Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0028875; Arb 10.004; 9 ObA 206/94; 9 ObA 19/95; 8 ObA 2302/96d uva) ist das Fernbleiben eines objektiv arbeitsfähigen Arbeitnehmers dann gerechtfertigt, wenn ein zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit berufener Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, obwohl objektiv dazu keine Veranlassung bestand, der Arbeitnehmer aber auf die Richtigkeit der ausgestellten ärztlichen Bescheinigung vertrauen durfte. Dem Arbeitnehmer muss in dieser Situation in aller Regel - wenngleich nicht ausnahmslos - der gute Glaube zugebilligt werden, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit gelangt. Bei diesen Regeln handelt es sich um Erfahrungssätze, die dem Arbeitgeber nicht das Recht nehmen, den Beweis anzutreten, dass der Arbeitnehmer trotz Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung arbeitsfähig war und davon auch Kenntnis hatte oder nach den Umständen des Falls offenbar haben müsste; das wäre etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige Angabe gegenüber dem Arzt erwirkt hätte.
Zutreffend verweist die außerordentliche Revision nun darauf, dass diese Grundsätze - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - hier nicht zur Begründung dafür herangezogen werden können, dass die auf § 82 lit f GewO gestützte Entlassung des Klägers unberechtigt erfolgte: Hier konnte der Kläger auf die Richtigkeit der Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit deshalb nicht vertrauen, weil diese Bestätigung rückwirkend am 19. 9. 2003 ausgestellt wurde, der Kläger allerdings wegen seines Fernbleibens vom Dienst am 16. und 17. 9. 2003 entlassen wurde (siehe auch 9 ObA 85/87).
Damit ist allerdings im Ergebnis für die Beklagten nichts gewonnen:
Die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers muss, um eine darauf gestützte Entlassung im Sinne des § 82 lit f GewO zu rechtfertigen, schuldhaft erfolgen. Als Schuldform reicht Fahrlässigkeit aus, doch muss dem Arbeitnehmer bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennbar sein (RIS-Justiz RS0060748; Kuderna, Entlassungsrecht² 137, 102 ff). Hier steht fest, dass der über 27 Jahre bei der Zweitbeklagten als Arbeiter im Metallgewerbe beschäftigte Kläger weder am 16. noch am 17. 9. 2003 zur Arbeit erschien. Die Prokuristin der Zweitbeklagten versuchte an diesen Tagen mehrfach vergeblich, den Kläger zu erreichen. Der Kläger fühlte sich an diesen Tagen unfähig, außer Haus zu gehen, zu telefonieren oder selbst einen Anruf entgegenzunehmen. Am 17. 9. 2003 wurde der Kläger entlassen. Am 19. 9. 2003 schilderte der Kläger seiner ihn langjährig behandelnden Ärztin die Symptome, die er am 16. und 17. 9. 2003 empfand. Dabei brach er bei der Schilderung von Todesfällen in seinem unmittelbaren Bekanntenkreis in Tränen aus. Es bestand eine Tendenz zum Grübeln, Nachdenken und schwere Schlafstörungen. Der Ärztin erschien der Kläger nervlich erschöpft und antriebslos. Die Ärztin ordnete daher, weil sie subjektiv der Ansicht war, dass Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand, die Rückdatierung der Krankschreibung an. Es steht nicht fest, dass der Kläger der Ärztin erfundene Symptome schilderte.
Bei diesem Sachverhalt durfte der Kläger zwar nicht auf die Richtigkeit einer - zum Zeitpunkt seines Fernbleibens vom Dienst noch gar nicht erfolgten - Bestätigung seiner Arbeitsunfähigkeit vertrauen; allerdings steht fest, dass sich der Kläger - der sich an den betreffenden Tagen unfähig fühlte, außer Haus zu gehen - davon ausging, arbeitsunfähig zu sein. Berücksichtigt man, dass der Kläger auch seine Symptome wahrheitsgetreu der behandelnden Ärztin schilderte und diese die vom Kläger richtig geschilderten Symptome als ausreichend dafür ansah, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu bescheinigen, ist bei einer Gesamtbetrachtung jedenfalls davon auszugehen, dass dem Kläger kein Verschulden an seinem Fernbleiben vom Dienst und der nicht rechtzeitigen Verständigung seines Dienstgebers angelastet werden kann (vgl dazu 8 Ob 179/02k). Es ist daher nicht entscheidungswesentlich, dass dem Kläger nach der vom Berufungsgericht übernommenen - nicht näher begründeten und daher nur schwer nachvollziehbaren - Feststellung des Erstgerichtes ab 16. 9. 2003 „objektiv arbeitsfähig" war.
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