OGH 2Ob165/05m

OGH2Ob165/05m19.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas Johannes J*, vertreten durch Dr. Renate Napetschnig, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Alois S*, 2. S* GmbH, *, und 3. U*‑AG, *, sämtliche vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wegen EUR 19.619,53 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 6.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23. März 2005, GZ 5 R 14/05a‑21, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. November 2004, GZ 23 Cg 45/04y‑17, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:E79643

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 765,51 (darin EUR 127,59 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

 

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen kam es am 7. 6. 2002 in Eberndorf auf der Gemeindestraße zwischen dem Kirchplatz und dem 10. Oktober‑Platz zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Kläger mit seinem Motorfahrrad gegen den vom Erstbeklagten gelenkten und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten VW‑Pritschenwagen der zweitbeklagten Partei stieß. Auf der im Unfallbereich 3,3 m breiten, unübersichtlichen Gemeindestraße ist in beiden Fahrtrichtungen das Vorschriftszeichen „Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge" (§ 52 lit a Z 6c StVO) angebracht. Während der Erstbeklagte gerade im Begriffe war, nach rechts in den vom Fahrverbot betroffenen Straßenabschnitt einzubiegen, hatte der Kläger auf diesem bereits rund 100 m zurückgelegt. Die Kollision ereignete sich, noch ehe das Beklagtenfahrzeug das nach der Einmündung der von ihm zunächst befahrenen Verkehrsfläche in die Gemeindestraße am rechten Fahrbahnrand angebrachte Vorschriftszeichen passiert hatte.

Das Berufungsgericht, das von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 3 zu Lasten des Erstbeklagten (dem es einen Verstoß gegen § 13 Abs 1 StVO vorwarf) ausgegangen ist, hat die ordentliche Revision zur Klärung der Rechtsfrage für zulässig erklärt, wie weit sich das für die Fahrtrichtung des Klägers verordnete Fahrverbot erstreckt. Für das Ende des Fahrverbotes bestehe keine Kennzeichnungspflicht. Vertrete man - anders als das Berufungsgericht - die Rechtsansicht, dass das Fahrverbot nur den zwischen den beiden Fahrverbotstafeln gelegenen Fahrbahnteil umfasst, hätte sich der Unfall nicht nur für den Erstbeklagten, sondern auch für den Kläger knapp außerhalb dieses Bereiches ereignet, sodass ihm die objektive Verletzung eines Schutzgesetzes nicht vorgeworfen werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die (nur) vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Das Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge nach § 52 lit a Z 6c StVO ist eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Verkehr auf der von ihm betroffenen Straße auf ein möglichst geringes Ausmaß einzuschränken (ZVR 1985/39; RIS‑Justiz RS0075278). Das Verbot dient auch ganz allgemein der Sicherheit des Verkehrs (ZVR 1976/141; ZVR 1985/39). Von seinem Schutzzweck umfasst sind alle Gefahren, die durch das Befahren der betroffenen Verkehrsfläche mit allen Kraftfahrzeugen verursacht oder erhöht werden (so bereits ZVR 1984/214 zum Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge gemäß § 52 lit a Z 7a StVO; ebenso ZVR 1988/29 zum Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge außer einspurigen Motorrädern gemäß § 52 lit a Z 6a StVO).

Eine solche, vom Zweck der Schutznorm umfasste Gefahr hat sich beim vorliegenden Unfallgeschehen dadurch verwirklicht, dass der aus einer Straße mit Fahrverbot kommende Kläger mit seinem Motorfahrrad, also einem Kraftfahrzeug iSd § 2 Abs 1 Z 1 KFG, gegen das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug stieß. Dabei kommt der Frage, ob der „Kollisionspunkt" innerhalb oder - wie der Kläger in seiner Revision vermeint - knapp außerhalb des vom Verbot umfassten Fahrbahnabschnittes lag, keine für die Entscheidung präjudizielle Bedeutung zu; steht doch eindeutig fest, dass der Kläger die Unfallstelle nur unter Missachtung des Fahrverbotes erreichen konnte. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV § 502 Rz 60).

Aber auch in der Revision des Klägers werden keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß des Klägers gegen das Fahrverbot und dem eingetretenen Schaden sei zu bejahen, steht mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang (ZVR 1988/29; vgl auch ZVR 1988/85). Insoweit ist dem Berufungsgericht keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Die in der Revision angeführten Entscheidungen ZVR 1976/141 und ZVR 1984/82, mit denen sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt hat, betrafen Sachverhalte, in denen wegen der verordneten und durch Zusatztafeln kundgemachten Ausnahme von Anrainern bzw des Zustellverkehrs kein allgemeines Fahrverbot für Kraftfahrzeuge bestand. Anders als in den dort entschiedenen Fällen kann daher hier keineswegs davon ausgegangen werden, dass sich der Unfall in derselben Weise zugetragen hätte, wenn der vom Verbot betroffene Fahrbahnabschnitt durch einen hiezu befugten Straßenbenützer befahren worden wäre.

Der Kläger hat sich über das Fahrverbot des § 52 lit a Z 6c StVO hinweggesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates hätte er daher beweisen müssen, dass ihm die objektive Übertretung dieser Schutznorm nicht als schutzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist (ZVR 1999/99; ZVR 2002/3 uva; zuletzt 2 Ob 204/05x; RIS‑Justiz RS0112234). Es oblag ihm demnach auch der Beweis, dass der Schaden im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens, das heißt ohne die Verletzung der Schutznorm eingetreten wäre (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens; vgl ZVR 1999/97; 2 Ob 230/04z; 2 Ob 204/05x; RIS‑Justiz RS0111707, RS0111706). Den Beweis, dass derselbe rechnerische Schaden (vgl dazu ZVR 1999/97; 2 Ob 204/05x) auch dann eingetreten wäre, wenn er statt des Motorfahrrades ein Fahrrad oder ein Fuhrwerk benutzt hätte, hat der Kläger in erster Instanz aber nicht einmal angetreten, geschweige denn erbracht. Mit seinen diese Frage erstmals berührenden Überlegungen in der Revision zeigt er daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Das Ausmaß des Mitverschuldens des Geschädigten wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0087606, insbesondere T 1). Dem Berufungsgericht ist jedenfalls keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es das Fehlverhalten des Klägers mit einem Verschuldensanteil von einem Viertel bewertet hat. Da sich daran auch nichts ändern könnte, wenn dem Erstbeklagten zusätzlich zu dem ihm von den Vorinstanzen angelasteten Verstoß gegen § 13 Abs 1 StVO (ebenfalls) eine Missachtung des Fahrverbotes vorzuwerfen wäre, kann diese in der Revision vertretene Rechtsansicht des Klägers unerörtert bleiben.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Einheitssatz beträgt lediglich 60 (statt der verzeichneten 150) %.

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