OGH 5Ob16/06y

OGH5Ob16/06y21.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. D***** GmbH, *****, 2. Mauro D*****, beide vertreten durch Eckert & Fries, Rechtsanwälte GmbH in Baden, wegen Berichtigung von Miteigentumsanteilen und Wohnungseigentum, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 1. Dezember 2005, AZ 2 R 430/05, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 15. September 2005, TZ 6554/05, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind die einzigen Miteigentümer einer Liegenschaft in V*****; mit ihren Anteilen ist das 2005 eingetragene Wohnungseigentum an diversen Wohnungen und Kfz-Stellplätzen verbunden.

Am 26. 8. 2005 beantragten die Miteigentümer unter Vorlage des Nachtrages zum Wohnungseigentumsvertrag vom 5. 8. 2005 samt (korrigiertem) Nutzwertgutachten eines Sachverständigen für das Immobilienwesen vom 12. 7. 2005 und der Selbstberechnungserklärung vom 17. 8. 2005 die Berichtigung von Mit- und Wohnungseigentumsanteilen.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, sei es ein Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte gemäß § 9 Abs 2 WEG 2002 bei Gericht einzubringen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Wortlaut des § 9 Abs 2 WEG 2002, der wie schon § 3 Abs 2 WEG 1975 nur eine demonstrative Aufzählung der Gründe für eine Neufestsetzung der Nutzwerte enthalte, sehe keine Nutzwertneufestsetzung durch Privatgutachten vor. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zur Neufestsetzung des Nutzwertes nur aufgrund eines vorgelegten Nutzwertgutachtens.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Abänderungsantrag, ihren Verbücherungsantrag zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Festsetzung des Nutzwertes war bis zur sog „Privatisierung" der

Nutzwertberechnung (Stabentheiner in immolex 1997, 21) durch das

Bauträgervertragsgesetz BGBl I 7/1997 (BTVG) ausschließlich dem

Gericht/der Schlichtungsstelle vorbehalten. Ab dem 1. 1. 1997 hatte

die erstmalige Ermittlung der Nutzwerte nach § 3 Abs 1 WEG 1975 -

ausgenommen bei am 31. 12. 1996 bereits anhängigen Verfahren -

aufgrund eines privaten Gutachtens eines für den Hochbau zuständigen

Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich

zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das

Immobilienwesen zu erfolgen. § 3 Abs 2 WEG 1975 enthielt eine

demonstrative Aufzählung (5 Ob 1106/92 = WoBl 1993, 173/119 [Call]; 5

Ob 80/94 = WoBl 1995, 28/13 [Call]; 5 Ob 156/98x = WoBl 1999, 60/36

[Call]; 5 Ob 272/00m = WoBl 2001, 85/55 [Call]) der Fälle einer vom

Privatgutachten abweichenden Nutzwertfestsetzung durch das Gericht/die Schlichtungsstelle. Als wichtiges Korrektiv zu der privaten Gutachtertätigkeit (Stabentheiner aaO; vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. WohnR, § 9 WEG Rz 18) räumte § 3 Abs 2 Z 1 WEG die Möglichkeit einer Festsetzung des Nutzwertes durch das Gericht/die Schlichtungsstelle ein, wenn das Gutachten über die Berechnung der Nutzwerte um mindestens 3 % von den tatsächlichen Gegebenheiten abwich.

Diese grundsätzliche Trennung zwischen „privater" und „behördlicher" Nutzwertfestsetzung wurde durch § 9 WEG 2002 nicht geändert. Abs 1 leg. cit. schreibt die (erstmalige) Ermittlung der Nutzwerte ausschließlich durch Gutachten eines privaten Sachverständigen vor und schließt damit ebenso wie die Vorgängerbestimmung des § 3 Abs 1 WEG 1975 eine Alternative zur Anrufung des Gerichtes/der Schlichtungsstelle bei erstmaliger Festsetzung der Nutzwerte aus ( EB zur RV 989 BlgNR XXI. GP; siehe auch die EB zur RV der geplanten WRN 2006, 1183 BlgNR XXII. GP, bT Art 1 Z 6).

§ 9 Abs 2 WEG 2002 zählt fünf Fälle auf, in denen auf Antrag die Nutzwerte vom Gericht abweichend vom Nutzwertgutachten (Abs 1) festzusetzen sind.

Der als Z 1 des Abs 2 leg. cit. neu ins Gesetz aufgenommene Grund des

Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung stellt

nach den zitierten Materialien eine Positivierung der bisherigen

Rechtsprechung dar, wonach derartige Verstöße jedenfalls auch ohne

zeitliche Begrenzung eine gerichtliche Nutzwertneufestsetzung

rechtfertigen (insb 5 Ob 213/98d = MietSlg 51.512 mwN; 5 Ob 279/00s =

SZ 73/174 = WoBl 2001,81/54 [Call]), ohne die bloß demonstrative

Zusammenstellung der wichtigsten Tatbestände in eine taxative umzuwandeln.

§ 9 Abs 3 WEG 2002 ordnet an, dass Abs 2 entsprechend auch für eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von einer bereits früher ergangenen Nutzwertfestsetzung durch das Gericht gilt. Dies bedeutet nach den zitierten Materialien nur eine explizite Klarstellung, dass die in Abs 2 demonstrativ dargestellten Fallkonstellationen auch dann eine - nochmalige - gerichtliche Nutzwertfestsetzung auslösen können, wenn bereits einmal eine Nutzwertfestsetzung durch das Gericht erfolgt ist und sich eine Änderung aus einem der entsprechend anzuwendenden Fälle des Abs 2 als erforderlich erweist. Ausgangsbasis ist in diesem Fall selbstverständlich die vorangegangene Nutzwertfestsetzung durch das Gericht.

Entgegen der Meinung der Antragsteller gewährt § 9 WEG somit keinesfalls ein Wahlrecht, ob die „geänderten" Nutzwerte durch ein Gutachten oder durch das Gericht festgestellt werden können. Vielmehr behandelt diese Bestimmung in ihrem Abs 2 die Neufestsetzung der Nutzwerte durch das Gericht/die Schlichtungsstelle nach erfolgter erstmaliger Wohnungseigentum-Begründung aufgrund eines privaten Gutachtens (T. Hausmann aaO Rz 22; Würth in Rummel, ABGB³ II/5 § 9 WEG 2002 Rz 2). Gegenteiliges lässt sich auch den Ausführungen Dirnbachers (WEG 2002, 40), auf den sich die Antragsteller berufen, nicht entnehmen. Der genannte Autor unterscheidet zunächst zwischen der (erstmaligen) Ermittlung der Nutzwerte durch Sachverständige einerseits (§ 9 Abs 1 WEG) und der Festsetzung der Nutzwerte durch das Gericht andererseits (§ 9 Abs 2 WEG). Die Neufestsetzung der Nutzwerte (§ 9 Abs 3 WEG) sieht er als Sonderfall der gerichtlichen Festsetzung, was eine bereits früher erfolgte Festsetzung des Nutzwertes durch das Gericht voraussetze. Diese Ausführungen, insbesondere die Verwendung des von den Antragstellern besonders betonten Begriffes „Neufestsetzung" entsprechen dem Gesetzestext, ohne - eindeutig entgegen den Materialien - die im Revisionsrekurs gewünschte Beschränkung der gerichtlichen Zuständigkeit auf den Tatbestand des § 9 Abs 3 WEG 2002 zum Ausdruck zu bringen. Aufgrund der bereits erwähnten demonstrativen Aufzählung jener Fälle in § 9 Abs 2 WEG 2002, wo eine nachträgliche Festsetzung des Nutzwertes durch das Gericht/die Schlichtungsstelle möglich ist, hilft den Antragstellern auch ihr Argument nicht, keiner der Fälle des Abs 2, insbesondere der Verstoß gegen zwingende Parifizierungsgrundsätze sei verwirklicht, zumal eine nachträgliche Korrektur einer ursprünglich fehlerhaften Nutzwertermittlung über gemeinsamen Antrag sämtlicher Miteigentümer eine im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelte, aber § 9 Abs 2 WEG 2002 unterliegende Konstellation darstellen kann ( T. Hausmann aaO RZ 61 ).

Eine jederzeitige und unbeschränkte Korrektur bereits aufgrund eines Privatsachverständigengutachtens eingetragener Nutzwerte allein durch Vorlage eines korrigierten Gutachtens, wie sie den Antragstellern vorschwebt, widerspricht aber eindeutig den gesetzlichen Vorschriften.

Richtig ist, dass ein Beschluss über die Festsetzung der Nutzwerte den für die bücherliche Einverleibung geänderter Miteigentumsverhältnisse erforderlichen Titel (hier Nachtrag zum Wohnungseigentumsvertrag) nicht ersetzen kann (RIS-Justiz RS0106054; 5 Ob 272/00m). Die Vorlage des Vertrages alleine kann aber genauso wenig die beantragte Eintragung begründen und steht iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG einer Bewilligung der Eintragung entgegen.

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