der Sp***** der Stadt F***** über 20.000 Euro (S 67) - allenfalls auch - zur Täuschung (iSd § 147 Abs 1 Z 1 StGB) mit dem Ziel der Herauslockung weiterer Geldbeträge benützte, sowie ob die gewerbsmäßige Begehung solcher oder bloß nicht als schwer qualifizierter Betrugsaktivitäten beabsichtigt war. Es zeigt sich daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung über die zum Vorteil des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde, dass in Ansehung der Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO).

Die Teilaufhebung wegen § 148 zweiter Fall StGB erfordert auch die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs und des Widerrufsbeschlusses. Aus diesem Grund erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere allein gegen die in Rede stehende Qualifikation gerichtete Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a).

Der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer ferner in der Sanktionsrüge in Bezug auf die Anordnung seiner Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB zutreffend eine auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen offenbar unrichtige Beurteilung einer für diesen Ausspruch maßgebenden entscheidenden Tatsache (Z 11 zweiter Fall) aufzeigt, weil das Erstgericht die für eine derartige Einweisung vorauszusetzende Prognose, er werde weiterhin strafbare Handlungen mit schweren Folgen (hier gegen fremdes Vermögen) begehen (US 14), bloß darauf stützte, dass bei seiner Persönlichkeit die Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen wie die hier angelasteten zu befürchten ist (US 15).

Die vom Gesetz in Ansehung der Prognosetat verlangten schweren Folgen müssen hingegen - was das Erstgericht verkannte - aus einer einzigen Tat resultieren. Bei Vermögensdelikten hat man sich an der Wertgrenze von 50.000 Euro zu orientieren (Ratz in WK² § 21 Rz 27, 28). Bei keinen der dem Angeklagten angelasteten deliktischen Angriffen wurde nach den Entscheidungsgründen die Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 2 StGB erreicht. Infolge der demnach verfehlten Beurteilung der zu erwartenden gleichartigen Prognosetaten als Straftat mit schweren Folgen entsprach die Anordnung der Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB nicht dem Gesetz.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde gleichfalls in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die gegen das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung.

Mit seiner Strafberufung und der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Stichworte