OGH 1Ob241/05f

OGH1Ob241/05f20.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert T*****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagten Parteien 1) Georg F*****, vertreten durch Schreckeneder & Schröder Rechtsanwälte OEG in Zell am See, und

2) Bringungsgemeinschaft E*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Dr. Alexander Schuberth und Mag. René Fischer, Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Duldung und Einverleibung (Streitwert 10.000 EUR), infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 1. September 2005, GZ 53 R 291/05h-40, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 20. April 2005, GZ 2 C 2470/03k-34, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit je 665,66 EUR (darin 110,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte den Erstbeklagten schuldig, auf seiner Liegenschaft „Erd- und Grabungsarbeiten ... zur Herstellung einer Quellfassung und Quellleitung von der Quellfassung" zur Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung der Liegenschaft des Klägers mit Trink- und Nutzwasser zu dulden und in diesem Ausmaß in die grundbücherliche „Einverleibung der Dienstbarkeit des Wasserbezuges- und Leitungsrechtes" auf dem dienenden Gut einzuwilligen. Die zweitbeklagte Partei erkannte es schuldig, auf ihrer Wegliegenschaft „Erd- und Grabungsarbeiten" zu dulden, um das Quellwasser von der Liegenschaft des Erstbeklagten „auf kürzestem Weg" auf die Liegenschaft des Klägers leiten zu können, und insoweit in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit des Wasserleitungsrechts auf dem dienenden Gut einzuwilligen. Das Berufungsgericht wies die Klagebegehren insgesamt ab. Es sprach aus, dass der Wert der Entscheidungsgegenstände jeweils 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu, weil es „zur Zulässigkeit von Geländeveränderungen in Bezug auf die Wiederherstellung einer Wasserversorgung" an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Ansicht des Klägers soll das Verfahren erster Instanz deshalb mangelhaft sein, weil sich im Fall der Beiziehung des beantragten Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Vermessungswesens erwiesen hätte, dass sich die Wurzel der wegen des Wegbaus neu gefassten Quelle nicht auf dem Gst. 1105, sondern auf dem Gst. 1115/1 befinde. Mit Beweisrüge bekämpft der Kläger die vom Erstgericht getroffene Feststellung, der „Landesgeologe" sei über seinen „Vorschlag ... zum Schluss" gelangt, „die Fassung bis in eine Bodentiefe von 7 m zu treiben". Im Übrigen begehrt der Kläger unter dem von ihm so bezeichneten Revisionsgrund der „unrichtigen Sachverhaltsfeststellung zufolge unrichtiger Beweiswürdigung" bestimmte weitere Feststellungen.

1. 1. Seit der Entscheidung 1 Ob 41/99g (= SZ 72/75) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, der Berufungswerber müsse bei Ausführung einer Rechtsrüge als Voraussetzung der Rügepflicht des Rechtsmittelgegners in der Berufungsbeantwortung gemäß § 468 Abs 2 Satz 2 iVm § 473a Abs 1 ZPO nur soweit ausdrücklich auf bestimmte Feststellungen des Erstgerichts Bezug nehmen, als er seinen Erwägungen Tatsachen zugrunde lege, die nicht im Feststellungsblock des Ersturteils enthalten, sondern in anderen Urteilsabschnitten - meist in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung - "verborgen" seien (RIS-Justiz RS0112020). Daran ist festzuhalten.

1. 2. Die Beklagten machten ihn den Berufungen gegen das Ersturteil jeweils nur den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache geltend, ohne die Rechtsrügen auf „verborgene" Feststellungen gestützt zu haben. Der Kläger wäre daher nach der bereits erläuterten Rechtslage verpflichtet gewesen, für seinen Standpunkt nachteilige Feststellungen oder Verfahrensfehler, die dem Erstgericht zu seinen Lasten unterlaufen sein sollen, bereits in den Berufungsbeantwortungen zu rügen. Solche Rügen unterblieben jedoch. In der Beantwortung der Berufung des Erstbeklagten (ON 37) wurde einleitend lediglich auf ein „umfangreiches Vorbringen" zur wahren Lage der 1963 gefassten Quelle und auf den Beweisantrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Vermessungswesen hingewiesen, ohne indes die insoweit unterbliebene Beweisaufnahme als Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz zu rügen. Die in der Revision nachgeholte Mängel- und Beweisrüge ist somit unbeachtlich, ohne dass noch auf die Frage der Relevanz der behaupteten Entscheidungsfehler einzugehen ist.

2. Die unter 1. 1. erörterte Rügepflicht des Berufungsgegners bezieht sich nicht auf Feststellungsmängel (RIS-Justiz RS0115460). Solche Mängel setzen allerdings voraus, dass bereits im Verfahren erster Instanz ein Tatsachenvorbringen erstattet wurde, das Ursache für allfällige Feststellungsmängel (siehe zu diesem Begriff Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 197) sein kann. Feststellungsmängel können damit etwa dann nicht bestehen, wenn der Rechtsmittelwerber bestimmte weitere Tatsachen auf Grund unzulässiger Neuerungen festgestellt haben will, somit seinen Anspruch erst im Rechtsmittelverfahren auf neue Rechtsgründe stützen und das dafür erforderliche Sachvorbringen nachschieben will.

2. 1. Der Kläger meint, es seien weitere Feststellungen zur Planung und Bauleitung des Güterwegs durch das Land Salzburg und zu dessen Übergabe an die zweitbeklagte Partei erforderlich. Eine Relevanz solcher Feststellungen im Rahmen der in erster Instanz geltend gemachten Klagegründe ist indes nicht zu erkennen. Gleiches gilt für die vom Kläger erörterte „Bauleitung und Bauabwicklung" durch das Land Salzburg im Namen der damals „in Gründung befindlichen" zweitbeklagten Partei. Dass der Verlegung der Quellfassung durch den Erstbeklagten nicht widersprochen wurde, folgt bereits aus den Feststellungen der Vorinstanzen, verstand doch das Berufungsgericht die nach dem Ersturteil maßgebenden Tatsachen insgesamt dahin, dass die Verlegung der Quellfassung und die Errichtung eines Sammelbehälters anlässlich der Errichtung des Güterwegs „mit Einverständnis der Streitteile erfolgten". Es steht aber auch fest, dass der Kläger eine Veränderung der Quellschüttung durch die Wegbauarbeiten ausgeschlossen wissen wollte, weshalb er dem „Landesgeologen" vorgeschlagen hatte, die neue Quellfassung „bis in eine Bodentiefe von 7 m zu treiben". Es ist ferner gesichert, dass eine „Grabungstiefe von 7 m zunächst fachlich richtig schien", sich diese Beurteilung aber später als unrichtig herausstellte. Ob die vorhandene Rohrleitung den Versorgungsansprüchen des Klägers nach Herstellung der von ihm angestrebten (zweiten) Quellfassung genügte, wäre nur im Fall eines Erfolgs des Klagebegehrens gegen den Erstbeklagten entscheidungswesentlich. Darauf ist tieferstehend zurückzukommen.

Der Kläger begehrt überdies die Feststellung, das „Land Salzburg"

habe ihm „als bevollmächtigter Vertreter der erst- und zweitbeklagten

Partei" das streitverfangene „Wasserbezugsrecht" und

„Wasserleitungsrecht" eingeräumt. In diesem Kontext ist von

Interesse, dass er in der Beantwortung der Berufung des Erstbeklagten

erläuterte, sein Begehren nicht aus der Dienstbarkeitsbestellung im

„seinerzeitigen Kaufvertrag", sondern aus der „Zustimmung zur

Quellverlegung im Zuge des Bauverfahrens des Güterweges" abgeleitet

zu haben. Er erstattete allerdings im Verfahren erster Instanz kein

Vorbringen des Inhalts, das Land Salzburg sei ermächtigt gewesen, ihm

die streitverfangenen Rechte im Namen der Beklagten einzuräumen. Er

hatte auch nicht behauptet, dass sich das Land Salzburg ihm gegenüber

„als Generalunternehmer und bevollmächtigter Vertreter der erst- und

zweitbeklagten Partei ... verpflichtet" habe, „durch die

Neusituierung der Quelle" dürfe „keine Beeinträchtigung der

Wasserversorgung" seines „herrschenden Gutes ... eintreten", und es

sich ferner „wiederum als bevollmächtigter Vertreter der erst- und zweitbeklagten Partei verpflichtet habe, für den Fall, dass die Wasserversorgung durch die neugefasste Quelle beinträchtigt" werden sollte, „Ersatzwasser zur Verfügung zu stellen".

Die soeben erörterten unzulässigen Neuerungen können nach den Erwägungen unter 2. nicht Ursache für einen relevanten Feststellungsmangel sein. Damit ist aber nicht von einer im Zuge der Errichtung des Güterwegs begründeten rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Beklagten im Sinn der Revisionsbehauptungen auszugehen, nach deren Inhalt der Kläger - auf dem jeweils dienenden Gut - nach einer weiteren ergiebigeren Wasserader suchen, eine solche im Interesse seiner Versorgung erschließen und die dafür erforderliche Wasserleitung herstellen dürfe, falls sich die Wasserschüttung der bisherigen Quelle nach einvernehmlicher Verlegung deren Fassung verringern sollte.

3. Der Kläger legt seiner Rechtsrüge nicht den feststehenden, sondern den von ihm zu einer rechtsgeschäftlich begründeten Verpflichtung der Beklagten für richtig gehaltenen Sachverhalt zugrunde. Er geht im Kern davon aus, die Beklagten müssten die nach seiner Ansicht die Klagebegehren tragende Vereinbarung mit dem in deren Namen handelnden Land Salzburg zuhalten. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den für die abändernde Entscheidung des Berufungsgerichts maßgebenden Auslegungsfragen unterbleibt. Damit entbehrt aber die Rechtsrüge einer gesetzmäßigen Ausführung. Mit einer solche Rechtsrüge werden keine für die Entscheidung präjudiziellen erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen.

Anzumerken bleibt, dass der Erstbeklagte die vom Kläger vorgeschlagene Modalität der Verlegung der Quellfassung duldete. Der Kläger will das Recht auf Errichtung einer weiteren Quellfassung, die seiner Wasserversorgung dienen soll, offenkundig nicht anstelle seines bisherigen Rechts, sondern als dessen Ergänzung eingeräumt erhalten. Insofern ist nicht zu erkennen, dass dem Berufungsgericht bei der die Abweisung der Klagebegehren tragenden Begründung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof, der an den Ausspruch zweiter Instanz über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten wiesen auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Deren Revisionsbeantwortungen dienten daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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