OGH 9ObA42/05z

OGH9ObA42/05z22.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ivan O*****, Fußballtrainer, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S***** *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen EUR 181.089 netto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. November 2004, GZ 8 Ra 76/04i-40, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Juni 2004, GZ 24 Cga 165/03d-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlichere Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.125,98 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 1. 7. 1994 als Trainer beim beklagten Bundesligaclub beschäftigt. Am 1. 5. 1999 wurde der Angestelltenvertrag insoweit abgeändert, als dieser für die Zeit vom 1. 6. 1999 bis 1. 6. 2004 befristet wurde und ein monatliches Gehalt von EUR 21.802, 12 x jährlich netto, fixiert wurde, weiters wurden für bestimmte Erfolge Sonderprämien zugesagt. Zunächst errang der Kläger mit dem Club auch ansehnliche sportliche Erfolge, nämlich zweimal den Meistertitel in der Bundesliga, viermal den zweiten Platz, einmal den dritten und einmal den vierten Platz. In dem Jahr, als der Verein den vierten Meisterschaftsplatz belegte, konnte er auch zum dritten Mal in die Championsleague einziehen und die zweite Stufe der Qualifikation erreichen. In diesen Zeiten war der Präsident des beklagten Vereins, K*****, voll des Lobes für den Kläger und brachte dies vor allem in der Öffentlichkeit zum Ausdruck. Nach dem Verlust eines Matches gegen Manchester United am 5. März 2001 kritisierte K***** öffentlich den Kläger, indem er dessen Aufstellung als Frechheit, den Kläger selbst als Zauderer und Feigling bezeichnete. Nachdem die Erwartungshaltung des Präsidenten auch durch teure Spielereinkäufe nicht erfüllt worden war, übte er weiterhin öffentliche Kritik am Kläger, wobei er den Kläger dahin qualifizierte, dass dieser nach Ausreden suche, feige sei und sich vor der Verantwortung drücke. Nach solchen Kritiken gab es immer wieder Aussprachen zwischen dem Kläger und K*****, der den Kläger zu beschwichtigen suchte und sich bei ihm entschuldigte. Im Juni 2002 äußerte der Kläger gegenüber einer Zeitung, dass ihn das Poltern K*****s nicht störe, dass er damit kein Problem habe, dass ihm praktisch alles egal sei, vielmehr schade K***** mit seinen Äußerungen nur der Mannschaft. In Wirklichkeit stand der Kläger jedoch durch die öffentlich vorgetragene Kritik K*****s psychisch unter Druck. Dazu kamen noch negative Spielresultate und Kritik aus der Öffentlichkeit. Als im Sommer 2002 ein Auswärts-Qualifikationsspiel für den Aufstieg in die Championsleague wieder verloren wurde, äußerte K***** gegenüber Medien, dass es möglich sei, dass der Kläger „gehen müsse". Gleichzeitig nahm er Kontakte zu einem anderen Trainer auf, diese führten jedoch nicht zum Trainerwechsel. Letztgenannte Vorgangsweise des Präsidenten veranlasste den Kläger zur Erklärung, dass er solange nicht auf die „Bank" gehen werde, bis die Sache geklärt sei. Aus diesem Grund ließ er sich bei einem Meisterschaftsspiel in der Bundesliga auch von seinem Co-Trainer vertreten. Anfang September 2002 kam es zu einer Aussprache zwischen dem Kläger und dem Präsidenten. Dieser fragte den Kläger, ob er überhaupt noch mit der Mannschaft arbeiten könne, ob die Spieler auf ihn hörten und ob er sich zutraue, diese Mannschaft noch zu trainieren. Dies bejahte der Kläger. Er wurde in seiner Funktion bestätigt, es kam zu einem „Shakehands", das auch medial dargeboten wurde. Der Kläger räumte ein, dass es ein Fehler gewesen sei, beim letzten Spiel nicht auf der Trainerbank gesessen zu sein, K***** versprach wiederum, öffentliche Kritik zu vermeiden, weil diese den Kläger offensichtlich kränke. Am Vormittag des 13. 9. 2002 langte im Sekretariat des beklagten Vereins ein Fax ein, welches einen Vorabdruck eines Interviews K*****s im „Sportmagazin" Ausgabe Nr 9/Oktober 2002 zum Inhalt hatte, das dieser ca drei Wochen zuvor gegeben hatte. In diesem Interview griff K***** den Kläger sowie den sportlichen Leiter des Beklagten verbal an. Unter anderem äußerte K***** dabei: „....Sie (gemeint: der Kläger und der sportliche Leiter) kriegen ihren Hintern aus Graz nicht hinaus. Sie sind nicht einmal Maccabi Haifa anschauen gefahren, normal ist das eine Fristlose. ... Das war ihnen zu weit, aber gut, alte Herren werden eben bequem mit der Zeit. .... Am liebsten wäre ihm gewesen, du bringst ihm nur (Anm.: gemeint dem Kläger) Cevapcici und Rasnjici. Diese Freunderlwirtschaft! ..." (aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass K***** Kritik daran üben wollte, dass der Kläger die Anwerbung von Landsleuten aus Ex-Jugoslawien als Spieler favorisiere). „... Aber sobald O***** Verantwortung übernehmen muss, streikt er. Der hat auch keine Manieren. Kann nicht einmal grüßen. Er grüßt nicht einmal Vorstandsmitglieder. Er ist ein weiser, gescheiter Mensch und der beste Trainer Österreichs, aber sobald er das Feld verlässt, interessiert ihn nichts mehr. Sehen tut er viel, aber er traut sich keine Verantwortung übernehmen. Er ist feig wie kein zweiter, überhaupt nicht konsequent. Alles bleibt vage bei O*****. Er verkauft sich der Presse ja sensationell, und ich stehe ja auf eine Art auch auf ihn, wirklich, aber er muss ein bisserl anders werden, gewisse Spieler brauchen ein Gespräch. Er redet ja mit keinem. Und der S***** ist der gleiche. Die Jugend kannst heute nicht so behandeln, wie es O***** in der kommunistischen Ära gemacht hat. Der muss ja auch an sich arbeiten, „Kann ich nicht, bin ich so", hat er gesagt, „müssen sie anderen Trainer nehmen." Ja, und wenn ich es will, fragt er: „Was krieg ich", „Zahlen sie mich aus, es geht nicht mehr".....". Das Fax nahm zunächst der sportliche Leiter entgegen und verständigte hievon den Kläger, der Einsicht nahm. K***** kam hiezu und wurde von den Betroffenen auf den Artikel angesprochen, woraufhin er wieder beschwichtigte und die Verantwortung auf die Journalisten abschob, indem er meinte: „Weißt Du, das hab ich nicht alles gesagt". Er wandte sich mit den Worten „So was tun wir jetzt, arbeitet Ihr weiter oder nicht" an die Betroffenen. Der sportliche Leiter äußerte sich dahin, dass er sich Schritte vorbehalte. Der Kläger antwortete achselzuckend: „Was willst Du eigentlich? So ist der Präsident!" und verließ das Sekretariat. Am Nachmittag desselben Tages leitete er noch das Training mit der Mannschaft, desgleichen fuhr er am nächsten Tag mit der Mannschaft zu einem Trainingslager, welches am Vormittag stattfand. Hier nahm er wahr, dass einige Spieler das Sportmagazin bereits gekauft hatten. Er glaubte nun seine Autorität verloren zu haben und bei den Spielern nichts mehr bewirken zu können. Am Nachmittag kam es zum Meisterschaftsmatch, welches verloren ging. Als er nach dem Match vom Präsidenten und zwei weiteren Vorstandsmitgliedern in der Kabine aufgesucht wurde, erklärte der Kläger seinen Austritt.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger zunächst den Zuspruch von EUR 173.822 netto (Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung). In der Folge (ON 5) dehnte er sein Klagebegehren um einen Betrag von EUR 7.267 an vereinbarter Prämie für die Teilnahme der Championsleague-Runde 2001/2002 aus. Er sei berechtigt ausgetreten, weil er fortgesetzt „gemobbt" worden sei und der Präsident sich ihm gegenüber erhebliche Ehrverletzungen habe zuschulden kommen lassen.

Der beklagte Verein beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt einen wichtigen Grund für den Austritt des Klägers. Insbesondere habe er sein Austrittsrecht verwirkt, zumal er bereits am 13. 9. 2002 von den Äußerungen des Präsidenten Kenntnis erlangt, mit dem Austritt aber bis zum 14. 9. 2002 zugewartet habe. Der beklagte Verein bestritt, dass die Äußerungen des Präsidenten erhebliche Ehrverletzungen darstellten, vielmehr habe es sich um branchenübliche milieubedingte Äußerungen gehandelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erachtete die Äußerungen des Präsidenten des beklagten Clubs zwar als Ehrverletzungen, doch sei der Austritt des Klägers nicht unverzüglich erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach diesem einen Betrag von EUR 173.822 netto (Abfertigung, Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung) zu. Das Mehrbegehren von EUR 7.267 (Prämie) wies es (unangefochten) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass vorgenannten Äußerungen K***** gegenüber einer Zeitung als ehrverletzend im Sinn des § 26 Z 4 AngG zu beurteilen seien. Bei den gegebenen Verhältnissen sei der erst einen Tag später erfolgte Austritt nicht verspätet. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Judikatur zur Frage fehle, welcher Maßstab für die Beurteilung der Erheblichkeit von Ehrverletzungen gegenüber hochbezahlten, im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Fußballtrainern anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision der Beklagten, welche keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, nicht zulässig.

Zunächst ist unstrittig, dass sich der beklagte Verein die Äußerungen seines Präsidenten als Organ zurechnen lassen muss (RIS-Justiz RS0029091; SZ 68/14). Für die Prüfung der Erheblichkeit einer Ehrverletzung im Sinn des § 26 Z 4 AngG sind unter anderem das bisherige Verhältnis der beiden Vertragspartner, deren Bildungsgrad, die im Betrieb (Abteilung) üblichen Umgangsformen bzw die näheren Umstände maßgebend (Martinek/Schwarz/Schwarz AngG7 584). Selbst wenn man zugrunde legt, dass es sich beim Präsidenten des beklagten Clubs um einen Menschen handelt, der gerne Kraftausdrücke verwendet und sich auch schon in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger einer rüden Ausdrucksweise befleißigt hat, muss allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass sich der Kläger damit abgefunden und einer solchen Ausdrucksweise sogar zugestimmt hätte. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass auch ein überdurchschnittlich gut bezahlter, in der Öffentlichkeit stehender Trainer eines Erstligaklubs solche Äußerungen nicht tolerieren muss, ist genauso vertretbar wie die Ansicht, dass der Präsident des beklagten Clubs mit seinem Interview die Grenzen sachlicher Kritik (RIS-Justiz RS0028815) in ungebührlicher Weise überschritten hat. Insbesondere ist dem Berufungsgericht dahin beizupflichten, dass die Bezeichnung „Cevapcici und Rasnjici" für (ehemalige) Landsleute des Klägers mit sachlicher Kritik an der Spielerauswahl nichts mehr zu tun hat. Gerade die Bedeutung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls macht aber eine allgemein gültige Aussage, ob und inwieweit sich überdurchschnittlich bezahlte, in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten des Spitzensports Äußerungen gefallen lassen müssen, welche sonst als erhebliche Ehrverletzung bewertet werden, unmöglich.

Soweit der beklagte Verein in seiner Revision auf die Meinungsfreiheit und die zu § 1330 ABGB ergangene Judikatur hinweist, übersieht er, dass zwischen den Streitteilen ein Vertragsverhältnis bestand, welches wechselseitige Rechte und Pflichten begründet, die nicht nur daran gemessen werden können, ob und inwieweit sonst ganz allgemein öffentliche Kritik zulässig sein kann.

Das Berufungsgericht verkennt nicht den Grundsatz, dass auch ein berechtigter Austritt unverzüglich zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0028677; RS0028687). Dieser Grundsatz darf jedoch nicht überspitzt werden und bedarf einer verständnisvollen Anwendung (RIS-Justiz RS0028677). Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass im vorliegenden Fall aus dem Verhalten des Klägers noch nicht auf einen Verzicht zu schließen und der Austritt daher rechtzeitig war, ist vertretbar und wurde im Übrigen auch schon im Schrifttum (Reissner, in seinem auf den konkreten Fall bezugnehmenden Artikel „Austritt eines Fußballtrainers aufgrund von Mobbig" in DRdA 2005, 277 f) geteilt. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Kläger erst am nächsten Tag, als er auch bei einigen seiner Spieler das neue Sportmagazin sah, die volle Tragweite der abwertenden Äußerungen mit den möglichen Folgen seines Autoritätsverlusts bei der Mannschaft erkannte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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