OGH 10ObS116/05i

OGH10ObS116/05i24.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ferdinand B*****, vertreten durch Dr. Martin Oppitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2005, GZ 7 Rs 98/05s-22, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber gesteht selbst zu, dass dem Berufungsgericht insoweit zu folgen sei, als es sich bei den von ihm verrichteten Aufgaben (als Prosekturgehilfe) um keine Angestelltentätigkeit, "sondern vorwiegend um Tätigkeiten manueller Art handelt"; er hält jedoch daran fest, dass für deren Ausübung jedenfalls spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse, die an Qualität und Umfang jenen eines Lehrberufes entsprächen bzw gleichwertig seien erfordere (§ 255 Abs 2 ASVG), welche er neben der Absolvierung des "Prosekturgehilfenkurses" vor allem im Rahmen seiner praktischen Arbeit erworben habe. Da das Gesetz von keiner Mindestausbildungsdauer, sondern von der Art der zu verrichtenden Tätigkeit spreche, sei die Ansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Tätigkeit eines Prosekturgehilfen infolge der geringeren Ausbildungsdauer als für den Beruf einer diplomierten Krankenschwester keinen angelernten Beruf iSd § 255 Abs 2 ASVG darstelle, verfehlt.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Frage, welche Voraussetzungen für die Ausübung eines Berufes erforderlich sind und mit welchen Anforderungen dieser Beruf verbunden ist, als Tatfrage (10 ObS 260/02m mwN), von den Tatsacheninstanzen geklärt wird. Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass Prosekturgehilfen überwiegend manuelle Arbeit leisten, wobei typischerweise die Vorbereitung und Mithilfe bei der Autopsie, die Entsorgung der Abfälle, die Versorgung des Toten und die Reinigung der benützten Materialien zu ihrem Tätigkeitsbereich gehört.

Die Richtigkeit der Rechtsansicht, dass der Anspruch des Klägers auf Berufsunfähigkeitspension inhaltlich nach dem Invaliditätsbegriff des (analog anzuwendenden) § 255 ASVG zu beurteilen war (RIS-Justiz RS0083723; zuletzt: 10 ObS 39/05s mwN), wird von der Revision also zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen, sodass auf diese Frage nicht weiter einzugehen ist.

Ein erlernter Beruf iSd § 255 Abs 1 ASVG ist ein Beruf, für den ein bestimmter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist, dessen erfolgreicher Abschluss Voraussetzung für die Ausübung dieses Berufes ist (RIS-Justiz RS0084513). Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind.

Was nun die in der außerordentlichen Revision angesprochene Ausbildungsdauer betrifft, entspricht es bei den von den Vorinstanzen genannten (vergleichbaren) Berufen, die ebenfalls keine Angestelltentätigkeit begründen, der stRsp des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0084778; RS0084962; RS0113674; SSV-NF 16/131 mwN), dass etwa die Tätigkeiten eines Stationsgehilfen und eines Pflegehelfers iSd Krankenpflegegesetzes 1961 (BGBl 1961/102) weder einen erlernten noch einen angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 (und 2) ASVG darstellen (zuletzt: 10 ObS 39/05s mwN). In der Entscheidung 10 ObS 117/00d (= SSV-NF 14/61) wurde dies insbesondere auch beim Beruf des Pflegehelfers iSd Gesundheits- und KrankenpflegeG (GuKG [BGBl I 1997/108]), näher begründet. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach den Bestimmungen des GuKG die grundsätzliche Ausbildungsdauer für den Beruf Pflegehelfer ein Jahr (1600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis), für den Beruf des diplomierten Krankenpflegepersonals hingegen drei Jahre (mindestens 4600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) betrage, woraus sich ergebe, dass die mindestens dreijährige Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege ganz offenkundig viel weitergehendere Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle (zuletzt: 10 ObS 39/05s mwN).

An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung 10 ObS 357/00y vom 30. 1. 2001 (= SSV-NF 15/15) ausdrücklich festgehalten, wobei in dieser Entscheidung der Berufsschutz einer als Alten- und Pflegehelferin tätig gewesenen Versicherten, die im Rahmen einer insgesamt zweijährigen (theoretischen und praktischen) Ausbildung über die Ausbildung als Pflegehelferin hinausgehende und für ihre spezielle Tätigkeit erforderliche zusätzliche qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten in einem erheblichen Umfang erworben hatte, zu beurteilen war.

Zuletzt (E v 23. 5. 2005, 10 ObS 39/05s) hat der erkennende Senat in diesem Zusammenhang Folgendes ausgesprochen:

"Auch eine Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 250 Unterrichtseinheiten (ca 6 Wochen) rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl auch 10 ObS 256/02y). Es liegt vielmehr auf der Hand, dass mit einer insgesamt nur knapp 14 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung (im Gesamtausmaß von 1850 Stunden) ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau nicht erreicht werden kann. Damit ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin - anders als die Klägerin in der Entscheidung SSV-NF 15/15 nach einer zweijährigen Ausbildungszeit (mit insgesamt rund 3200 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) - nicht Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufes entsprechen. Dieser Umstand zeigt sich auch darin, dass die Klägerin in ihrer eigenen Aussage und auch in den Rechtsmittelausführungen weiterhin davon ausgeht, dass sie bereits nach ca 10-monatiger Tätigkeit (Anfang 1994) über die für die Ausübung ihrer konkreten Tätigkeit als Altenfachbetreuerin erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt habe. Damit kommt aber auch ein Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG für die Klägerin nicht in Betracht, da ein angelernter Beruf im Sinne dieser Gesetzesstelle nur dann vorliegt, wenn die Versicherte eine Tätigkeit ausgeübt hat, für die es erforderlich war, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Die Klägerin war auf Grund ihrer erwähnten Ausbildung befähigt, die Tätigkeit einer Altenfachbetreuerin im Sinne der Bestimmungen des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes auszuüben, wobei durch diese Tätigkeit im Sinne der dargelegten Ausführungen allerdings kein Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG begründet wurde."

Die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als Prosekturgehilfe durch das Berufungsgericht entspricht dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind:

Hat er sich doch für diesen Beruf nach seinem eigenen Vorbringen lediglich durch die Absolvierung eines - die dargestellten Voraussetzungen nicht erfüllenden - nur sechs Monate dauernden Prosekturgehilfenkurses (Seite 3 des Beiblatts zum Pensionsantrag des Klägers vom 15. 7. 2003) und praktische Arbeit qualifiziert (vgl RIS-Justiz RS0116808, wonach auch die zahnärztliche Assistentin mit einjähriger Ausbildungszeit kein berufsschutzbegründender qualifizierter Beruf ist).

Die von ihm als Prosekturgehilfe verrichteten Tätigkeiten vermochten daher keinen Berufsschutz iSd § 255 Abs 2 ASVG zu begründen, weshalb er sich iSd § 255 Abs 3 ASVG auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen muss. Dass die Berufsunfähigkeit des Klägers von den Vorinstanzen verneint wurde, weil er noch die vom Erstgericht angeführten Verweisungstätigkeiten verrichten kann, entspricht somit der zit Rsp.

Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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