Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Eva B***** wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Die Vorinstanzen gaben einem selbständigen Antrag der mündigen Minderjährigen gemäß § 104 Abs 1 AußStrG statt und übertrugen gemäß § 176 ABGB die Obsorge von der Mutter, bei der die Minderjährige die letzten sechs Jahre seit der Scheidung der Eltern gelebt hatte, auf den Vater. Eine Gefährdung des Kindeswohls bei Verbleib der Mutter iSd § 176 Abs 1 ist ausgeschlossen. An der Fähigkeit der Rechtsmittelwerberin, ihr Kind ordentlich zu betreuen und zu erziehen, besteht nach den Verfahrensergebnissen kein Zweifel. Die Minderjährige tendiert schon seit der Scheidung der Kindeseltern und der damit verbundenen Übersiedlung in den 22. Wiener Bezirk dazu, wieder in ihre alte Wohnumgebung zurückzukehren und beim Vater zu wohnen. Ihr Wunsch, zum Vater zu ziehen und die Übertragung der Obsorge auf diesen zu erwirken, ist wohldurchdacht, autonom gebildet und das Ergebnis eines längeren Entscheidungsprozesses. Die Minderjährige erscheint jedenfalls reif genug, die Entscheidung zu treffen, bei wem sie leben möchte. Sie lebt sei Mai des Vorjahres tatsächlich beim Vater.
Der Vater ist ebenso erziehungsfähig wie die Mutter und mit einer Übernahme der Obsorge einverstanden.
Das Rekursgericht erachtete bei dieser Sachlage den ernstlich geäußerten Wunsch der Vierzehnjährigen nach einem Obsorgewechsel als besonders wichtigen Grund, der für eine Änderung spreche. Sofern nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprächen und der Wunsch nicht gegen die offenbar erkennbaren Interessen des Kindes gerichtet sei, also keine schwerwiegenden Gründe entgegenstünden, sei eine Aufrechterhaltung der Obsorgeregelung gegen den Widerstand des mündigen Kindes abzulehnen.
Rechtliche Beurteilung
Mit dieser Rechtsansicht hält sich die Rekursentscheidung im Rahmen der jüngeren, durch Inkrafttreten der Regelung des § 146 Abs 3 ABGB verstärkt begründeten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. In Abschwächung der früheren Rechtsprechung (vgl EFSlg 62.880; EFSlg 71.840; 4 Ob 1625/92; 5 Ob 513/95 ua, die zT allerdings Kinder und keine mündige Minderjährige betrifft) wurde sogar schon vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 mit 1. 7. 2001 judiziert, dass als wichtiger Grund für die Obsorgezuteilung auch der ernstliche Wille eines mündigen Kindes zu beachten ist, dem anderen Elternteil zugewiesen zu werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen und der Wunsch nicht gegen die offenbar erkennbaren Interessen des Kindes gerichtet ist (vgl JBl 1996, 714; RIS-Justiz RS0048820; Stabentheiner in Rummel³ Rz 2c zu § 177 ABGB; Schwimann, ABGB² Rz 14 zu § 176 ABGB mwN). § 146 Abs 3 ABGB enthält nun auch den gesetzlichen Auftrag an die Eltern, in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auf den Willen des einsichts- und urteilsfähigen Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht das Wohl des Kindes oder die Lebensverhältnisse der Eltern entgegenstehen (1 Ob 172/01w unter Hinweis auf die RV zum KindRÄG 2001). Im Weiteren entspricht es ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung nicht um seiner selbst aufrechtzuerhalten, sondern stets dem Wohl des Kindes unterzuordnen ist (RIS-Justiz RS0047928).
Die Bedeutung eines gemeinsamen Aufwachsen von Geschwistern im selben Haushalt ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS-Justiz RS0047845 [T 1]), wobei wichtige Umstände auch eine Trennung von Geschwistern rechtfertigen können (RIS-Justiz RS0047932). Die Ansicht, dass ein wichtiger Grund zum Obsorgewechsel hinsichtlich eines Kindes einen solchen berücksichtigungswürdigen Umstand darstellt, der auch die Trennung von bisher gemeinsam aufgewachsenen Kindern zulässt, ist auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls vertretbar.
Die Entscheidung des Rekursgerichts hält sich daher im Rahmen gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses zu führen.
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