OGH 5Ob252/05b

OGH5Ob252/05b24.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kalivoda, Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Betriebsgesellschaft m. b. H. & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25. August 2005, GZ 14 R 17/05a-59, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 5. November 2005, GZ 11 C 2107/01v-55, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte ist der Ansicht, das Berufungsgericht habe die von den Streitteilen und der - der beklagten Bestandnehmerin kreditgewährenden - Bank abgeschlossene, sogenannte „Dreiparteienvereinbarung" (= Zusatzvereinbarung vom 20. 11. 1998; Blg ./B) grob unrichtig ausgelegt. Diese Zusatzvereinbarung enthalte die - vermeintlich zugunsten der Beklagten wirkende - Verpflichtung der Klägerin, die Bank von rückständigen Mietzinszahlungen unverzüglich zu verständigen. Dass die Klägerin dieser Verpflichtung vor Klageerhebung nicht entsprochen habe, widerspreche Treu und Glauben und stehe der Stattgebung des Räumungsbegehrens entgegen. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0044358[T11]). Insbesondere wenn die berufungsgerichtliche Auslegung etwa bestehenden Auslegungsregeln widerspräche, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar wäre, kann dem über den konkreten Einzelfall hinausreichende erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommen (RIS-Justiz RS0042871[T5]); ob auch eine andere Auslegung - etwa die von der Rechtsmittelwerberin favorisierte - möglich ist, hat dagegen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RS0042871[T15]).

In der Zusatzvereinbarung vom 20. 11. 1998 wird einleitend auf die Kreditbeziehung der Bank mit der beklagten Bestandnehmerin hingewiesen, zu deren Besicherung die Beklagte ihre Rechte aus dem „Mietvertrag" der Bank abgetreten habe und dass „im Hinblick darauf" die Zusatzvereinbarung abgeschlossen werde. Folgend verpflichtet sich die Klägerin, „der Kreditunternehmung gegenüber, diese von rückständigen Mietzinszahlungen unverzüglich zu verständigen" und der Bank die Vertragsübernahme zu ermöglichen, „wenn der ´Vermieter´ die vorzeitige Auflösung des ´Mietvertrages´ erklärt". Abschließend heißt es in der Zusatzvereinbarung, dass „jede Abänderung (nicht jedoch eine zulässige Auflösung) des ´Mietvertrages´ .... der Zustimmung der Kreditunternehmung bedürfe".

Das Berufungsgericht hat bei dieser Vertragslage den Hauptzweck der Zusatzvereinbarung in der Besicherung der Bank, insbesondere durch die Möglichkeit der Vertragsübernahme, jedoch keine Grundlage dafür erkannt, dass die beklagte Bestandnehmerin die vor Klageerhebung von der Klägerin unterlassene Verständigung der Bank von rückständigen Mietzinszahlungen einem Räumungsbegehren erfolgreich entgegen halten könne. Dieses Verständnis der Zusatzvereinbarung stellt jedenfalls kein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifendes, unvertretbares Auslegungsergebnis dar, war doch die Besicherung der Bank erklärter Vereinbarungszweck, die Verständigungspflicht traf die Klägerin „der Kreditunternehmung gegenüber", dennoch stand nicht einmal dieser ein Zustimmungsvorbehalt zur Vertragsauflösung zu und die Beklagte ist auch nicht in der Lage für das von ihre gewünschte Auslegungsergebnis nur einen einzigen konkreten Anhaltspunkt im Vereinbarungstext aufzuzeigen.

Soweit der Beklagten zum Vertragszweck eine konkrete Tatsachenfeststellung fehlt, verkennt sie, dass die Vertragsauslegung allein nach dem Text nicht Tatfrage ist, sondern zur rechtlichen Beurteilung gehört (EF 109.123).

2. Die Beklagte beruft sich auf § 8 Z 1 lit a) des Standardvertrags, wonach der „Vermieter" aus wichtigem Grund vom Vertrag zurücktreten könne, wenn der „Mieter" mit Zahlungen in Höhe einer Monatspauschale oder mehr trotz vorangegangener schriftlicher Mahnung unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen in Verzug sei, und dass die Klägerin vor Erhebung der Räumungsklage nicht gemahnt habe. Die Beklagte meint, die Räumungsklage könne die vertraglich verpflichtend vorgesehene Mahnung nicht ersetzen und selbst gegebenenfalls sei nach Klagszustellung kein qualifizierter Verzug vorgelegen, weshalb das Räumungsbegehren nicht berechtigt sei.

Nach ständiger Rechtsprechung ersetzt die Räumungsklage die Auflösungserklärung und gleichzeitig die Einmahnung im Sinn des § 1118 zweiter Fall ABGB gelegen (RIS-Justiz RS0021229, insbesondere [T2 und T3]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Zustellung der Räumungsklage zu eigenen Handen erfolgt, hierüber ein Zustellnachweis hergestellt wird und diese Klage deshalb auch die im Vertrag für die Mahnung vereinbarte mildere Form eines Einschreibbriefs ersetzt (3 Ob 556/89 = MietSlg 41.137). Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die vertraglich nur näher konkretisierte Pflicht der Einmahnung auch hier durch die Räumungsklage ersetzt werde, hält sich diese Auffassung im Rahmen der dargestellten Judikatur. Die Beklagte vermag keine einzige Entscheidung anzuführen, die ihren gegenteiligen Standpunkt belegen könnte.

Geht man demnach von der Räumungsklage als Einmahnung aus, vermag die Beklagte aber dennoch keinen qualifizierter Verzug zu erkennen, weil sie die Räumungsklage erst am 21. 11. 2001 zugestellt erhalten habe, die „Mieten" für die Vormonate damals aber bereits bezahlt gewesen seien und auch die Bezahlung der „Miete" für November 2001 „nur" um 20 Tage verspätet erfolgt sei. Gerade mit der letztgenannten Annahme setzt sich die Beklagte aber - unzulässig - über den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt hinweg; nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts (Ersturteil S. 16) bezahlte die Beklagte die „Miete" für November 2001 nämlich nicht „nur" um 20 Tage, sondern um 44 Tage verspätet. Nach Ablauf der mit Klagszustellung (21. 11. 2001) auch beginnenden Nachfrist und Eintritt einer neuen Zinsfälligkeit (Dezember 2001) lag daher der die Aufhebungserklärung rechtfertigende qualifizierte Zinsrückstand vor (vgl Würth in Rummel3 Rz 18 zu § 1118 ABGB mit Rechtsprechungshinweisen).

3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Prokurist der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten zu allfälligen Zahlungsrückständen erklärt, „dass es nicht so schlimm sei, wenn etwas zu spät bezahlt würde, es dürfe jedoch nicht zu lange zu spät bezahlt werden und es dürfe kein zu großer Rückstand zustande kommen. Eine konkrete Stundung auf einen bestimmten Zeitraum wurde jedoch nicht gewährt" (Ersturteil S. 19). Die Beklagte ist - im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts - der Meinung, nach dieser „Zusage" des Prokuristen der Klägerin hätten die vorgelegenen Bestandzinsrückstände das Räumungsbegehren nicht gerechtfertigt. Die Auslegung einer Willenserklärungen ist eine Einzelfallentscheidung, die für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar ist, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Auslegungsfehler korrigiert werden müsste (vgl RIS-Justiz RS0042555, insbesondere [T6]). Eine solche eklatante Ermessensüberschreitung ist in diesem Punkt allerdings nicht zu erkennen, hat doch zum Zeitpunkt der Einbringung der Räumungsklage ein Zahlungsverzug von 70 Tagen (Bestandzins September 2001), 40 Tagen (Bestandzins Oktober 2001) und 20 Tagen (Bestandzins November 2001) bestanden. Wenn das Berufungsgericht derartige Zahlungsverzögerungen nicht mehr nur als „etwas zu spät" und nicht mehr als „keinen zu großen Rückstand" qualifizierte, so kann darin jedenfalls kein unvertretbares Auslegungsergebnis erkannt werden.

Soweit die Beklagte unter dem Titel eines sekundären Feststellungsmangels die Annahme anstrebt, die genannte „Zusage" des Prokuristen der Klägerin sei „im Herbst 2001 nur wenige Wochen vor Einbringung der verfahrensgegenständlichen Räumungsklage" erfolgt, bekämpft die Beklagte - im Revisionsverfahren unzulässig - die Beweiswürdigung der Vorinstanzen; das Berufungsgericht hat sich nämlich mit dieser Tatfrage beschäftigt (Berufungsurteil S. 26 f) und den von der Beklagten angestrebten zeitlichen Zusammenhang zwischen „Zusage" und Klageerhebung nicht als gesichert herzustellen vermocht. Da der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht auch Tatsacheninstanz ist, kann diese Tatfrage nicht mehr aufgegriffen werden (vgl RIS-Justiz RS0043414[T4 und T11]).

Die weiters gewünschte Feststellung, die Klägerin habe „verspätete Zahlungen und Zahlungsrückstände anderer Bestandnehmer in wesentlich größerem Ausmaß, als sie seitens der beklagten Partei zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Räumungsklage gegeben waren, toleriert", ist rechtlich irrelevant.

4. Die Beklagte vermisst näher bezeichnete Feststellungen zur Frage der Bedeutung einer - nach Eröffnung eines Parkdecks - erwarteten Besuchersteigerung. Mit dieser Beweis- und Tatfrage hat sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt (Berufungsurteil S. 23) und für die von der Beklagten insoweit angestrebten Feststellungen keine ausreichende Beweisgrundlage erkannt. Mit den Revisionsausführungen zu dieser Frage bekämpft die Beklagte zunächst unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und baut dann ihre rechtlichen Schlussfolgerungen nicht auf dem festgestellten, sondern auf dem gewünschten Sachverhalt auf; der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO erfordert aber, dass ausgehend vom festgestellten Sachverhalt aufgezeigt wird, es sei den Vorinstanzen bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (vgl RIS-Justiz RS0043312).

5. Die Beklagte ist der Ansicht, die Vorinstanzen hätten die Frage, ob § 1096 Abs 1 ABGB (auch) bei einem Pachtverhältnis den Vorausverzicht auf Bestandzinsminderungsansprüche verbiete, zu Unrecht verneint. Dieser Frage muss aber im vorliegenden Zusammenhang nicht nachgegangen werden, weil sich die Streitteile nach den erstgerichtlichen Feststellungen gerade auf Grund der von der Beklagten bis dahin als unzureichend qualifizierten Geschäftsentwicklung auf eine zeitweilige Reduktion des Bestandzinses verstanden, insoweit also einvernehmlich ohnehin eine Bestandzinsminderung vertraglich vereinbart haben. Dass die Klägerin für die Zeit nach dieser Vereinbarung vom 12. 7. 2000 insbesondere im Zusammenhang mit der Eröffnung des Parkdecks die Minderung des Bestandzins rechtfertigende Umsatzerwartungen erweckt habe, ist dagegen vom Berufungsgericht schon in tatsächlicher Hinsicht unbedenklich verneint worden.

Da die Beklagte somit insgesamt keine erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend macht, ist deren Revision unzulässig und zurückzuweisen.

6. Die vor deren Freistellung erstattete Revisionsbeantwortung gilt im Fall der Verwerfung der Revision gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und ist daher nicht zu honorieren.

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