OGH 3Ob175/05i

OGH3Ob175/05i25.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** KEG, ***** und 2. Hermine S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Christiane Buchleitner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Karl K*****, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 3. Jänner 2005, GZ 21 R 220/04g-41, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Mai 2005, AZ 21 R 220/04g, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 18. Juni 2004, GZ 4 C 30/03x-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.031,97 EUR (darin 171,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zweitklägerin, die 1995 das erstklagende Unternehmen [eine KEG] „erwarb", betraute den Beklagten mit der Durchführung der steuerlichen Angelegenheiten für ihr Unternehmen. Im Jahr 2001 kam es zu Meinungsverschiedenheiten der Streitteile über die Zahlung dessen Honorars. Seiner Klage auf Zahlung von 16.359,38 EUR sA für steuerliche Beratungs- und Vertretungsleistungen gab das Handelsgericht Wien mit Versäumungsurteil vom 5. Dezember 2001 statt. Dem Beklagten wurde mit Beschluss vom 21. Februar 2002 des Erstgerichts zur Hereinbringung dieser Forderung die Fahrnis- und Gehaltsexekution und mit einem weiteren Beschluss die zwangsweise Pfandrechtsbegründung an einem Hälfteanteil der Zweitklägerin an einer Liegenschaft bewilligt.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2003 erklärten die klagenden Parteien gegenüber dem Beklagten die Kompensation gegen die titulierte Forderung mit einem ihnen entstandenen Schadenersatzanspruch von etwa 100.000 EUR.

Der Beklagte hatte die Leistungen des von der Zweitklägerin übernommenen Unternehmens wie bisher umsatzsteuerlich als Reisebüro, also als Reisebesorger und nicht als Reisevermittler, abgerechnet. Der Beklagte wendete die im Zuge der Prüfung der Umsatzsteuer(USt)voranmeldung im Jahr 1997 angewendete Berechnungsmethode (Schätzung) generell und in weiterer Folge auch zur Berechnung der USt in den Folgejahren an. Eine konkrete Berechnung dieser USt aufgrund der vorhandenen Belege führte er nicht durch. Die vorhandenen Belege hätten es dem Beklagten ermöglicht, die USt-Pflicht der klagenden Parteien konkret zu berechnen. Bei einer solchen Berechnung hätten die klagenden Parteien mindestens 16.359,38 EUR weniger an USt an das Finanzamt abführen müssen als bei der vom Beklagten angewendeten Methode.

Im Jahr 2002 erhielten die klagenden Parteien ein neues Buchhaltungsprogramm; weiters wurde in diesem Jahr eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt durchgeführt. In deren Rahmen kam es zum endgültigen Zerwürfnis der Streitteile. Eine in der Folge von den klagenden Parteien mit den steuerlichen Belangen betraute Wirtschaftstreuhandgesellschaft errechnete, dass die erstbeklagte Partei während der Zeit der steuerlichen Vertretung durch den Beklagten rund 100.000 EUR zuviel an USt abgeführt hatte. In weiterer Folge wurde von Amts wegen das Verfahren in Ansehung der USt der Jahre 1996 bis 2000 wiederaufgenommen. „Auf eine Wiederaufnahme für die Jahre 1996 und 1997 hatten die klagenden Parteien keinen Rechtsanspruch". Aufgrund der in der Folge angestellten Berechnungen ergab sich, dass den klagenden Parteien eine USt-Gutschrift zustehe. Letztlich erließ das Finanzamt aufgrund berichtigter USt-Erklärungen berichtigte Steuerbescheide, aus denen sich ergibt, dass 1996 51.916,47 S, 1997 65.003,95 S, 1998 98.976,33 S, 1999 78.837,43 S und 2000 132.033,84 S zuviel an USt entrichtet wurde. Insgesamt wurden der erstklagenden Partei 426.768,02 S rückvergütet.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, machten die klagenden Parteien mit ihrer Klage nach § 35 EO geltend, der betriebene Anspruch sei durch Aufrechnung erloschen. Im Jahre 2002 habe sich herausgestellt, dass sie aufgrund der vom Beklagten unrichtig berechneten USt jahrelang zuviel an Umsatzsteuer gezahlt hätten. Ihr Schade betrage etwa 100.000 EUR. In einem noch vor der ersten mündlichen Streitverhandlung eingebrachten vorbereitenden Schriftsatz konkretisierten die klagenden Parteien die geltend gemachte Gegenforderung unter Aufschlüsselung auf die einzelnen Kalenderjahre mit insgesamt 65.607,31 EUR. Im Laufe des Verfahrens über die am 26. Februar 2003 beim Erstgericht eingebrachte Klage wendete die beklagte Partei ein, dass den klagenden Parteien auch zum Zeitpunkt der Aufrechnung der Schadenersatzanspruch nicht zugestanden wäre, weil sie schon damals einen Anspruch auf Rückzahlung von Steuerüberzahlungen gegenüber dem Finanzamt gehabt hätten, die dann durch die Bescheide festgesetzt und effektuiert worden sei. Im Zeitpunkt der Aufrechnung habe die Forderung der klagenden Parteien nicht mehr bestanden.

Die klagenden Parteien erwiderten u.a., es sei 1996 auch ein erheblicher Zinsschaden entstanden, der vom Finanzamt nicht rückvergütet worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Ausgehend von den verkürzt wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen sah es die Aufrechnung durch die klagenden Parteien als wirksam an. Ihnen sei ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten zugestanden. Ein Nachteil am Vermögen iSd § 1293 ABGB sei jede Vermögensveränderung nach unten, der kein entsprechendes Äquivalent gegenüber stehe. Bei irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld sei der Schaden bereits mit Zahlung eingetreten und nicht erst dann, wenn sich die Uneinbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs herausstelle. Nur wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete bereit und in der Lage sei, seiner Verbindlichkeit sofort nachzukommen, könne gesagt werden, dass kein Schaden entstanden sei. Zwar hätte im vorliegenden Fall der Bund die Verfahren letztlich von Amts wegen wiederaufgenommen und die zuviel bezahlte USt refundiert. Dennoch sei ein Vermögensschaden der klagenden Parteien zu bejahen. Zum einen habe die Erwirkung einer Gutschrift umfangreiche Vorarbeiten durch sie bzw. ihre steuerliche Vertretung erforderlich gemacht, zum anderen seien auch noch nach Ermittlung der Steuerpflicht noch Schlussverhandlungen geführt worden, die zu einer Verringerung des zunächst ermittelten Steuerguthabens geführt hätten. Es zeige sich daher, dass zwar grundsätzlich Bereitschaft und hinsichtlich einiger Jahre auch die gesetzliche Verpflichtung des Bundes bestanden habe, die Verfahren wieder aufzunehmen. Dies könne aber nicht mit einer sofort realisierbaren Forderung gleichgesetzt werden.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung sei dem Erstgericht nicht anzulasten. Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers sei bei der außergerichtlich erklärten Aufrechnung, die einen Schuldtilgungseinwand darstelle, im Gegensatz zur prozessualen Aufrechnungseinrede nicht auf den Zeitpunkt des Schluss der Verhandlung erster Instanz, sondern auf jenen der Kompensation selbst abzustellen (§ 1438 ABGB). Durch die Aufrechnung sei die in Exekution gezogene Forderung bezahlt worden und somit erloschen. Ob die Kläger danach vom Finanzamt eine Gutschrift bzw eine Rückerstattung des zuviel geleisteten Betrags erhalten hätten, sei daher irrelevant.

In der Folge änderte das Gericht zweiter Instanz aufgrund eines mit der Revision verbundenen Antrags des Beklagten nach § 508 ZPO seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, es hätte nicht iSd bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs entschieden, wenn man die Richtigkeit der Rechtsausführungen in der Revision unterstelle. Die Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit dieser Behauptung stehe dem Berufungsgericht nicht zu, weil dies ein Überschreiten seiner funktionellen Zuständigkeit wäre. Die Revision ist entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, worauf die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden, was auch für den hier vorliegenden Fall gilt, dass das Berufungsgericht seinen Ausspruch gemäß § 508 Abs 3 ZPO ändert (7 Ob 58/01g; RIS-Justiz RS0042392 T5; Zechner in Fasching/Konecny² § 508 ZPO Rz 10 mwN). Nach der Rsp des Obersten Gerichtshofs entspricht das Berufungsgericht seiner sich aus § 508 Abs 3 und 4 ZPO ergebenden Pflicht zur Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags nur dann, wenn es sich in der Begründung des Abänderungsbeschlusses mit den Antragsgründen sachlich - wenngleich kurz - auseinandersetzt (Zechner aaO § 508 Rz 9 mwN). Demnach hat das Berufungsgericht zu prüfen, ob zumindest einer der für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision ins Treffen geführten Gründe zutrifft (1 Ob 63/99t). Diesen Anforderungen entspricht die Begründung des Abänderungsbeschlusses im vorliegenden Fall nicht, vermeint doch das Berufungsgericht, zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Rechtsansicht des Revisionswerbers gar nicht berechtigt zu sein. Die Ansicht, es würde seine funktionelle Zuständigkeit bei einer solchen Überprüfung überschreiten, entspricht nicht der Rechtslage (siehe § 508 Abs 2 und 3 ZPO). Soweit der Beklagte in seiner Revision geltend macht, zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage gebe es nur widersprechende Judikatur des Obersten Gerichtshofs, ist ihm entgegenzuhalten, dass Derartiges nicht ersichtlich ist, worauf auch hinweist, dass er jedweden Beleg für diese Behauptung schuldig bleibt. Somit bleibt die Behauptung, es fehle Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob im Fall der offensichtlichen Illiquidität von Gegenforderungen und dem daraus resultierenden Zwang zur Oppositionsklage der Bestand der eingewendeten Gegenforderung nicht bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz Bestand haben müsse. In der Ausführung der ordentlichen Revision wird dies dahin konkretisiert, dass die Schadenersatzforderung, mit der die klagenden Parteien aufrechneten, von ihm bestritten worden und somit illiquid geblieben sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung habe es einen Schadenersatzanspruch der klagenden Parteien de facto niemals gegeben, weil überhöht bezahlten Steuern jeweils ein kongruenter Rückforderungsanspruch gegen das Finanzamt (gemeint: den Bund) zustehe, der durch die nachfolgenden Wiederaufnahmebescheide auch effektuiert worden sei.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht die in der Berufung bekämpften Ausführungen des Erstgerichts in seiner rechtlichen Beurteilung für zutreffend erklärte (§ 500a ZPO). Schon das Gericht erster Instanz hatte aber die Rsp dargelegt, wonach bei irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld der Schaden bereits mit Zahlung eintritt und nicht erst, wenn sich die Uneinbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs herausstellt. Völlig zutreffend erkannte bereits die Erstrichterin, dass nach der Rsp des Obersten Gerichtshofs ein Schaden in einem solchen Fall nur verneint werden kann, wenn dargetan wird, dass der Dritte ohnedies zur unverzüglichen Rückzahlung bereit und in der Lage sei. Dass in solchen Fällen ausnahmsweise kein Schaden eingetreten sei, hat der Schädiger zu behaupten und zu beweisen (1 Ob 533/92 = SZ 65/41 = JBl 1992, 720 = EvBl 1992/156 uva; RIS-Justiz RS0022602). Der Beweislast entsprechend hatte der Beklagte, wie dargelegt, ohnehin in erster Instanz bereits geltend gemacht, den klagenden Parteien sei schon im Zeitpunkt der Aufrechnung ein Anspruch auf Rückzahlung von Steuerüberzahlungen gegenüber dem Finanzamt zugestanden. Nun steht aber fest, dass die klagenden Parteien eine Refundierung ihrer vom Beklagten verschuldeten Überzahlungen erst (zum Teil viele) Jahre nach diesen im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erhalten konnten. Mag auch ein Einbringlichkeitsrisiko bei Überzahlungen an ein Finanzamt nicht bestehen, kann keineswegs von der Bereitschaft des Bundes ausgegangen werden, zuviel bezahlte Steuern unverzüglich zurückzuzahlen. Im konkreten Fall setzte dies eine Steuerprüfung und die Neueinbringung von geänderten USt-Voranmeldungen durch die Geschädigten voraus. Demgemäß konnte der Beklagte auch die Bereitschaft zur unverzüglichen Rückzahlung gar nicht mit Recht geltend machen. Aus den angegebenen Entscheidungen geht auch unmissverständlich hervor, dass maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Schadenersatzanspruchs (in Ansehung der Rückzahlungsbereitschaft des Empfängers ungerechtfertigter Zahlungen) keineswegs jener der Aufrechnungserklärung, sondern jener der rechtsgrundlosen Zahlung ist. Dass es für das Vorliegen der Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung nach § 1438 ABGB auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung ankommt, ist in Rsp und Lehre ohnehin unstrittig (Dullinger in Rummel³ § 1438 ABGB Rz 10). Es entspricht auch der stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass die Liquidität der Gegenforderung keine materiellrechtliche Aufrechnungsvoraussetzung bildet, was auch dem Standpunkt der überwiegenden Lehre, zuletzt u.a. Dullingers, entspricht (Dullinger aaO § 1439 Rz 6 mwN).

Damit vermag aber der Beklagte das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen. Ob und wie die infolge der Rückverrechnung der zuviel bezahlten Umsatzsteuer eingetretene Bereicherung der klagenden Parteien auszugleichen ist, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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