OGH 13Os85/05g

OGH13Os85/05g28.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Radoslaw Robert W***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Mai 2005, GZ 031 Hv 36/05x-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Radoslaw Robert W***** wurde des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in wechselnder Beteiligung mit abgesondert verfolgten Mittätern fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert unbekannten Gewahrsamsträgern durch Eindringen in Personenkraftwagen mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug (nämlich durch „Schlossstich"; US 5) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrenden Einbruchdiebstahl eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen „und zwar

1. im Februar/März 2003 in Wien und Niederösterreich durch Einbruch in zehn Kraftfahrzeuge zehn Autoradios;

2. im März/April 2003 in Linz und Wien durch Einbruch in neun Kraftfahrzeuge neun Autoradios;

3. im April/Mai 2003 in Wien durch Einbruch in zehn Kraftfahrzeuge zehn Autoradios;

4. im Oktober 2003 in Innsbruck durch Einbruch in vier Kraftfahrzeuge vier Autoradios;

5. Ende 2003 in Graz und Wien durch Einbruch in zwölf Kraftfahrzeuge zwölf Autoradios;

6. im Frühling 2004 in Wien durch Einbruch in acht Kraftfahrzeuge acht Autoradios samt Bedienteilen;

7. Anfang April 2004 in Wien und Graz durch Einbruch in neun Kraftfahrzeuge neun Autoradios;

8. im Juli 2004 in Wien, Graz und Villach durch Einbruch in sieben Kraftfahrzeuge sieben Autoradios;

9. am 6. Oktober 2004 in Wien durch Einbruch in zwei Kraftfahrzeuge zwei Autoradios."

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Zutreffend betont die Verfahrensrüge (Z 3) den Sinn der mit Nichtigkeit bewehrten Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 1 StPO, welcher darin liegt, das Ergebnis der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommenden Entscheidungsfindung formell hervorzuheben und deklarativ klarzustellen, welcher Taten der Angeklagte schuldig befunden wurde, ohne solcherart eine von den Entscheidungsgründen losgelöste Willenserklärung zum Ausdruck zu bringen. Kann die Individualisierung im Urteilsspruch - wie hier, wo sich das Schöffengericht auch im Rahmen der Entscheidungsgründe nicht in der Lage sah, zu entscheiden, welche der insgesamt 78 (als vollendete Einbruchdiebstähle angeklagte, nach Ort, Zeit, Tatobjekt und Geschädigten differenzierte) Taten der Angeklagte konkret begangen hat - bloß in Form einer Zusammenfassung gleichartiger, pauschal individualisierter Taten (sog gleichartige Verbrechensmenge) erfolgen, ist dies unter dem Aspekt des angezogenen Nichtigkeitsgrundes jedoch nicht zu beanstanden.

Soweit der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO - neben einer in der Anführung der in den Entscheidungsgründen festgestellten entscheidenden Tatsachen bestehenden Ordnungsfunktion - eine sichere Individualisierungsgrundlage bezweckt, streiten daraus resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung übrigens für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des aus dem XX. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses (zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266 bis 268, 288, 291). Demnach kommt hinsichtlich der in der - auch nach Ansicht des Beschwerdeführers dem Individualisierungsgebot genügenden - Anklageschrift (vgl § 207 Abs 2 Z 2 StPO) angeführten Taten eine Verurteilung nicht mehr in Betracht, weil Nichterledigung der Anklage (Z 7) vom Staatsanwalt nicht geltend gemacht wurde (ebensowenig hat übrigens der Angeklagte eine Überschreitung der Anklage [Z 8] releviert).

Dass es dem Beschwerdeführer speziell auch auf eine (ohne weiteres mögliche) nähere Individualisierung der Taten vom 6. Oktober 2004 angekommen wäre, anlässlich welcher er von der Polizei betreten worden war, ist nicht ersichtlich. Warum das Erkenntnis „aufgrund überlappender Zeiträume und identer Tatorte" widersprüchlich sein soll (der Sache nach Z 5 dritter Fall; WK-StPO § 281 Rz 276), macht der Beschwerdeführer schließlich nicht deutlich.

Unerörtert gebliebene, den Angeklagten entlastende Umstände vermag die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht zu benennen. Eine Missachtung des Aufklärungsgrundsatzes kann (aus Z 5a) nur mit dem - hier unterlassenen - Vorbringen erfolgversprechend gerügt werden, an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen zu sein (WK-StPO § 281 Rz 480, zust Schmoller, WK-StPO § 3 Rz 64 mwN [im Druck]).

Offenbar unzureichend ist die auf die detailliert geständigen Angaben des Angeklagten vor der Polizei (S 77 ff/I) gestützte Begründung des Schöffengerichtes schon deshalb nicht, weil W***** diese bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter zur Gänze aufrecht erhalten (S 137/I) und erst in der Hauptverhandlung erheblich abgeschwächt hatte. Zudem hat die als Zeugin vernommene Dolmetscherin jeden auf den Angeklagten ausgeübten Druck strikt in Abrede gestellt (S 145/IV). Bei einer Vernehmung gemachte Vorhalte machen deren Ergebnis schließlich keineswegs zur Beweisführung untauglich. Die Beurteilung der nur als Berufungsgrund geltend gemachten angeblichen Missachtung des sog Doppelverwertungsverbotes (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) wird dem Berufungsgericht überlassen (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29).

Zum ergänzenden Schreiben des Angeklagten vom 12. September 2005 bleibt anzumerken, dass das Gesetz nur eine einzige Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt (§ 285 Abs 1 StPO). Die begehrte Urteilszustellung zu erneuter Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kommt daher nicht in Betracht. Die vorliegend erfolgt Zustellung des Urteils (bloß) an den Verteidiger aber entsprach § 79 Abs 4 StPO. Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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